von zwei M ännern (Korana) desselben Stammes und doch sind sie durchaus
abweichend gebildet; dabei stellen sie keineswegs extreme Formen einer
Reihe dar, sondern es unterliegt keinem Zweifel, dass auch unter einer
grösseren Zahl solcher Skeletttheile von Individuen aus der Gruppe der
Koi-koin kaum mehrere einen genau übereinstimmenden Habitus zeigen
würden, und es bestätigt dies wieder die schon früher aufgestellte Behauptung,
dass der Körper unter uncivilisirten Verhältnissen nicht zur vollkommenen
typischen Ausbildung gelangt. Wo ein Becken anfängt oder auf hört
pathologisch zu sein, lässt sich unter diesen Umständen schwer feststellen.
Einseitige Entwickelung, auch sonst in geringem Grade häufig beobachtet,
findet sich hier noch öfter und zuweilen in sehr hohem Grade; will man alle
derartige Becken unter die pathologischen einreiben, so erhält man bei den
Koi-koin mehr pathologische wie normale Becken. Fände sich unter einer
Reihe typischer, europäischer Felves plötzlich ein so abweichendes, wie Tafel
XLIV darstellt, so müsste man dasselbe ohne Zweifel aus der allgemeinen
Betrachtung als abnorm ausscheiden, mit Rücksicht auf die bei diesen Stämmen
beobachteten Formen halte ich mich dagegen nicht für berechtigt,
selbst ein so eigenthümlich gebildetes Becken als pathologisch zu übergehen.
In den Publicationen der Autoren handelt es sich auch nur um wenig
zahlreiche Fälle und ausserdem sind sehr häufig Hottentotten und Buschmänner
zusammengeworfenso dass Vergleichung bereits beschriebenen
Materials die durch Unzulänglichkeit des eigenen entstehenden Zweifel nicht
zu beseitigen vermag.
So soll das Becken der Afandy ganz ähnlich gewesen sein einem von
W e b e r abgebildeten einer N e g e r in (?), während doch die Koi-koin von
den dunkel pigmentirten Afrikanern hinsichtlich ihrer physischen Beschaffenheit
im Allgemeinen stark abweichen. Das Becken der V e n u s H o t t e n to
t t e ist von M a r t in unter die der B u s c h m ä n n in n e n verwiesen worden.
F l o w e r und M u r i e 4) seciren eine 21jährige B u s c hm ä n n in und finden,
dass der Körper im äusseren Ansehen in allen wesentlichen Punkten mit
der H o t t e n t o t t e n v e n u s übereinstimmt, die Proportionen aber im Ganzen
dieselben sind wie diejenigen eines e u r o p ä is c h e n K in d e s von 4-6 Jahren.
Es geht aus diesen zweifelhaften, schwankenden Angaben hervor, dass die
Autoren nicht im Stande gewesen sind, sich ein festes, positives Urtheil
über die charakteristischen Merkmale der von ihnen beschriebenen Specimina
zu bilden; ich bin dagegen mit Rücksicht auf die Constanz so mancher
sonstigen Unterschiede überzeugt, dass bei Vergleichung sehr grossen Materiales
sich Manches wird feststellen lassen, was die Hottentotten auch in
diesem Punkte von den Buschmännern und Nigritiern, vor allem aber von
dem e u r o p ä is c h e n K in d e unterscheiden wird. Kein Theil eines kind*)
Acc. of the^ dissect of a Bushwoman. Journ. of Anat. a Phys. II. 1867,
liehen Beckens unserer Racen von irgend welchem Alter würde zu dem auf
Tafel XLIV abgebildeten passen, wie es auch vergeblich versucht wurde,
aus dem reichen Material des Berliner anatomischen Theaters andere verloren
gegangene Skeletttheile passend zu ergänzen. Obgleich mir 6 Becken
der Koi-koin zur Verfügung stehen, also mehr als den anderen Autoren, so
viel ich weiss, zur Hand waren, möchte ich doch wegen der geringen Ueber-
einstimmung keinesfalls von den einzelnen Merkmalen dies oder jenes für
t y p i s c h ausgeben, wenn auch für g e w i s s e Eigentümlichkeiten eine grosso
Wahrscheinlichkeit vorhanden ist.
Um mit den männlichen Kora-Becken zu beginnen, so zeigt Taf. XLII
einen undeutlich herzförmigen, fast ovalen Eingang von bemerkenswerther
Schmalheit (Querdurchmesser nur 9 .1 , Conjugata vera 10.8), wodurch der
männliche Charakter desselben deutlich gekennzeichnet wird. Die Stellung
und Entwickelung der Darmbeine ist von unbestimmtem generellen Habitus,
indem dieselben ziemlich breit (Cristae iliacae 21.1) aber mässig nach aussen
gerichtet sind. Die Gestalt des Beckenausganges nähert sich der weiblichen
durch die allgemeine Weite, welche besonders im Vergleich mit dem schmalen
Eingang auffällt; auch die absteigenden Scham- und aufsteigenden Sitzbeinäste
sind für männliche ziemlich schmal und im unteren Rande nach
Aussen aufgeworfen. Die Ansicht von vorn zeigt das eigenthümliche Kreuzbein,
zu dessen auffallender Länge (10.5). wie auf Taf. XXXVIII sechs
Wirbel beitragen, doch ist hier der oberste Wirbel noch vollständiger in die
Synchondrosis sacro - iliaca hineingezogen als es bei jenem der Fall war, nur
die oberste Abtheilung des Processus transversus ragt etwas über dieselbe
hinaus. Im mittleren Theil ist das Kreuzbein verschmälert, nach unten zu
-wieder etwas-breiter und rundet sich nach der Spitze zu, wie es hei weiblichen
Becken der Fall zu sein pflegt. Das Verhältniss der Höhe zur Breite
ist ein mittleres, ebenso wie der Schambeinwinkel, welcher indessen denjenigen
europäischer Becken von gleichem Geschlecht schon etwas übertriflit.
Auf Tafel XLIII ist ein zweites Kora - Becken männlichen Geschlechtes
abnebildet, welches, wiederum in der oberen Ansicht leicht für ein weibliches
gehalten werden könnte 1) . Die Knochen sind nicht ganz intact, indem
|| Die Geschichte dieses Beckens, welches Ich selber bei Boshof,aufsammelte, lässt
sich zufälliger Weise durch die Kugelspuren noch feststellen. Ein Kora, der bei einem
Boer des Orange-Freistaates unfern der Gränze in Dienst s tan d , ermordete denselben bei
dem Aufstand 1856, entfloh mit anderen Genossen, wurde aber bald darauf gefangen und
zugleich mit etwa 40 anderen nach Bloomfontcin transportirt. Der Sohn des Ermordeten
rottete sich in Boshof mit Gesinnungsgenossen zusammen und nahm die Gefangenen den
Wächtern mit Gewalt ab. E r griff sich den Mörder seines Vaters heraus, welcher auf die
Knie niederfiel, und auf die Stirn zeigend flehentlich ausrief: Baas, schiet mij hier I
(Herr, schiess mich.hierher!). Der Grausame hielt jedoch einen so schnellen Tod für keine
genügende Strafe, und ihn zu Boden werfend, schoss. er ihm eine Ladung Posten von hinten
her durch die Beckengegend, »damit er es besser fühle«. Vergl. Drei Jahre in Süd-
Africa p. 129.