Die Etymologie des Wortes »Bosjesman«. 3 welches die ursprüngliche
Form ist, zeigt, dass es als identisch mit unserem Ausdruck »Waldmensch«
betrachtet werden muss, und der ursprüngliche Sprachgebrauch bezeichnet
damit nicht einen beliebigen Waldbewohner, sondern ein Individuum jener
fabelhaften Race, die, eine Mittelstufe zwischen Mensch und Affe, schon
seit dem grauen Alterthume in Büchern naturhistorischen Inhaltes, in Reisebeschreibungen
etc. spukt. Diese Sagen sind ja bekannt genug., und es
erscheint unnöthig näher. darauf einzugehen, nur möchte ich wegen der
Uebereinstimmung des Continentes auf den in punischen Berichten auftauchenden,
haarigen, in dichten Wäldern des Sudan lebenden Volksstamm,
sowie auf P l in iu s’ Beschreibung der Garamanten als eine Hauptgrundlage
der Fabel vom Waldmensehen speciell hinweisen. Diese Fabel, lange Zeit
als solche erkannt, gewann aufs Neue Bedeutung mit der Auffindung der
anthropoiden Affen, besonders des Orang-outang, welcher nun den Namen
»Waldmensch« (was sein malayischer Name ebenfalls bezeichnen soll) für
sich in Anspruch nahm.
In den ersten Zeiten der Colonie unter v a n R i e b e c k fanden die Leute
am Abhange des Tafelberges einen todten Pavian, welches Ereigniss von
dem Gründer mit folgenden Worten in ¿einem Journal angeführt' wird:
An diesem Tage1) wurde am Berge ein todtes »B o sm a n n e k e n «, in B a t
avia Ou r a n g - o u t a n g k g e n a n n t , “ aufgefunden, so gross-wie ein
schwaches Kalb, mit Händen und Füssen wie die eines Menschen2) .
Es beweist diese Stelle das Wiederauftauchen des' -Ausdruckes » Bos-
jesman« in Süd-Afrika, und wenn auch anfänglich die Colonisten denselben
nicht auf den später so bezeichneten Volksstamm übertrugen, sondern Abtheilungen
desselben sogai* vielfach aus Unkenntniss mit den Hottentotten
zusammenwarfen, lag eine solche Uebertragung doch zu nahe, als dass sie
nicht sehr bald hätten darauf verfallen sollen. Schon im Jahre 1685 wird
daher in den officiellen Berichten erwähnt, dass Capitain C l a a s ein Hottentottenhäuptling
des Cap, Krieg hätte mit den Sonqua, gemeinhin ytBosjesmannem
genannt3),"
Je mehr die Farmer die Buschmänner kennen, zugleich aber auch
fürchten und hassen lernten, um so mehr war ihnen daran gelegen, diese
Race, welche erbarmungslos vertilgt wurde, schon zur Beruhigung eines
zarteren Gewissens als nicht dem Menschengeschlechte zugehörig betrachten
zu dürfen. Während also die Paviane den ihnen gebührenden Namen
erhielten, ging der ursprünglich für diese gebrauchte auf den Stamm über,
der nach allgemeiner Ansicht ja nur eine etwas begabtere, aber darum auch
^.Cape Rec. Apr. 1654.
2) Bezeichnend für die damaligen Zustande der Colonie ist es, dass die Leute den
verreckten Pavian mit Vergnügen assen und wohlschmeckend fanden. V.
•3) Simon v . d e r S t e l l ’s Journ. Cape Rec. p. 402.:
gefährlichere Abart darstellte. Noch heutigen Tages kann man vielfach in
Süd-Afrika von Leuten, die niemals K a r l V o g t ’s Vorlesungen über den
Menschen gelesen haben, die Behauptung aufstellen hören, dass die Buschmänner
in derThat den Pavianen näher ständen als den Menschen; die A-bantu
selbst stimmen mit ein in die härtesten Urtheile über den unglücklichen
Stamm, dessen stellenweise Aehnlichkeit mit gewissen Thierklassen hat zum
Vorwand dienen müssen, ihn thierisch zu behandeln. Die Bosjesmannen
sind demnach in der Meinung sämmtlicher anderen Süd-Afrikaner die richtigen
»Waldmenschen«, d. h. eine Mittelstufe zwischen Mensch und Affe,
und verdienen in ihren Augen auch den Namen, durch welchen sie aus
der' Reihe der Menschheit gestrichen und als ein rechtloses Opfer der grausamsten
Verfolgung bezeichnet werden1).
L i c h t e n s t e in , von seinem einseitigen (holländischen) • Standpunkte
bestreitet das einstmalige Vorkommen der Buschmänner in gewissen Gebieten
der heutigen Colonie und will dieselben auf die Gegend des Oranje-
Riviers beschränkt, alles Andere aber hottentottischen Stämmen zugewiesen
wissen2]^ Diese, sowie andere ähnliche Ansichten, die er gläubig von
seinen holländischen Gönnern hingenommen hat, können bei Vergleichung
mit den authentischen Cape—Records nicht mehr aufrecht erhalten werden,
da sehon unter den ersten Eingeborenen, die v a n R i e b e c e : kennen lernte,
sich kleine Trupps von Buschmännern zeigten, welche aus Mangel an anderer
Unterscheidung mit verschiedenen Trivialnamen belegt, gewöhnlich aber auch
als »rohbers« oder » banßitti« bezeichnet wurden. Dadurch deutete man an,
dass sie ihrer Lebensweise nach sich herumtrieben, kein festes Eigenthum
besassen, und sich gelegentlich mit Räubereien abgaben; solche Merkmale
passten gar nicht auf den damaligen Zustand der sesshaften, Viehzucht
treibenden Hottentotten, und es müssen also Leute anderen Stammes gewesen
sein.
Die am häufigsten genannten und am frühsten von den Colonisten als
:oSoaqua«A), d. i. der hottentottische Name für die Buschmänner, erkannte
Horde", war die der »Vischman«, deren Hand gegen Jedermann und Jeder-
mann’s Hand gegen sie war, zu einer Zeit (1654, zwei Jahre nach Gründung
der Colonie), wo die vereinzelten Europäer von ihrem Beobachtungsposten
am Tafelberge aus noch nicht im Stande waren, »den Geist der
Zwietracht unter die Stämme zu säen und friedliche (?) Hirtenvölker zu dem
Stande der Buschmänner herabzudrücken«, wie die Redensarten über diesen
Gegenstand zu lauten pflegen.
0 In der eben entwickelten Ansicht stimmt leider S u t h e r l a n d völlig mit mir
überein.
Vergl.: S u t h e r l a n d a. a. O. Tom I, p. 589:
2) L. a. a. O. II, p. 85.
- 3} Cape Rec. p. 28.
C. Rec. p. 46 werden die Soaqua ausdrücklich als eine besondere Race von Ban-
ditti oder Bosjesmannen bezeichnet.