scher Unschuld vorstellte, Und wenn man auch im Hinblick auf die mannigfachen
Greuel, welche berichtet werden, für die Gesammtheit solche Anschauungen
aufgah, so glaubten doch Viele, dass das Gemiith der Einzelnen
wenigstens einer Knospe zu vergleichen sei, welche durch geeignete Pflege
sich ganz sicher zur schönsten 1 > 1 iitlie entfalten würde.
Es ist aber natürlich weder das Eine noch das Andre der Fall. Die
Stämme eines Continentes wie Süd-Afrika haben die Jahrtausende ihrer Vergangenheit
nicht in glückseliger Zurückgezogenheit wie auf einer unent-
deckten Insel im Ocean verlebt, sondern im erbitterten Kampf ums Dasein
gegen eine grausame Natur und ihre noch grausameren Mitgeschöpfe. Die
Schule des Lehens, und gewiss eine der härtesten auf dieser Erde, hat gestaltend
auf ihr Gemüth und Charakter eingewirkt; danach hat sich- ihr
nationales Lehen sowie das der Familie gebildet, und mit der Muttermilch
saugte das Kind schon das Bewusstsein ein, welch schweren Kampf für seine
Existenz es zu führen haben werde. Wbichheit und Bildsamkeit ist da nicht
mehr zu erwarten, alles Ideale ist verschwunden und eine ausserordentlich
starke Hinneigung zum Realen der hervorstechendste Charakterzüg. In
diesem Umstande liegt der Hauptgrund für das glänzende Fiaseo, welches
sämmtliche Missionen unter ihnen gemacht haben, indem die Eingeborenen
die höchsten Gedanken religiöser Philosophie auf die platte Wirklichkeit zu-
rückführten.
Das Ideal des Kaffem, der Gegenstand, für den er schwärmt und den
er in seinen Liedern mit Vorliebe besingt, das sind seine Ochsen, d. h. sein
werthvollstes Besitzthum. Mit den Lobgesängen auf das Vieh mischen sich
die auf den Häuptling, worin wiederum das Vieh desselben eine -grösse
Rolle zu-spielen pflegt. In diesem Preisen seines Oberhauptes drückt sich
aber nicht sowohl Loyalität aus, sondern aus dem Bewusstsein der Abhängigkeit
hervorgehende Furcht vor dem Despoten, weicher ihn verder-|
ben kann.
Die Sorge, sein geringes, aber mühsam erworbenes Besitzthum, oder
wohl gar das unter Angst und Gefahr bewahrte Leben zu verlieren, also
Alles, was für ihn bei dem Mangel höherer Vorstellungen Werth haben kann,
wird seinem Charakter eine gewisse Feigheit heimischen, wie sie demWeis-
sen, der in seiner Welt der Ideen ein unantastbares Leben hat, durchschnittlich
nicht eigen ist. Vielfach sind die Kaffem, und unter ihnen besonders
die Ama-TMu, als Helden gepriesen worden, aber die vorurtheilsfreie Betrachtung
der Geschichte lehrt, dass dies mit Unrecht geschieht. Es ist erstaunlich
zu sehen, dass in der langen Reihe blutiger Kämpfe kaum jemals
von der kühnen That eines Einzelnen, wie sie sonst so gern in Kriegsgeschichten
eingeflochten werden, berichtet wird. Kaltblütiger Muth des auf
sich selbst angewiesenen Mannes ist es aber allein, was den Helden erkennen
lässt. Selten oder nie stellten sich die Kaffern bei gleicher Zahl im offenen
Felde ihren Gegnern, sondern haben unter allen Umständen solches Terrain
möglichst vermieden, indem sie den Krieg durch plötzliche, besonders nächtliche
Ueberfälle einzelner Posten und isolirter Forts, durch Hinterhalte in
Felsschluchten oder von dem für europäische Soldaten undurchdringlichen
Busch aus führten. Beistehende Figur (12) stellt eine solche Scene aus dem
Kafferkriege von 1850 dar: Ueherfall der Patrouille unter Col. Mackinnon;
doch wiederholten sich dieselben Vorfälle in jeder der vielen Fehden von
Anbeginn der Feindseligkeiten bis auf den heutigen Tag. Ein englischer
Offizier, welcher die Kaffer-Kriege mitgemacht hatte, drückte sich darüber
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