Die Regeln der Lautverschiebung, welche zwischen den Sprachen des
südwestlichen und denen des südöstlichen Zweiges stattfinden, können nicht
eher aufgestellt werden als bis diejenigen, welche zwischen den verschiedenen
Sprachen des südwestlichen Zweiges bestehen, vollständig festgestellt sind.
Der Process der Palatisation, durch welche eine Verwandlung von einander
folgenden Lippenlauten im Kafir und ändern Sprachen des südöstlichen
Zweiges hervorgebracht wird, ist nur von seltenem Vorkommen in denjenigen
des südwestlichen Zweiges. In diesen Sprachen waltet indessen éine grosse
Neigung vor, die Laute benachbarter Sylben einander zu assimiliren. In
dieser Weise werden besonders die Liquidae l und r der Endsylben der
inversiven, sogenannten relativen, und der vollendeten Formen des Verbum
durch die initialen Nasal-Consonanten (n oder m) . einer vorangehenden Sylbe
beeinflusst und dadurch regelmässig in n verwandelt. Auch ein vorangehender
Consonant kann zuweilen durch den Einfluss eines folgenden Nasallautes
verwandelt werden.
So ist das Verb bona (sehen) des Kafir, Se-tshuana und Tekéza
[oona in Sofala, ona in Inhambane-, Sena, Tette unter den Maravi, Makua,
und dem Ki-suaheli und Ki-pokomo, p o na der Mpongwe) muna im O Tyi-
herero, mona im Kongo geworden.
Die vollendete Form dieses Verbum ist im O Tyi-herero munine
( = Kafir b o n i l e , Se-tshuana bonye) im Kongo zu müene zusammengezogen.
Die relative Form ist im O Tyi-herero mu n in a [Kafir und S e-
tshuana boné l a )
Auch die Qualität des Vokales einiger Beugungen, welche die rückbezüglichen,
die sogenannten relativen, causativ-subjectiven und passiven
Verben bilden, wird regelmässig bestimmt durch die Natur des vorangehenden
Vokales. Wo immer dies ein scharfer Vokal ist (i¡ u) muss die Beugung
auch einen scharfen Vokal [i oder u) haben, und wenn der Vokal des
Stammes stumpf ist (a, e, o), ist der Vokal der Beugung gewöhnlich auch
stumpf [e oder o, das letztere jedoch nur in rückbezüglichen Verben nach
einem vorangehenden o).
Die Sprachen des südwestlichen Zweiges werden getheilt in die der
südlichen und der nördlichen Gruppe. Die nördliche Gruppe umfasst die
Kongo- , Kakongo- und Mpongwe- Sprachen.-
Südwestliches Genus.
Das südwestliche Genus des mittleren Zweiges der südafrikanischen
Bantu - Sprachen scheint alle Sprachen zu umfassen, welche längs der West-
kiiste südlich vom Lu f f uni- [lÄfume-) Fluss gesprochen werden.
Drei der in diesen Gegenden vorkommenden Sprachen sind uns bekannt,
das 0 Tyi-herero, die Sprache von Benguela und das Bunda oder
die Sprache von Angola.
Der A ssimilationsprocess von auf einander folgenden Vokalen hat in
diesen Sprachen den Endvokal a bei mehreren Temporibus des Indicativ in
der Weise beeinflusst, dass dies a in solchen Fällen regelmässig in den
Vokal der vorhergehenden Sylbe verwandelt wird, es sei dies a, e, i, o,
oder u. Z. B. er sah ist in O Tyi-herero v a -m u n u — Kafir w a - b o n a .
Das 0 Tyi-herero.
Das O Tyi-herero wird von den o Va-herero und o Va-mbantieru gesprochen,
von 22° 30' bis etwa 1 9 ° vsüdl. Br. und von 14° bis 23° östl.
Länge von- Gr.
Die o Va-herero (2. Plural mit Singul. o Mu-herero) werden Kamagha
Daman (com. plur.) von den Namaqua’s genannt und mit Uebersetzung
dieses Namens von colonialen Schriftstellern Vieh - Damara (die Endung ra
entnommen von der Form des Commune plur. im N am a -Dialekt) genannt.
Das 0 Tyi-herero hat weder l noch / noch die Zischlaute s oder z.
Die Aussprache ist lispelnd wegen der Sitte der o Va-herero, die oberen
Vorderzähne auszufeilen und 4 der unteren auszubrechenl) . Darin liegt vielleicht
der Grund, dass das O Tyi-herero zwei Laute ähnlich wie das harte
und weiche th des Englischen hat. In Herero - Büchern sind diese Laute
gewöhnlich durch die Buchstaben s und z ausgedrückt worden.
Der Buchstabe h bezeichnet einen Laut, welcher nicht immer ein einfacher
Hauch is t , sondern häufig die Aussprache eines aspirirten Zischlautes
(sh) hat.
Nur die Mediae g, g :( = dzh, Englisch j ) , d, b, z dulden unmittelbar
vor sich einen Nasallaut; Und wo es sich trifft, dass in der grammatikalischen
Bildung der Wörter ein Nasallaut (ish oder ty) einer Tenuis
k, k' (ty), t, -p, oder Liquida y, r, v
vorangeht, wird dieser Consonant in die entsprechende Media
g, g' (dy), d, b und . . . '. g, d, b
verwandelt, aber vor s und h wird der Nasallaut elidirt.
Die Formen der Adjective fangen gewöhnlich mit demonstrativen oder
relativen Partikeln an, die ihre Beziehung bestimmen.
Die Formen der demonstrativen Pronomina sind gebildet aus Combi-
nationen der einfachen Pronomina (die ja mit den Prefixen der Nomina
ursprünglich identisch sind) , mit einer vorangestellten demonstrativen Partikel,
die einen Nasallaut enthält, welcher in den meisten Fällen die Form
des Pronomen step'k beeinflusste, aber mitunter es auch ursprünglicher gehalten
hat als es sonst gefunden wird.
Die subjectiven Prefixpronomina des Verbum sind häufig stark zusammengezogen
mit den Verbalpartikeln, welche das Tempus, den Modus und
*) Nur die mittleren Schneidezähne. V