keineswegs todter Buchstabe, indem schon am 4. August eine Patrouille
zwischen den Felsen in der Nähe von False-Bay auf einen Kraal der
Eingeborenen stiess, Wat er man oder Vischman, welche bei dem plötzlichen
Erscheinen der Soldaten die Flucht ergriffen und nicht Stand
halten wollten. Dies war das Signal, sie sofort niederzuschiessen, obgleich
es fast gewiss erscheint, dass man in ihnen keine der eigentlichen Sünder,
welche längst weiter landeinwärts geflohen waren, vor sich hatte. Drei
fielen unter den Kugeln, doch zum grossen Aerger der Schützen wurde der
Körper des Einen nicht gefunden, so dass man die Oberlippe, welche als
Wahrzeichen zur Aushändigung des Schussgeldes eingeliefert werden musste,
nur zweien abschneiden konnte. Diese geniale Idee, deren Erfinder leider
nicht der Geschichte überliefert wurde, entsprang sicher dem Gehirn eines
alten Fuchsjägers und es kam nur darauf an, die bei Tödtung der Füchse
übliche Praxis direct auf die freilich menschenähnlichen Schepsel zu übertragen.
Die Hütten und Geräthschaften der Unglücklichen wurden dann
der Erde gleich gemacht, ihre Waffen in’s Meer versenkt. Einige Tage
später wagten sich mehrere der Ueberlebenden zum Fort, von dem ihr
Kraal nur wenige Stunden entfernt la g , um nochmals ihre Unschuld zu
betheuem und um Schonung zu flehen.
Doch auch die wirklichen, in sicherer Ferne lebenden Uebelthäter,
welche keine Aussicht hatten, durch weitere Viehräubereien ungestraft sich
zu bereichern, wurden des Kriegszustandes überdrüssig und suchten Unterhandlungen
anzuknüpfen, die Holländer aber verstanden ihr eigenes Interesse
zu gut, um nicht auf solche einzugehen. Sie überlegten sich sehr angelegentlich,
ob sie die Verhandlungen nicht benutzen sollten, um die Anführer,
wie sie es früher bereits mehrfach gethan hatten, durch Versprechungen
zu locken und alsdann' gefangen zu nehmen, doch hielten sie es
schliesslich für bessere Politik, im vorliegenden Falle Ehrlichkeit walten
zu lassen.
Diese Friedensverhandlungen, bei welchen auch Harry wieder erschien,
nachdem er einige Monate früher in leckem Boot von Robben-Island durch
Sturm und Brandung die kühne Flucht gewagt und glücklich vollführt hatte,
geben ein gutes Bild von den Anschauungen, nach denen sich die Pär-
theien in den ersten Perioden der Colonie gruppirten. Anthonius, welcher
in der That in Batavia viel zu viel gelernt hatte, und seine natürliche
Schärfe des Urtheils auf europäische Anschauungen anzuwenden verstand,
legte dabei den Rechtspunkt so klar dar, dass den Ansiedlern nur übrig
blieb, ihren Besitztitel hinsichtlich des Grund und Bodens auf das Recht
der Eroberung zu stützen und ihn auf gerechte Weise in einem Verthei-
digungskriege durch ihr Schwerdt gewonnen zu erklären. Die Eingeborenen
suchten darauf mit treffender Logik zu beweisen, dass s ie die sich Verthei-
digenden wären, wenn fremde Leute kämen, sie von ihrem heimathlichen
Boden verdrängten und die Weideplätze, deren sie selbst bedürftig wären,
mit dem Pfluge umstürzten, ohne zu fragen, ob es den Hesitzern angenehm
sei oder nicht; aus Nothwehr hätten sie alsdann den Pflügenden die Zugochsen
genommen, um sie am weiteren Arbeiten zu verhindern. Diese
Gründe wurden dem Commandeur etwas zu stark, und er schnitt die Debatte,
in welcher er offenbar den Kürzeren zog, dadurch ah, dass er auf das
Recht des Stärkeren pochte und sie aufforderte, die Europäer mit Gewalt
zu vertreiben, .wenn sie es vermöchten. Solcher Logik beugte sich die
Gegenpartei ohne Widerrede, da die Bemerkung an Klarheit Nichts zu
wünschen übrig liess, und der Friede wurde geschlossen auf Grund des
augenblicklichen Besitzes (Brack-Rivier als Gränze bezeichnet), indem beide
Partheien versprachen, sich gegenseitig nicht weiter zu belästigen und im
Falle Vergehen vorkämen, sollte jede Parthei ihre Angehörigen zur Rechenschaft
ziehen unter Benachrichtigung der ändern. Von dem weggenommenen
Vieh war Nichts mehr zurück zu bekommen, doch versprachen die Caepman
durch Beförderung der Handelsbeziehungen den Schaden nach Möglichkeit
zu ersetzen.
Am nächsten Tage kamen die (> oracJ/ouqun (auch wohl Tabacksdiebe
genannt) mit einem ansehnlichen Geschenk von 13 Ochsen und baten in
den Vertrag aufgenommen zu werden, was auch geschah, so dass ein allgemeiner
Friede abgeschlossen werden konnte.
Dieser erste Krieg ist, obgleich die Verhältnisse nur klein waren, doch
ein vollständiges Prototyp einer langen Reihe späterer, welche stets mit
allgemeinen, häufig recht blutigen, Ueberfällen und grossartigen Viehräubereien
beginnen, dann unter Plänkeleien weiter geführt werden, indem die
Ueberfallenen mit grösserer oder geringerer Energie ihre gerauhte Habe
oder das verlorene Terrain wieder zu gewinnen suchen; solche Kämpfe,
auch wenn sie durch Zufälle bedeutenderen Umfang erreichen, führen aber
gewöhnlich keine Entscheidung herbei. Dann folgt die Periode, wo beide
Theile sich zu sichern streben, ohne dass etwas Bedeutendes von irgend
■ einer Seite unternommen wird, bis der Krieg sich im Sande verläuft und
eines Tages feierlicher Weise ein Frieden abgeschlossen wird unter Bedingungen
, welche bei idealen Verhältnissen kaum im Stande wären, erneute
Verwickelungen zurückzuhalten, aber sicher nicht bei uncivilisirten, wo die
zwingende Nothwendigkeit als unberechenbares Moment hinzutritt.
Die Zwischenzeit einer relativen Ruhe benutzten die Partheien hauptsächlich
zu. ihrer Stärkung und zum Suchen, nach Allianzen, auf welche
gestützt sie mit besserer Hoffnung die Feindseligkeiten erneuern könnten.
Die Holländer verstanden es sehr wohl, die lockere Verbindung der Stämme
durch Erregung von Eifersucht zu sprengen, sie machten gleichzeitig die
zunächst Wohnenden immer mehr von sich abhängig, während sie gleichzeitig
weitere Beziehungen zu Entfernteren ankniipften (1660 mit den Chai-
nouqua unter Sousoa und den Cochoqua, in welchem Jahre auch die Namaqua
zum ersten Male erwähnt werden).