Es unterliegt .keinem Zweifel, dass die eingeborenen Stämme des
sogenannten Zulu - Landes, sowie die meisten der heutigen Colonie von
Natal gleichen Ursprungs mit den Ama—zulu sind, und die Verwandtschaft
ist ersichtlich, obgleich die Sitten und Gebräuche, Tracht und Dialect zum
Theil sehr bemerlcenswerthe Unterschiede zeigen. Die eigenthümliche Entstehung
des Zulu-Nolkes als Verkörperung eines grossen militärischen
Gedankens (vergl. weiter unten) hat ganz andere Beziehungen und Verwandtschaftsverhältnisse
mit den übrigen Eingeborenen im Gefolge gehabt, als
wie z. B. bei den Am a -x o sa , wo die Spaltung der Häuptlingsfamilien das
wesentliche Moment für die Bildung neuer Stämme ahgiebt. Der durch die
Zulu unter den Völkern der Natal-K üste heraufbeschworene Sturm ist vernichtend
über das Land dahingezogen; manchen Stamm hat er entwurzelt
und er ist vergangen, so dass seine Stelle nicht mehr zu finden ist, andere
hat er verweht und sie tauchen in entfernten Gegenden wieder auf, bald
als Unterdrücker, bald als unterdrückte Beste. Wenige Stämme haben hin--
reichende Widerstandskraft gezeigt, um den Sturm ruhig an sich vorüber
brausen zu lassen, andere sind wenigstens in einen gewissen Grad von
Botmässigkeit zu den Siegern getreten, welchen sie je nach der augenblicklichen
politischen Lage leicht wieder abschütteln.
Die unmittelbare Folge dieser Verhältnisse is t, dass es sieh bei den
Listen der Zulu— Stämme mehr um A b h ä n g ig k e i t h a n d e lt a ls um
V e rw a n d t s c h a f t ; es darf aber andererseits nicht vergessen Werden, dass
ein grösser Theil der gänzlich untergegangenen, sowie der noch als Reste
fortbestehenden Völkerschaften Aufnahme gefunden hat in die Gemeinschaft
ihrer Unterdrücker und also in so weit wenigstens mit ihnen verwandt ist.
Je zersplitterter eine Nation war, je zahlreicher und kleiner die einzelnen
patriarchalischen Vereinigungen sich gebildet hatten, um so leichter ging
das Zerstörungswerk vor sich, und um so verworrener wurden die daraus
resultirenden Verhältnisse. Mehrere Autoren haben uns lange Listen der
einzelnen Clanschaften überliefert, welche sich noch immer auf eine grosse
Zahl belaufen, obgleich man sicher annehmen darf, dass ein bedeutender
Theil gänzlich verschollen ist; da dieselben aber verschiedene Quellen benutzt
und zu verschiedenen Zeiten geschrieben haben, so ist die Ueberein-
stimmung der Angaben eine sehr massige, die Namen wechseln, und es
findet sich auch nicht der gleiche Stamm am gleichen Ort. Stimmten die
Angaben aber auch wirklich, so würde man heutigen Tages doch schon
wieder andere Verhältnisse antreffen, da jedes Jahr durchgreifende Veränderungen
mit sich bringt, und es haben solche Aufzählungen daher nur
ein untergeordnetes Interesse.
Eine der jüngsten und zugleich vollständigsten Puhlicationen über
diesen Gegenstand ist die des Missionars S h o o t e r *), welcher wegen seines
!) Rev. Jos. S h o o t e r , The Kafirs of Natal and the Zulucountry. p. 375.
langen Aufenthaltes in Natal auch Autorität beanspruchen darf. Der genannte
Missionar führt als Mutterstamm der Zulu ein Volk an, Namens
Ama-ntombela, welches zur Zeit aber nicht mehr existirt; diesem standen
gleich die verwandten Stämme der Amar-langa und TTquabi, von denen der
erstere sehr bald zersprengt wurde. Auch der zweite musste früh die gewichtige
Faust des aufstrebenden Z u lu -Häuptlings fühlen und wurde theils
unterworfen, theils floh er südlich, wo er seinerseits schreckliche Verwüstungen
unter den schwächeren Stämmen anrichtete, bis ihn Fahu, der Häuptling
der Ama-mponda am U’mzimkulu fast gänzlich vernichtete1). Andere
grössere Abtheilungen, welche ihre Souveränität gänzlich eingebüsst haben,
waren im oberen Zulu - Lande die U’ndwandwe, im Littorale am U'mlelas
die ZJ’mtetwa. Die drei letztgenannten Abtheilungen werden unter dem
Namen Ama-tefula zusammengefasst, ein verächtlicher Ausdruck, der indessen
insofern Erwähnung verdient, als man denselben beibehalten hat zur
Bezeichnung des besonderen von den Betreffenden gesprochenen Dialectes
der Z u lu -Sprache.
Auf der ändern Seite wurden die zahlreichen kleinen Stämme des
Natal- Landes unter der gemeinsamen Bezeichnung der Ama-lala begriffen,
ein Wort, augenscheinlich homolog dem Se-chuana vB a -la la « (die Armen),
welcher Namen für gewisse Abtheilungen des Volkes der Be-chuana allgemein
gebraucht wird vergl. rm Kap. lle-cfma/ia.. Von den vielen zu dieser
Gruppe gehörigen Clanschaften ist eine, die Ama-ncolosi, am häufigsten
genannt, indem sie ebenso wie Tefula zur Charakterisirung eines bestimmten,
,;noch heute im N a ta l- Lande gesprochenen Dialectes gebraucht wird
(vergl. B i. b e k ’s genealog. Tafel der Sprachen im betreffenden Kapitel), Der
hier citirte ' Autor hat in seinen Reiseberichten aus dem Zulu-Lande ein
von dem Missionar J a m e s P e r r in für das Jahr 1853 aufgestelltes Verzeieh- ■
niss der K a fir-Stämme von Natal mit aufgenommen2) , aber aus den bereits
oben angeführten Gründen wird davon Abstand .genommen, dasselbe hier
wiederzugeben, ebenso wie von der Aufzählung aller der massenhaften kleineren
Eintheilungen der Stämme des Zulu - und Natal - Landes, die S h o o t e r
noch anführt.
Der Leser dürfte durch Ueberblicken so vieler bedeutungslosen Namen,
kaum an Einsicht in die Verhältnisse gewinnen, da die Vollständigkeit doch
eine illusorische ist; diejenigen Stämme, welche für die Geschichte des
Volkes eine hervorragende Bedeutung haben, werden an der betreffenden
Stelle Erwähnung finden, in Hinsicht auf die übrigen wird gebeten, die
Originale einzusehen.
Eine grosse, noch heutigen Tages mächtige Nation, die von dem genannten
Autor mit Stillschweigen übergangen worden ist, vermuthlich weil
er ihre Zugehörigkeit zu den Zulu nicht aufrecht erhalten wollte, kann
Cap t Ga r d in e r ’s Z o u lu c o u n try . p . 274.
•?) P e t e r m . geogr. Mittheil. 1856. p . 373—75.