zur Anschauung zu bringen, wegen des lockeren Aneinanderlagerns der
Knochen.
Aus der Betrachtung aller dieser Skelettverhältnisse, besonders auch
mit Rücksicht auf das beschriebene, wirklich verkommene Hottentottinskelett
geht hervor, dass di e B e h a u p t u n g , di e c h a r a k t e r i s t i s c h e n Un t e r s
c h i e d e im Bau des B u s c hma n n e s be r u h t e n l e d i g l i c h auf dem
Ein f lu s s des Ve r k omme n s der V ö l k e r s c h a f t a l s eine dur chaus
u n e rw i e s e n e b e z e i c h n e t we rd en mus s .
c. Körperliche und geistige Leistungsfähigkeit.
Wenn es soweit gelungen sein dürfte, an der Hand von Material,
dessen Eigenthümlichkeiten zur unmittelbaren Anschauung zu bringen sind,
die ursprüngliche Trennung der Buschmänner von den Hottentotten nachzuweisen,
so lässt sich leicht begreifen, dass die Schwierigkeiten hinsichtlich
der functionellen Unterschiede viel erheblicher werden. '
Man darf wohl darauf verzichten, hierin den Beweis in gleicher Weise
durchführen zu wollen, da es überhaupt ungeeignet ist, sich allzu fest an
die mannigfach wechselnden, einzelnen Züge zu klammern, anstatt das
Gesammtbild in’s Auge zu fassen. Thut man das Letztere, so ergiebt sich
hei eingehender Vergleichung, dass sich zwischen beiden Volksstämmen auch
auf diesem Gebiet die erheblichsten Unterschiede in den Talenten, Anschauungen,
Neigungen und der Lebensweise finden, wovon Vieles gar
nicht bezweifelt werden kann, wenn auch manche Autoren sich bemüht
haben, den Buschmännern alle Scheusslichkeiten aufzubinden, welche ihnen
gerade einfielen.
Vergleicht man dasjenige, was selbst wohlwollende, vorurtheilsfreie
Beobachter über den unglücklichen Stamm mittheilen, so scheint es, als ob
ein harter Fluch auf ihm laste, der die übrigen Koi-koin nicht in gleicher
Weise berührt, und es muss dies in einer besonderen Gemüthsrichtung
seinen Grund haben, welche wir versuchen wollen näher zu erläutern.
Gleich hier sei ausdrücklich erwähnt, dass meine eigenen Erfahrungen,
welche, wie das beigegebene Material beweist, nicht ganz unbedeutend sind,
hinsichtlich der Buschmänner verhältnissmässig günstig waren, und dass ich,
sollte darnach allein geurtheilt werden, ihnen wohl ein zu vortheilhaftes
Zeugniss ausstellen müsste.
Will man ein Urtheil über ihren Charakter in einen kurzen Satz
zusammenfassen, könnte man sagen: D e r B u s c hma n n i s t das un g lücks
e l i g e Kin d des A u g e n b l i c k e s .
Der bereits bei den Hottentotten hervorgehobene Leichtsinn steigert
sich bei ihm zu einer verhängnissvollen Unbedachtsamkeit, welche wohl die
richtigste Erklärung für die merkwürdigen Widersprüche im Charakter abgiebt.
Sieht sich der Buschmann einer Entschliessung oder einer That
gegenüber, so scheint er allein die augenblickliche Neigung zu Rathe zu
ziehen, ohne sich durch etwas Anderes leiten zu lassen oder den möglichen
Folgen auch nur einen Gedanken zu widmen.
Nimmt man seine ändern Eigenschaften mit dieser zusammen, so begreift
man, woher es kommt, dass die Buschmänner so oft und leicht zu
Verbrechen geführt werden, welche man bei oberflächlicher Kenntniss dem
scheinbar so gutmüthigen Sohne der Wildniss nicht zugetraut hätte. Unter
solchen Eigenschaften wird ihnen am meisten ihre grosse G l e i c h g ü l t i g k
e i t g e g e n B e s i t z verderblich; denn es leitet sich daraus auch die Nichtachtung
fremden Eigenthums ab.
Hat der 'Buschmann hinreichend zu essen und eine, Pfeife Dacha, so
fehlt ihm Nichts zum Glück des Lebens, Besitz macht ihm Sorge, und er
ist darin der wahre Philosoph, omnia sua secum portans. Was sollte er
mühsam Vieh aufziehen, hegen und pflegen, die Thiere des Feldes sind
sein Vieh; es gedeiht ohne sein Zuthun, und er tödtet davon nach Belieben,
wie es der Augenblick bietet. Dass andere Leute ein heiliges Recht auf die
Heerden hätten, welche sie sich irgend wie erwarben, wollte ihm nie vollständig
einleuchten; das Vieh war hinreichend da, die augenblicklichen
Besitzer brauchten es nicht, indem sie es sonst geschlachtet hätten, er hatte
Hunger, folglich raubte er dasselbe. So sehen wir bereits in den frühsten
Zeiten der Colonie die Buschmänner als »Banditti« und »Robbers« auftreten
und es hiesse die Wahrheit entstellen, wollte man leugnen, dass der V i e h di
ebs t ah l zum wirklichen G e w e rb e derselben gehörte. Bei sämmtlichen
übrigen Eingeborenen Süd-Afrika’s ist die schwärmerische Zuneigung zu
ihrem Vieh, als dem liebsten Besitzthum, betont worden, man hat sie mit
Recht als wahre »Boomanen« bezeichnet, und es leuchtet daher ein, welcher
allseitiger Hass sich gegen einen Volksstamm wenden musste, der diesen
Besitz nicht nur gefährdete, sondern geradezu als unberechtigt betrachtete.
Es war ein Kampf fiir ihr werthvollstes Eigenthum, auf dem die eigene
Existenz wesentlich beruhte, wenn Eingeborene und Colonisten sich in dem
Losungswort einigten: Tod den Buschmännern! Selbst Jahrhunderte lang
fortgesetzte üble Erfahrungen konnten diese von dem unseligen Viehdiebstahl
nicht abbringen, und erst in der neueren Zeit haben die letzten Reste
sich, wie es scheint, zu grösserer Vorsicht bestimmen lassen, so dass derartige
Verbrechen weniger häufig geworden sind.
Vielleicht hätten die Feinde der Buschmänner nicht einen so schrecklichen
Grad von Erbitterung gezeigt, wenn nicht ein anderer Vorwurf das
volle Maass ihrer Sünden zum Ueberlaufen gebracht hätte. Das Stehlen
oder Rauben des Viehes allein, welches in Süd-Afrika eine berechtigte Eigen-
thümlichkeit kriegführender Mächte zu sein scheint, würde man ihnen nicht
so sehr übel genommen haben, aber das Bewusstsein, dass die lieben, vierbeinigen
Zöglinge, einmal in der Hand der Buschmänner, rettungslos ver-
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