Die Schätzung war vielleicht schon damals etwas hoch gegriffen, aber
sie rührt, wenn auch im Jahre 1858 veröffentlicht, doch jedenfalls aus etwas
früherer Zeit her, da gerade damals wesentliche Veränderungen vor sich
gingen. Währenddes im genannten Jahre sich ereignenden Ba-suto- Krieges
nämlich, brachen die Korana-Stümme des K d -G a r ib unter Mord und Brand
in den Freistaat e in ; sowie die Boeren aber Luft bekamen, wandte sich der
Vernichtungskrieg gegen sie, und Viele der Horden wurden fast völlig aufgerieben,
Viele flohen weiter nach dem westlichen Be-chucma-Lande hinein
und führen dort in ziemlicher Abhängigkeit von den Häuptlingen des Landes
eine prekäre Existenz.
Obgleich mit dem Verlust der Unabhängigkeit und dem Sprengen der
alten Kapitainschaften auch andere Elemente, besonders von den Buschmännern,
sich den Korana zugesellten, so dürfte die Gesammtzahl der heutigen
Stämme, nachdem der Strom der Diamantzoeker einen neuen, gewichtigen
Stoss gegen ihren Hauptsitz am Vaal-Rivier geführt hat, zusammen kaum
mehr als 15000 betragen, wobei die Mischlinge verschiedenen Grades, welche
abgetrennt davon ganz mit den Colonisten leben, nicht inbegriffen gedacht
werden. Die Ueberreste der aufgebrochenen nationalen Vereinigungen haben
sich an einigen Hauptpunkten zusammengezogen; von den Korana des Freistaates
existiren noch einige Dörfer bei Bethanien und weiter im Osten von
Bloemfontein als eine Vormauer gegen die Ba-süto, nordwestlich bei Bos-
liof und Pniel am Kei-Garib und weiter aufwärts den Fluss hinauf, sowie
abwärts gegen Backhouse zu; auf dem rechten Ufer am Hart-Rivier unter
Botmässigkeit des B a -tla p i-Häuptling, sowie einzelne Kraale im Lande der
Ba-wanketsi. Der westliche Zweig ist theils dem GWywa-Häuptling Water-
boer unterthan, theils bewohnt er coloniales Gebiet. Diese Letzteren,
welche trotz des Bewusstseins ihrer Machtlosigkeit in dem Vertrauen auf
die Unzugänglichkeit ihrer Wohnsitze'sich öfters räuberische Streifzüge erlaubt
haben, sind ebenfalls durch verschiedene Kommando’s Seitens der
Colonisten stark decimirt worden. Noch in neuerer Zeit, anno 1868, wurde
ein solches von Calvinia aus gesendet, ein anderes von Gross-lVamaywa-Land
aus, und als es beiden noch nicht glückte, die Korana aus ihren Dickichten
an der Mündung des Zak-Rivier zu vertreiben, requirirte man den alten
Veteranen der Kafferkriege, Sir Walter Currey mit 300 Mann aus der östlichen
Provinz, ein Zeichen, wie schwer zugänglich viele dieser Localitäten
und besonders die Flussufer sind.
Diese Trupps von Banditen, welche besonders solche Localitäten lieben,
waren früher unter den Korana noch häufiger und wurden mit dem besonderen
Namen »Bergenaars« belegt.
1. Aeussere Erscheinung und geistige Entwickelung.
Soll man von den Resten der Korana-Stämme auf ihre frühere Beschaffenheit
schliessen, so muss man annehmen, dass sie niemals die typischen Merkmale
der Hottentotten so vollkommen gezeigt haben, als der coloniale Zweig
derselben oder selbst die Namaqua. Heutigen Tages lassen sich zwei Grundtypen
unterscheiden : der eine, wohl der ursprünglichere, zeigt Leute von
mittlerem, zuweilen sogar ziemlich hohem Wuchs, bei eckigem, knochigem
Körperbau und kräftigem Habitus, mit wesentlich hottentottischen Gesichtszügen,
der andere auffallend klein, missgestaltet, dürr, mit sehr abweichenden/
häufig dem viereckigen Umriss genäherten. Gesichtern, wie sie weiter
unten als charakteristisch für die Buschmänner beschrieben werden.
Taf. XXIII. Fig. 1 giebt ein charakteristisches Bild des ersten Typus;
wie schon der ganze Habitué verräth, gehörte der Kopf zu einer ziemlich
grossen Figur, von etwas schmalen Schultern, der Rücken wurde m gekrümmter
Haltung getragen. Obgleich die Verwandtschaft mit den Hottentotten
nicht zu verkennen ist, so liegt doch in dem langen Gesicht, dem
hohen Schädelgewölbe und dem weniger spitzen Kinn manches Abweichende.
Einen ähnlichen Charakter zeigt auch der junge Mann (etwa 14 Jahre alt)
auf derselben Tafel, dessen Lippen für einen Hottentotten stark aufgeworfen
sind, indessen hängt dieser Umstand wohl damit zusammen, dass überhaupt
hier gerade ein sehr feistes Gesicht vorliegt.
Dem zu zweit erwähnten Typus entsprechen die Gesichter auf der
Tafel XXV, von denen das untere, durch die breite Stirn, den eckigen
Kopf', die grossen, abstehenden Ohren und die vorspringenden Winkel des
Unterkiefers sehr an die Buschmänner erinnert; auch war der Wuchs des
Mannes dem entsprechend, d. h. nur niedrig. Das andere Gesicht gehört
zu denen von unbestimmtem, schwankenden Charakter, wie sie häufig unter
s o l c h e n Stämmen Vorkommen, die aus sehr verschiedenen Elementen zusammengesetzt
sind.
Ueber die Hautfarbe ist nichts Besonderes zu bemerken ; dieselbe
stimmt im Wesentlichen mit .der, welche die übrigen Koi-koin zeigen, nur
dürfte sie durchschnittlich etwas dunkler sein; auch kommen röthlfche Varietäten
häufiger bei den Korana vor als sonst, * ohne dass gerade der Verdacht
einer Beimischung fremden Blutes ersichtlich zu sein brauchte.
Das Haar ist ebenso wie es bei den colonialen Hottentotten beschrieben
wurde und bildet, wenn kurz gehalten, dieselben Pfefferkörner (Taf. XXIII,
Fig. 1):.’ Die Nase ist meist kräftiger entwickelt, der Rücken breiter, die
Spitze besser entwickelt und erscheint im Profil dann nicht so auffallend
flach. Solche Formen wie auf Taf. XXV, Fig. 1 sind keineswegs selten.
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