Die beschriebene Waffe ist für den Wurf berechnet, wozu sie im
Schwerpunkt von dem Werfenden in die volle Faust genommen wird; derselbe
versetzt sie in eine schwingende Bewegung und schleudert sie während
derselben im Bogenwurf gegen das Ziel, Diese eigenthümliche Praxis;
welche den Zweck hat, die durchbohrende Wirkung der Waffe zn steigern,
erfordert eine nicht unbedeutende Uebung, und die Trefffähigkeit leidet
unter der Schwingung sehr wesentlich. Die Leistung des Wurfgeschosses
ist daher auch nicht bedeutend, da man dem im Bogen ansausenden Speer
unschwer ausweichen kann und nur durch Unachtsamkeit oder wenn viele
gleichzeitig geschleudert werden, ernstlicher bedroht ist.
W o o d ist freilich andrer Ansicht; er hält die Assegai für die furchtbarste
Waffe im Wurf, welche existirt, dabei findet er sich veranlasst zu
bemerken: ulke airn o f a Ka fir is absolute certainty«, während doch Irren
menschlich ist. Die sonderbarste Behauptung ist aber, dass ein Europäer,
welcher die Kunst, den Speer in Schwingungen zu versetzen, nicht
inne hat, die Waffe nicht 20 Schritt weit soll werfen können1). L i c h t Bn -
s t e i n hat abweichende Erfahrungen gemacht, 'indem er fand, dass die
Kaffern ein auf 60 Schritt Entfernung aufgestelltes Brett von Mannesbreite,
nach welchem sie , um einen Preis zu erringen, warfen, erst nach einer
längeren Reihe von vergeblichen Versuchen trafen; andauernde Beobachtung
lehrte, dass etwa von 30 Würfen einer das Ziel traf, die durchbohrende
Kraft der Waffe war aber alsdann so gross, dass die Spitze das etwa 2.6 CM.
starke Brett vollkommen durchdrang2): Das Resultat einer ganz 'ähnlichen
Probe, welche mir seihst bekannt wurde, war wesentlich dasselbe, auch
hier trafen die Krieger die Mannsbreite auf 60 Schritt, nur unter einer
gewissen Zahl von Würfen, und die Waffe wurde mit grösster Mühe auf
100 Schritt geschleudert. Da über diesen Gegenstand ausgefragte Colonisten
von Erfahrung sich dasselbe ungünstige Urtheil gebildet. haben, so sind die
oben citirten Auslassungen W ood’s in das Gebiet der üblichen Tiraden zu
verweisen.
Die Schnelligkeit und Leichtigkeit in der Hanthirung ist jedenfalls der
grösste Vorzug der Waffe und die Feinheit derselben erlaubt, dass der
Krieger gleichzeitig eine ganze Anzahl derselben führen kann, die er in
schneller Folge gegen den Feind sendet, bis er Gelegenheit hat, früher
Geworfene wieder aufzugreifen.
Es ist geradezu charakteristisch für die Kaffern, zumal im Vergleich
mit ändern südafrikanischen Karen, wie schlechte Schützen dieselben
ij W ood a. a. O. p. 104. Was möchten wohl unsere stämmigen Harpuniere , welche
ihre ganz ungleich schwerere Waffe auf solche Entfernung hin dem riesigen Wallfisch
gegen 18 Zoll tief in den Leib jagen müssen, zu dieser Behauptung sagen?
2) Lichtenstein a. a. O. Vol. I. p. 351.
abgeben, sei es mit dem Wurfspiess oder mit der Büchse, und die Kriegsgeschichte
giebt hinlängliche Belege für diese Behauptung. Durch We r f e n
von Assegaien ist nirgends ein bedeutender Erfolg erzielt worden, zahlreichere
Verwundungen kamen nur dann vor, wenn die Truppen von den Kaffern
in eingeengten Oertlichkeiten von günstigen Positionen aus angegriffen und
die Speere in so dicht gedrängte Massen geworfen wurden, dass Ausweichen
schwierig war. Bei Weitem die meisten Opfer hat die Assegai gefordert,
wo sie von den Kämpfenden in stürmender Hand zum Stoss aus der Nähe
gebraucht wurde, worüber unten noch mehr zu sagen ist.
Da die Stämme in den letzten Kriegen grossentheils mit Feuergewehr
im Felde erschienen sind, so ist es wohl am Platze, hier Einiges über ihren
Gebrauch solcher Waffen zu sagen. Die grössere oder geringere Leichtigkeit,
mit welcher uncivilisirte Völker sich eine gewisse Fertigkeit in der Führung
der Schiessgewehre aneignen, ist .sehr bemerkenswerth und der Vergleich
zwischen den dunkelpigmentirten Racen und den braunen fällt in Süd-Afrika
sehr zu Ungunsten der Ersteren aus.
Dank der offenen und heimlichen Schmuggelei kann der Kaffer sich
noch immer so viel und so gute Gewehre verschaffen, als er zu bezahlen
im Stande ist; das üblichste System ist aber die Muskete mit Feuerschloss,
da Zündhütchen in unruhigen Zeiten schwer zu beschaffen sind. Ist nun
auch beim Verkauf derselben eine ungefähr passende Kugelform beigegeben
111- da die Waare sich, aus dem ausrangirten Material sämmtlicher Armeen
Europa’s und Amerika’s zusammensetzt, so sind die Kaliber natürlich sehr
mannigfaltig — stimmt schliesslich die Kugel häufig nicht mit dem Lauf
wegen Verwechslung der Form u. s. w.; die Kugel rollt entweder ganz
lose in den Lauf, was den Kaffer aber nicht weiter stört, oder sie klemmt;
dann wird sie so lange mittelst eines Steines cylindrisch gehämmert, bis sie
ungefähr hineinpasst. Das Laden geht nun so vor sich, dass der Schütze
aus einem grossen, zum Pulverhorn verarbeiteten Kuhhorn Pulver in den
Handteller schüttet, aus diesem es in den Lauf prakticirt und nun unter
eventuellem Zurück- und Zuschütten misst, bis es zwei Querfinger beträgt;
dann wird die Kugel, wie sie ist, daraufgesetzt und wieder, wie vorher,
am aufgesetzten Ladestock gemessen, ob der ganze Schuss etwa drei Querfinger
ausmacht. Ist dies Ziel glücklich erreicht, so betrachtet der Kaffer
das Gewehr für kunstgerecht geladen und der Mordversuch kann von statten
gehen, doch wendet der Schütze beim Abdrücken gern den Kopf ab, was
mit Rücksicht auf das Ausbrennen der rostigen Feuerschloss-Gewehre vielleicht
sehr verzeihlich ist, aber die Leistung keineswegs verbessert. Es ist
begreiflich, dass solchen Schiessversuchen gegenüber die Gegend des Zieles
der sicherste Ort ist, während Verfasser selbst Gelegenheit gehabt hat, sich
zu überzeugen, welche ungeahnte Trefffähigkeit diese roh gearbeiteten
glatten Gewehre in weniger ungeschickten Händen zeigen. (Vergl. weiter
unten im Kap . : Griqua.)
F r i t s c h , Die Eingeborenen Süd-Afrika's. 5