Hoffnung auf Beute in die Colonie gelockt, ist ebenso schwer zu verstehen,
wie die Behauptung mancher Missionäre, dass dieselben durch die Colo-
nisten ihres Viehes beraubte und in den Lehensverhältnissen reducirte
Hottentotten seien. Vielleicht haben L i c h t e n s t e i n z u seiner Angabe die
Berichte über ein dem Verfolgungskrieg kurz vorangehendes Herabrücken
eines starken Trupps von Buschmännern in die Gegend des Zeekoe-Biviers,
wie es Col. C o l l i n s ebenfalls andeutet, bewogen. Aber weün auch die
beständig rege Wanderlust der Buschmänner damals gerade eine grössere
Anzahl ihrem Verderben entgegenführte, ist damit doch nicht gesagt, dass
vordem gar keine in allen den genannten Districten vorhanden waren.
Wir finden sogar deutliche Belege dafür, dass die Buschmänner zu
den Hottentotten zur Zeit der Gründung der Colonie genau in dem Ver-
hältniss waren, wie die Beste derselben noch heutigen Tages zu den Farmern
oder anderen Eingeborenen, z. B. den Herero, Namagua, Matabele etc.
stehen. So findet sich aus dem Jahre 1685, also zu einer Zeit, wo europäischer
Einfluss noch nicht umgestaltend auf die entfernteren Stämme eingewirkt
haben konnte, im Journal des Gouverneurs folgende Stelle: — »wir
fanden durch Nachfrage und anderweitige Untersuchung, dass die Sonqua’s
sich verhalten wie unsere Armen in Europa: jeder Stamm der Hottentotten
hat einige derselben, und sie werden dazu verwandt, die Annäherung eines
fremden Stammes anzuzeigen. Sie entfremden niemals das Geringste aus
dem Kraale, in dessen Diensten sie stehen, wohl aber von anderen, ob
im Kr i e g e oder im F r i ed en , denn, wie bereits erwähnt, sie haben
Nichts, als was sie sich durch Diebstahl verschaffen«.]) . Dass ihr Verhältniss
in der That n i c h t e i g e n t l i c h so war wi e das uns e r e r .Armen , wenn
auch der frisch von Europa gekommene Gouverneur anfänglich gewisse
Analogieen damit fand, wird durch die Vergleichung der folgenden Berichte
l ' l noch deutlicher, obgleich allerdings schon das Ende des angeführten Passus
starken Zweifel daran hervorrufen muss.
Die wandernden Trupps der Buschmänner schlossen sich, wie sie es.
noch jetzt thun, da an, wo ihnen ein gewisser Instinct sagte, dass etwas
für ihren Magen abfallen würde. So verdangen sie sich zuweilen für geringen
Lohn bei schwerer Arbeit an andere Eingeborene, die sie meist schlechter
wie ihre Hunde behandelten ; die Beschäftigung war aber für den freiheitsliebenden
Buschmann nur der Deckmantel, unter dem er ungestraft seine
Bäubereien in der Nachbarschaft ausführte, bis ein grösserer, glücklicher
Schlag ihn veranlasste, das verhasste Joch gänzlich wieder abzuschütteln,
um es des knurrenden Magens wegen einige Monat später an einer anderen
Stelle aufs Neue aufzunehmen. Häufig war die Nachfrage um Beschäftigung,
die hauptsächlich im Viehhüten bestand, nur derVorwand, um die Gelegenheit
auszuspähen und den in benachbarten Schluchten lauernden Freunden
die nöthigen Fingerzeige zur Ausführung eines grösseren Diebstahles an die
Hand zu geben1).
Ein solcher dienstthuender Trupp der Sonqucüs, der viel wegen der
andauernden, kühnen Bäubereien und mehrfachen Mordthaten erwähnt ist,
und wohl dieser traurigen Berühmtheit es zu verdanken hat, dass ihm ein
besonderer Name beigelegt wurde, sind die Obiqua oder Oeybiqua, ursprünglich
den Kochoqua unterthänig. Zuweilen wurden die Verbrechen diesen
selbst anstatt ihren Hörigen beigemessen, es stellte sich aber meist heraus,
dass die Letzteren die Schuldigen waren; zuweilen wendeten sie sich sogar
wenn sie sich stark genug fühlten, gegen ihre früheren Herren. Bei den
Notizen und Berichten über diese Fälle und die damit verbundenen Untersuchungen
wird gewöhnlich in den Cape-Becords nach Nennung des Namens
»Obiqua« die richtigere, allgemeine Bezeichnung Souqua beigefügt, so dass
es keinem Zweifel unterliegt, auch sie gehörten den Buschmännern an2).
Die Bande wuchs durch Zulauf von Abenteuerern, unter denen auch
Hottentotten gewesen sein mögen, und bildete dann eine Art Stamm zweifelhafter
Natur, der stark genug war, der Expedition unter M e e r h o p f 8) ein
förmliches Gefecht zu liefern.
Solche Verhältnisse sind es hauptsächlich, welche von den Vertretern
der Ansicht ausgebeutet werden, dass eine Trennung der Buschmänner und
Hottentotten überhaupt etwas Künstliches wäre, und dass man in den Ersterwähnten
nur Trümmer und Beste aufgebrochener Stämme der Letzteren
vor sich habe. Gingen sie in den als Beweis für ihre Ansicht angeführten
Fällen, auf die Entstehung der Mischlingsstämme zurück, so würden sie
finden,, dass die Elemente, welche sie zusammensetzten, u r sp rü n g l i ch
v e r s c h i e d e n wa r e n , wi e noch h e u t e das r e ine Blu t be ide r V ö l ker
v e r s c h i e d e n i s t ; freilich mag es sich nicht überall mit der gleichen
Sicherheit nachweisen lassen.
L ic h t e n s t e in hat das frühzeitige, vorhistorische Auseinanderweichen
dieser Stämme richtig erkannt, doch gemäss seiner Theorie von dem umgestaltenden
Einfluss des Klima’s und der Lebensweise glaubt er alle Unterschiede
auf solche Momente zurückführen zu müssen. Wer möchte leugnen,
dass dies wichtige Factoren sind für die Gestaltung der physischen und
psychischen Merkmale, aber wer darf sich auch bei eingehender Vergleichung
der Thatsachen der Einsicht verschliessen, dass sie allein nicht ausreichen
zur Erklärung der auftretenden Unterschiede.
3) Die Records der Jahre 1676—84 geben viele hierher gehörige Fälle an die Hand.
, -2) Vergl.: Cape.Rec. 1676 March. ;
1679 Sept., O c t., D e c.;
1684 Jan., March., Apr. etc.
Die Sonqua spielen die Hauptrolle in den angeführten Berichten und den folgenden.
3) Vergl. pag. 148.