Es ist in der erwähnten Abbildung namentlich die Formation der
Genitalien in’s Auge gefasst, aber auch diese Darstellung ist übertrieben
und scbematisirt. Die »Hottentottenschürze« hat ja seit langen Jahren eine
anatomische Berühmtheit erlangt, es war dies aber wohl nur dadurch möglich,
dass allerlei Fabeln damit verknüpft wurden.
Die Sache beruht in gewöhnlichen Fällen einfach auf einer Hyper-
trophie der Labia minora,. welche in Süd-Afrika a ls R e g e l allerdings nu r
b e i d en K o i - k o i n auftritt, wenn auch einzelne A-b antu -Frauen etwas
Aehnliches zeigen mögen, ebenso wie es häufig genug selbst in Europa
vorkommt. Es ist schon desshalb kaum begreiflich, warum so. viel Aufhebens
von dieser Abweichung gemacht wird, indem sie bei manchen nordafrikanischen
Stämmen ebenfalls regelmässig auftritt, dass z. B. im Sudan
es Landessitte is t, die Frauen zu beschneiden. Ob Sü d- .oder Nord-
Afrika hierin der Vorrang gebührt, ist aus dem angeführten und anderen
naheliegenden Gründen bisher noch nicht festgestellt worden, jedenfalls ist
die Bildung den Koi-koin nicht ausschliesslich eigenthiimlich und kann also
nicht etwa als durchgreifendes, unterscheidendes Merkmal benutzt werden.
An einem Präparat, herrührend von einer e.twa 35jährigen Gonaqua-
Hottentottin4), weichesich frisch zu untersuchen Gelegenheit hatte, betrug die
Höhe der Labia minora 4 CM. (Abstand des freien Randes yom angewachsenen
bei einer Länge des angewachsenen Randes von 6 CM.),- die sonstige
Beschaffenheit derselben war dabei normal, nur dass, wie immer in solchen
Fällen, die Epidermis einen festeren Charakter angenommen hatte. Nach
oben zu verdickten sich die Nymphen und gingen in das ebenfalls etwas
hypertrophische Präputium Clitoridis2) über, wodurch eine Andeutung der
eigentlichen Hottentottenschürze entstand, das heisst ein schürzenartiger Vorhang
vor der Rima pudendi, welcher als R e g e l s i c h e r l i c f c n i c h t vorhanden
ist. Die Labia majora zeigten sich in dem fraglichen Fall zwar
nicht besonders stark entwickelt, doch waren sie deutlich und begränzten
die Rima pudendi in normaler Weise gegen die Schenkel hin. In diesem
Punkte unterschieden sich die Genitalien wesentlich von denjenigen der
A fan d y , wie L u s c h k a 3) beschreibt, da bei Letzterer die Labia majora nur
ganz rudimentär gewesen sein und zur Bildung der Schamspalte gar nicht
beigetragen haben sollen. Die Verlängerung der Nymphen betrug nach
L u s c h k a ’s Angabe nur 3,85 CM., was noch eine niedrige Zahl genannt
werden muss, die bei reiner hottentottischer Race gewiss oft übertroffen
wird. Besonders im Alter wird die Verlängerung häufig viel bedeutender
Jetzt in Berlin, anatom. Museum. Nr: 21908.
2) Auch S par rm a nn hat beobachtet, dass die Clitoris sich an der abnormen Verlängerung
betheilige. Sp. B. p. 173.
3) L u sc h k a , Die äusseren Geschlechtstheile eines Buschweibes. Monatschr. f. Ge-
burtsk. Bd. XXXII,;_Heft 5.
sein, doch muss'eine solche von 6 - 8 " , wie von der Venus hottentotta
angegeben wird, schon als monströs bezeichnet werden *).
Die Beobachtung der fraglichen Abnormität ist bereits in sehr frühen
Zeiten gemacht Worden, was bei der Einfachheit der Damentoilette im Lande
der Hottentotten nicht schwer war; wir finden sie, wenn auch nur m sehr
discreter Form im alten D a p p e r 2) angedeutet unter der (pag. 151) bereits
citirten Bemerkung »also haer (der Hottentottin) up zommige plaetzen wat
uithangt«. Der gute K o l b e n , welcher darauf besonders stolz ist, Alles, was
er anführt, selbst gesehen zu haben, beschreibt die Hottentottenschurze als
»ein Ausgewächse. Es ist eine Art einer harten und breiten Haut, die
ihnen oberhalb des Os pubis fS) wächset, ziemlich weit herunter hänget und
von der Natur zur Bedeckung ihrer B lö s s e gewidmet scheinet«,3). Hat den
Autor, wie -leider aus mancherlei anderen Angaben mit Wahrscheinlichkeit
zu schliessen ist-, die allzu grosse Gelehrsamkeit nicht am richtigen Sehen
verhindert, so ist anzunehmen, dass in dem von ihm untersuchten Falle
eine Hypertrophie des Praeputium clitoridis mit Vorgelegen hat, und er nur
über, die Lage des Os pubis nicht übermässig genau orientirt war.
Es wäre wohl nicht unmöglich , dass die so regelmässig' vorkommende
Verlängerung der Labien und eventuell der Clitoris gar nichts Besonderes
darstellt, sondern wesentlich als eine Folge der ausserordentlich häufigen
Masturbation anzusehen ist; jedenfalls wird dieses Laster viel zur monströsen
A u sb ild u n g der Eigentümlichkeit beitragen können, ;
Obgleich in der KoLBEN’schen Beschreibung die Hottentotten durchschnittlich
zu günstig dargestellt werden, so verleiht er ihnen doch grosse
und' breite Füsse beim männlichen Geschlecht und nur das weibliche soll
sich durch kleine und geschmeidige (?) auszeichnen. Wenn hier auch für
jenes der letztgenannte Vorzug in Anspruch genommen wird, so soll damit
nicht gesagt sein-, dass er diesem nicht in höherem Grade zukäme4). In
der Thai ist der Fuss wie die Hand bei einer Hottentottin trotz der mangelnden
Cultur durch enges Schuhwerk respective Handschuh von einer
bemerkenswerthen Feinheit, und wenn K o l b e n ’s Ausdruck »geschmeidig«
sich auf die zierlichen Gelenke und die Bildung der Knöchel, beziehen soll,
so kann auch dies unbedenklich zugegeben wurden.
Doch ist in den alten Autoren Wahrheit und Dichtung in einer so
künstlichen Weise gemischt, dass^ man häufig nicht im Stande is t, das
Positive sich daraus zu reconstruiren. Es gilt dies auch vornehmlich über
1) CuviER, Mém. du musée d’hist. nat. Tom. I I I , p- 259.
2) DAp p e r . Neer Aethiop. p. 268.
, 3) K o lb en a. a. 0 . p . 51. .
4) Spa r rm a n n hat ebenfalls bemerkt, dass diese Stämme sich durch verhaltmssmassig
kleine Hände und Füsse auszeichnen und hält diese Entdeckung für so wichtig, dass er
sich die Priorität derselben ausdrücklich zu wahren su ch t, die ihm indessen nicht gebührt.
Sp. R. p. 172.