Die Frau hat ihre harte Arbeit zu verrichten und kann dem Säugling
wenig Zeit widmen; es wird das Sauggeschäft daher so abgemacht, dass
die Mutter unter dem Arm hindurch oder über die Schulter dem auf dem
Rücken befindlichen Kinde die Brust reicht, ohne ihre Arbeit zu unterbrechen.
Erst wenn das Kleine einige Monate alt ist, nimmt der Vater officielle
Notiz von demselben, indem er nun die Ceremonie vollführen lässt, wodurch
es auf feierliche Weise in die Familie aufgenommen wird. Nachdem den
nächsten Verwandten und Freunden ein Fest bereitet worden is t, geht der
Vater während desselben nach dem Viehkraal und wählt unter eigens zu
diesem Zwecke gehaltenen Thieren eine K uh, aus deren Schwänze er einen
Büschel der langen Haare ausrauft. Die Haare übergiebt er darauf der
Mutter, welche dieselben in geheimnissvollei Weise zusammenknotet und
um den Hals des Kindes befestigt. Die Kuh selbst, sowie die Abkunft
derselben, bleiben geheiligtes Eigenthum der Familie und dürfen weder verkauft
noch an Fremde verliehen werden; sie wird dem Mädchen bei ihrer
Verheirathung nach dem neuen Wohnorte mitgegeben, ohne indessen in den
Besitz des Bräutigams überzugehen.
Diese Sitte, durch welche man glaubt, alle zukünftigen Uebel, welche
das Kind befallen könnten, zu beschwören, wird »U ’bulmtffa« genannt1).
Wächst der Knabe heran, so geht er aus der Autorität der Mutter in
die des Vaters über, doch kümmert man sich überhaupt wenig um die
heranwachsende Jugend in diesem Alter, sie treibt sich nach Belieben in
den Strassen des Ortes und in der Nachbarschaft umher, man richtet sie
ab das Vieh zu hüten, Holz zu sammeln, Wasser zu holen, wilde Früchte
zu suchen, das ist aber auch Alles, was zu ihrer Erziehung geschieht.
Nur wenn die Buben irgend einen gröberen Unfug ausgeführt haben? legt
sich der Vater in’s Mittel und lässt sie mit dem Stock Bekanntschaft machen;
denn bis der Sohn seine eigne Häuslichkeit begründet hat, bleibt der Vater
für allen Schaden, den jener Anderen verursachte, verantwortlich und so ist
er gezwungen, die Kinder etwas in Ordnung zu halten. Entwickelt sich
der Charakter eines Sohnes sehr zum Bösen und wird der Vater öfter in
die Verlegenheit gesetzt, für die Unthaten desselben einzutreten, so kann
er sich gänzlich von ihm lossagen. Der Sohn wird .alsdann für vogelfrei
') Ein andrer, zu gleichem Zwecke an den Kindern ausgeübter Gebrauch ist das
»Isiko Icngqttt«, welcher indessen unter den Koi-koin eine weit grössere Verbreitung hat
und ihnen daher wohl ursprünglich zukommen dürfte. W a r n e r , mit dessen Noten meine
eigenen Beobachtungen im Allgemeinen am besten übereinstimmen, stellt ihn dem Isiko
lo-bulunya vollständig gleich und giebt an , dass eine Familie dem Ersteren, eine andere
aber dem Zweiten folge, manche beide ausführten; doch habe ich die von dem Ingqiti
zurückbleibenden Spuren unter den Kaffem nur selten, unter den Koi-koin aber als Regel
angetroffen, kann daher nicht wohl an eine grosse Verbreitung desselben unter jenen
Stämmen glauben und werde ihn bei den Letzteren beschreiben. V.
erklärt, der Vater ist nicht mehr für die Verbrechen desselben verantwortlich
und Jeder kann sich ungestraft an seiner Person vergreifen.
Zur Zeit der Pubertät widmet man den Knaben eine besondere Aufmerksamkeit:
Naht diese Periode heran, so thun sich benachbarte Orte
zusammen und übergehen die gleichaltrigen Knaben einem älteren Mann,
welcher eigens für das Amt ausgewählt wird, und sie entfernen sich unter
der Obhut desselben in die Wildniss, wo eine besondere Hütte für sie
erbaut ist. Sie bilden dann eine Gemeinschaft für sich, die mit Niemandem
sonst in näheren Verkehr tritt, und werden in diesem Zustand, welcher
die Vorbereitung zur feierlichen Begehung der Beschneidung darstellt,
*Aha-kwcUia genannt. Zum äusseren Zeichen, dass die Knaben sich in
dieser Periode befinden, bemalen sie sich mit weissem Thon, wodurch die
dunklen Körper eine unangenehme, schmutzige Farbe erhalten. Ihr Mentor
vollzieht nun an seinen Schützlingen unter einigen Ceremonien die Circum-
cisio, unterweist,.sie in den Gebräuchen, die zu beobachten sind, und lässt
heilende Kräuter auf die wunden Stellen legen. Jeder Knabe hat seine
abgeschnittene Vorhaut hinwegzutragen, um sie im Stillen irgend wo zu
begraben. Diese' Sitte hängt innig mit dem allgemein verbreiteten Hexenglauben
zusammen; denn die Absicht ist, zu verhindern, dass die entfernten
Theile nicht in die Hände von Zauberern fallen, und man glaubt, dass
gerade durch den Besitz irgend eines dem Körper entnommenen Gegenstandes
die Uebelthäter Macht bekommen, zunächst über die Person selbst,
von der die Sache herrührt, dann aber auch über den ganzen Stamm, welchem
das Individuum angehört.
Auch die gebrauchten Bandagen werden sorgfältig im Auge behalten
und in der Hütte verwahrt, um sie später zu zerstören. Beginnen die
Wunden zu heilen, so ziehen die Aba-kweta in phantastischem Kostüm mit
Schilf oder Palmblättern umhangen in den Ortschaften umher, wo sie unter
Betheiligung der unverheiratheten Frauen Tänze ausführen, Uku-tsliila genannt,
welche dazu bestimmt sind, die sinnlichen Leidenschaften der
Neulinge aufzuregen und daher an allem Anderen eher als an übertriebener
Züchtigkeit leiden. Die Aba -kw e ta gemessen nämlich in diesem Ueber-
gangsstadium vom Knaben zum Mann eine fast völlige Freiheit von allen
Gesetzen, besonders aber hinsichtlich des geschlechtlichen,Umganges, so
dass sie sich ungestraft jedes unverheiratheten Frauenzimmers bemächtigen
dürfen, wenn sie wollen.
Verschiedene Autoren und auch der sonst so vorurtheilsfreie W a r n e r
rufen daher Wehe über die ganze Sitte der Beschneidung, als wenn das
Uku-tshila ganz unvermeidlich dazu gehörte, während dieser Gebrauch allein
sehr gut wegfallen könnte. Im Uebrigen ist zu bemerken, dass es auch
ohnedem unter den A-bantu nicht an unanständigen Tänzen fehlt *), dass
) Auch soll in Europa ein Tanz Vorkommen, Cancan genannt, dessen Unanständigkeit
den Kaffertänzen wenig nachgiebt. v .