erscheint auch entschieden verdächtig. Schon S p a r r m a n n 1) hat später die
in Rede stehende Behauptung der Alten energisch bestritten und leugnet,
dass sie irgend welche factische Grundlage habe; ebensowenig finden sich
in den Neueren Angaben um sie zu stützen, oder habe ich seihst etwas in
Erfahrung gebracht, was die Behauptung rechtfertigen könnte; es bleibt
also nur übrig anzunehmen, dass die Alten sich haben täuschen lassen,
wenn man es auch nicht als unmöglich bezeichnen kann, dass den Angaben
doch etwas Wahres zu Grunde liegt.
In vielen kleinen Zügen, welche den barocken Beschreibungen eingeflochten
sind, zeigt sich eine merkwürdige Uebereinstimmung mit den
Sitten der heutigen Eingeborenen, mit ihren Anschauungen und ihrer Weise
sich auszudrücken, welche jeden frappiren muss, der die einschlägigen
Verhältnisse kennt.
So findet sich das Unreinhalten der Wöchnerinnen, welchen sich der
Mann nicht nahen darf, ohne selbst unrein zu werden, hier ebenfalls wieder,
und auch die Meinung der Leute, dass die Aeltern über Leben oder Tod
des Neugeborenen entscheiden können und dasselbe unter Umständen aussetzen,
tritt noch heute öfters auf. Rücksichten, welche ein solches Verfahren
in den Augen der Leute rechtfertigen, ist bei Zwillingen Unvermögen
der Mutter, beide zu nähren, besonders wenn eins oder beide Mädchen
sind, ferner Missgestaltung oder Krüppelhaftigkeit des Kindes, Albinismus
oder ähnliche Gründe; dass dafür erst in der Rathsversammlung die Zustimmung
sollte eingeholt werden, erscheint zweifelhaft.
Unter dem Einfluss einer harten, grausamen Natur muss jedes Glied
des Gemeinwesens, welches nicht hinreichende Kraft gewährleistet, sich
seine Stellung im Leben zu erkämpfen, als eine Beeinträchtigung der
Uebrigen betrachtet werden, und wie man die Neugeborenen bei Seite bringt,
deren Aufkommen zweifelhafterscheint, so beseitigt man auch die hülflosen
alten Leute. Sind dieselben gar nicht mehr im Stande sich selbst zu helfen
und der Gemeinde etwas zu nützen, so wird ihre Ausstossung beschlossen,
man setzt sie auf einen Packochsen und führt sie hinaus in die Wildniss,
wo sie mit einigem Mundvorrath in einer eigens dazu hergerichteten Hütte
belassen werden, ohne dass sich Jemand weiter um sie kümmert. Auch
diese Sitte wird in neuerer Zeit vielfach bestritten, und es ist gewiss, dass
die Fälle, wo sie in Anwendung kommt, heutigen Tages zu den seltenen
Ausnahmen gehören. Man darf aber nicht vergessen, dass der Einfluss der
Europäer auf das energischste dagegen aufgetreten-ist, und die Eingeborenen
durch Furcht mehr als durch Liebe an der Ausführung gehindert werden,
andererseits aber manche Fälle auch in späterer Zeit von durchaus glaubwürdigen
Autoren (M o f f a t , S p a r r m a n n ) berichtet werden; endlich lässt sich
die grosse Gleichgültigkeit, man kann sogar sagen Ve r a c h t u n g der Eingeborenen
gegen hülflose alte Leute noch heute constatiren.
Stirbt Jemand eines natürlichen Todes, so wird auch bei den Hottentotten
eine heulende Wehklage von den Weibern des Ortes angestellt, welche
stundenlang anhält, während man alsbald den Körper mit Riemen in die
Stellung bringt, »welche er im Mutterleibe inne hatte«, wie K o l b e n sich
ausdrückt, d. h. diejenige, in welcher er den möglichst geringen Raum
einnimmt. Mit Rücksicht auf die notorische Faulheit der Eingeborenen ist
wohl die letztere Erwägung das Entscheidende und nicht die sinnige Beziehung
auf den Schooss der Mutter Erde; denn das zu grabende Loch zur
Aufnahme des Körpers braucht unter diesen Verhältnissen auch nur klein
zu sein.
Die zusammengeschnürte und mit Fellen umhüllte Leiche wird baldigst
durch eine ausdrücklich dafür gemachte Oeffnung nach rückwärts aus der
Hütte geschafft, um den verunreinigenden Gegenstand nicht durch den Kraal
zu tragen, -und unter dem Geheul der versammelten Menge nach der letzten
Ruhestätte geschafft, worin sie unter Mitgabe der Habseligkeiten des Verstorbenen
beigesetzt wird. Der Sitte gemäss bekommt die Leiche ihre
kauernde Stellung in einer kleinen, seitlichen Höhlung der Grube, welche
man alsdann mit Stäben oder Fellen gegen den übrigen Raum absperrt;
auf das zugeworfene Grab häuft man Steine, um das Ausscharren der Leiche
durch Raubthiere zu verhindern.
Wie bei allen feierlichen Gelegenheiten giebt auch ein Begräbniss
Veranlassung zu Schmausereien, wozu der Erbe das Vieh liefert. Das mit
Buchu bestreute und zusammengerollte Netz der geschlachteten Schöpse wird
von den Leidtragenden als Zeichen der Trauer um den Hals getragen, bis
er von selbst abfällt, auch scheeren sie sich das Haar in besonderer Weise,
so dass es schmale Kämme bildet.
Haupterbe soll früher der älteste Sohn des Verstorbenen oder in Ermangelung
von Söhnen der nächste männliche Verwandte gewesen sein, die
Töchter 'sind nicht erbberechtigt und auch die jüngeren Söhne sind ganz
von der Güte ihres ältesten Bruders' abhängig. Er kann sich mit ihnen
abfinden durch Ueberlassung von wenigem Vieh, worauf sie sich selbstständig
machen, oder sie leben mit ihm als seine Untergebenen. Die weiblichen
Verwandten sind ebenfalls ganz von ihm abhängig und ihre eventuelle
Verheirathung liegt in seiner Hand, wie auch die zu erwartenden Brautgaben
ihm zufliessen.
In allen diesen Verhältnissen findet sich viel Analoges bei den Bantu-
Völkern, wenn auch mit gewissen Modificationen, wie sie den sonstigen
Verschiedenheiten entsprechen; bei den heute noch besser erhaltenen Stämmen
der Koi—koin treten manche Sitten noch genau so auf , es liegt also
keine Veranlassung vor, ihr Vorkommen in früherer Zeit bei den eigentlichen
Hottentotten in Zweifel zu ziehen. Hinsichtlich der Erbfolge scheint