liederlich geworden. Abgesehen von diesem erklärt er die l iu s c hmä n n e r
in ihr e r Moral fü r we n i g ' e r v e rde rbt als irgend einer der grösseren
organisirten Stämme, es sei denn, dass sie lange in inniger Berührung mit
solchen standen. Ein derartiger Ausspruch konnte allerdings im Ohre jener
nicht angenehm klingen, welche sich zu enthusiastischen Eobrednern der
Kaifern gemacht, hatten, doch ist die Opposition der Letzteren kein Beweis,
dass derselbe falsch wäre.
Gerade in Hinsicht des geschlechtlichen Verkehrs, worin ihnen Woon
jede Schranke abspricht, sind sie in der That weniger frei als ihre viel
civilisirteren Nachbarn. Sie sind im Allgemeinen nicht so sehr der Sinnlichkeit
ergeben, zu welcher ihr hartes Leben unter den schwersten Entbehrungen
auch eine ungeeignete Schule ist; die Frauen sind keuscher als
die der Be-chuana und halten einen unerlaubten Umgang mit Männern dieser
Stämme, obgleich sie von jenen als untergeordnete Race behandelt werden,
keineswegs für eine Ehre. Die Wahrheit dieser Behauptung ergiebt sich
aus der Beobachtung, dass die Buschmänner trotz der Zersplitterung, ihren
Typus noch so treu erhalten haben und Mischlinge mit den dunkeln Stämmen
selten sind; wenn dasselbe hinsichtlich der braunen nicht in gleicherweise
g ilt, so liegt der Grund dafür vielmehr in dem Umstande, dass sie Theile
der gesunkenen Hottentotten als Stammesmitglieder aufnahmen, als durch
ungezügelten geschlechtlichen Verkehr.
Die ganze Lebensweise verbietet eine straffere, s t a a t l i c h e Organisation;
wenn sieh auch zuweilen eine Anzahl Familien zu einer grösseren Horde vereinigt
haben und in der Kalahari auch heutigen Tages noch zu kleinen
Dörfern vereinigen, so ist dies doch nur ein mehr zufälliges Zusammenleben,
welches nicht nach besonderen Gesetzen geregelt wird. Vielleicht wird einer
der Bewohner wegen grösserem Ansehen als Kapitain betrachtet, aber dies
ist nur nominell, eine wirkliche Führerschaft macht sich nicht bemerklich.
Fehlt es also in der That auch an einer staatlichen Verfassung, so ist
doch soviel bekannt geworden, dass die Organisation der Familie keineswegs
eine gleich ungebundene ist; Polygamie ist gestattet und die Frauen werden
durch Geschenke erworben, persönliche Zuneigung pflegt dabei aber stets'
in Rechnung gezogen zu werden. Dem Buschmann ist das Herz nicht so
voll von seinen Ochsen wie bei den gepriesenen Kpifern und somit ist noch
Platz darin für Frau und Kind; die Frau rangirt nicht gleich so und so
viel Stück Vieh und ist daher bei diesem verachteten Stamm relativ viel
angesehener, als bei ihren Verächtern. Unter den Buschmännern giebt das
weibliche Geschlecht Lebensgefährtinnen ab, unter den A-bantu Lästthiere;
bei den Letzteren faullenzt der Herr und Gebieter, bei Ersteren, wo der
Lebensunterhalt hauptsächlich durch die Jagd gewonnen wird, hat jedes
Geschlecht seinen guten Theil der Mühe; während bei jenen, der an Vieh
reiche alte Herr das Mädchen von den speculativen Aeltern als Braut zu-.
geschickt erhält, verlockt bei diesen kein Reichthum dazu, die Neigungen
des Herzens zu unterdrücken.
Wir sehen, die Parallele fällt keineswegs durchweg zu Gunsten der
A-bantu aus und doch müssen wir in den Autoren die rührendsten Braut-
und Hochzeitsgeschichten der Kaffern lesen, während die Verachtung den
Buschmann sogar in den Büchern verfolgt. Doch Chapman *) ist ihnen auch
darin gerecht geworden und erzählt, dass die Freierei eines solchen keineswegs
so sans façon vor sich geht, wie Viele anzunehmen scheinen.
Die Mittelsperson bei einer derartigen Verhandlung bildet gewöhnlich
die Schwester des jungen Mannes, welcher durch dieselbe bescheidentlicb
bei der Zukünftigen selbst anfragen lässt, ob sie günstig über seine Liebe
denkt. Erweckt die Art, wie sie sich ausdrückt, Hoffnungen, dass seine
Bewerbung angenommen werden dürfte, so sendet er nach einiger Zeit
wiederum durch die Schwester ein kleines Geschenk, welches sie vojr der
Behausung des Mädchens lässt, und wird dies nicht in den nächsten Tagen
zurückgeschickt, so nimmt der Buschmann an, dass sein Antrag Gnade
gefunden hat. Er veranstaltet alsdann mit seinen Freunden eine grosse
Jagd, welche das Fleisch liefern muss zum bevorstehenden F est, und während
dies unter Singen und Tanzen in Scene g eht, schickt die Familie der
Braut bei den Freunden des Bräutigams ein irdenes Gefäss herum, in
welches dieselben ihre Hochzeitsgeschenke, bestehend in Glasperlen, Schmucksachen
oder auch Waffen, deponiren. Darauf gilt die Ehe für geschlossen,
das Paar wohnt aber noch für längere Zeit bei den Schwiegerältem, und
der junge Mann bringt die Jagdbeute als ein Zeichen des Respectes dem
Schwiegervater dar.
Wie bei der Sitte des Uku-hlonipa der Kaffem scheut der Buschmann
seine Schwiegermutter und vermeidet sie, ebenso wie die Frau ihrem Schwiegervater
aus dem Wege geht.
Die verschiedenen Grade der Verwandtschaft finden auch sonst bei
diesen Eingeborenen eine sorgfältige Beachtung, da sie die Blutschande verabscheuen,
und es geht aus diesem Allen hervor, dass sie , obgleich wie
Thiere behandelt, keineswegs wirklich zu Thieren geworden sind.
Da ein derartig hartes Urtheil schon zu einer allgemeinen Ansicht
geworden zu sein schien, war es wohl an der Zeit, wieder einmal auf die
Punkte aufmerksam zu machen, welche sieh zu Gunsten dieses unglücklichen
Volksstammes, für den jeder Europäer, welcher als Jäger im Innern
Siid-Afrika’s gelebt hat, ein gewisses Mitgefühl empfindet, und dem er
häufig genug zur Dankbarkeit verpflichtet ist, geltend machen lassen. Es
sollte mich freuen, wenn es mir als ihrem Anwalt gelungen wäre, wenigstens
eine vorurtheilsfreie Beurtheilung, nicht vom Standpunkt des senti-
') A. a. 0 . I p . 258. Auch B u r c h e l l hat viele treffende Notizen über die Sitten
der Buschmänner gebracht.