geruckten Lebensjahren; wenn auch die stark gezackten Nähte des Schädels
noch unverwachsen sind, so kann das Lebensalter schwerlich unter 50 Jahren
gewesen sein. Der Knochenbau ist im Ganzeir etwas schwächlich, wohl
mehr als dem generellen Unterschied für sich allein zukommt, und dadurch
wird der Habitus fremdartiger, ohne dass die charakteristischen Merkmale
gänzlich fehlen. Die langgestreckte Form der Calvaria mit der Depression
des Scheitels, die flach gestellte untere Partliie der Hinterhauptsehuppe sind
noch kenntlich. Der Unterkiefer hat auch einen kurzen und breiten aufsteigenden
Ast, nur ist der Winkel entsprechend dem generellen Charakter
stumpfer und etwas abgerundet. In dieselbe Reihe von Besonderheiten
gehört die geringe Entwickelung, der Processus mastoidei, wodurch die Basis
im Ganzen verschmälert wird, so wie die schwache Ausbildung der ändern
Muskelansätze und des Stirnwulstes. Die Interorbitalbreite ist auch hier
bedeutend, die Augenhöhlen erscheinen weit und gerundet.
Das letzte Cranium derselben Tafel ist von besonderem Interesse, als
einem Stamme angehörig, von dessen Schädelbildnng bisher wenig bekannt
geworden ist, nämlich den Herero oder Damara. Er stammt von einem
sehr kräftigen Manne mittleren Alters, der lange Zeit im Dienste des Missionar
Pnce zu Shoshong war, und wurde im Jahre 1865. von mir ausgegraben.
Es ist gewiss bedenklich, auf die Betrachtung eines einzelnen Schädels
hm allgemeine Schlüsse zu machen und gerade durch dieses Verfahren ist
neuerdings viel in der Anthropologie gesündigt worden fNeanderthaler
Schädel); ich will also nicht selbst in diesen Fehler verfallen und begnüge
mich nur so viel Allgemeines aus seiner Bildung herauszulesen, um zu behaupten,
dass der Damaraschädel Abweichungen enthält, welche nidht
gestatten, ihn ohne Weiteres mit denen der Kaffern zu vereinigen. Auch
die anderweitige Vergleichung und Gesichtsbildung lehrt dies (Vergl. im K ap.:
O va-herero), m wie weit aber die einzelnen Besonderheiten oder gar in
welchem Grade sie dem Herero - Schädel d u r c h s c h n i t t l i c h eigen sind,
darüber muss die Untersuchung reicheren Materials Aufschluss geben.
Der Breitenindex beträgt 72.2, ist also etwas bedeutender wie der des
Kaffem, der Höhenindex wächst aber viel stärker, er erreicht 75.9 und man
erhält also ein Plus der Höhe von 3.7. Diese Zahlen weichen nicht so sehr
von den oben angeführten ah, um den Schädel aus der Reihe der A-bantu
streichen zu müssen i), immerhin ist der Gang abweichend genug, um anzunehmen
, falls sich die allgemeine Bedeutung derselben b e s tä tig td a s s die
Verwandtschaft des Herero mit den eigentlichen Kaffern keine unmittelbare
ist. Es geht dies auch aus anderen Betrachtungen hervor und die vermittelnden
Glieder zwischen den genannten Völkerstämmen dürften daher im
aequatorialen Afrika zu suchen sein.
>) B. Davis hat für die Zulu-Schädel seiner Sammlung sogar 76 als Höhenindex
gefunden, welche Zahl im Vergleich zur Breite (72) auffallend hoch erscheint. Derjenige
der Kaffernschädel beträgt bei ihm 72, Breitenindex 71. Thesaurus craniörum p. 215.
Der Gesichtstheil des Herero-Schädels ist ebenfalls auffallend hoch, so
dass die Gesammthöhe des Kopfes bei der Ansicht von vorn die der vorher
beschriebenen sehr beträchtlich übertrifft und die Breite dagegen zurücktritt.
An der Ausdehnung in die Höhe betheiligen sich die einzelnen Knochen
ziemlich gleichmässig, beide Kiefer sind hoch, die Processus nasales des
Oberkiefers sehr lang, ohne dass die Apertura pyriformis dabei an Höhe
wesentlich gewonnen hätte, während dies an den Augenhöhlen schon merklicher
ist. Der aufsteigende Ast des Unterkiefers steht steil, doch erscheint
er wegen der grösseren Länge nicht so compact, als der der Kaffern; dies
gilt auch von den übrigen Knochen mehr oder weniger, jedoch tritt es an
den Jochbeinen am auffallendsten zu Tage. Die Zähne, deren Wurzeln weit
aus den, Alveolen hervorragen, sind weder so regelmässig, noch so massiv,
als die vorher beschriebenen. Die mittleren Schneidezähne des Unterkiefers
sind in früheren Jahren ausgebrochen, die oberen in der Mitte ausgefeilt,
so dass ihre Ränder zusammen die Figur einer umgekehrten römischen Fünf
darstellen, welche Verstümmelung der Landessitte gemäss ist.
Durch die Verschiebung des Oberkiefers nach abwärts kommt der
Porus acústicas relativ hoch über den äussersten Punkt des Alveolarfortsatzés
zu liegen und dadurch wird der Gesichtswinkel so stark beeinflusst, dass er
bis auf 61° sinkt, ohne dass der Schädel so sehr viel prognather wäre (Coor-
dinatén von den Berührungspunkten des aufsteigenden Schenkels, Glabella,
Proc. alveolaris, - zu einer senkrechten Abscissenaxe gezogen, verhalten sich
wie 8 : 2 , an Schädel Nr. 4 der Tafel X X X II wie 8 : 3). Abgesehen von
der grösseres Höhe ist die Gesichtslinie der der anderen A-bantu verwandt,
indem die leicht eingedrückte Nasenwurzel, die schwache Erhebung der
Nasenbeine und die Prognathie des Alveolarfortsatzes in gleicher Weise auf-
tritt; das Kinn ist stärker markirt.
In der Ansicht von oben macht sich die breitere Stirn bemerkbar,
unter welcher die Jochbeine .schwächer hervorragen, obgleich sie ziemlich
breit sind. Die Eiform ist kürzer, gedrungener, 'die Seiten noch immer
ziemlich gerade. Die Ansicht von hinten bietet die merkwürdigste Figur,
indem gerade in ‘dieser sich die bedeutende Höhe des Schädels auffallend
zeigt und durch die Verlegung der grössten Breite dicht unter die Scheitelhöcker,
der Umriss des Fünfeckes, an welchem die aufsteigenden Seiten
gegen den regelmässig abgerundeten Apex und die etwas convexe, verengte
Basis vorwiegen, deutlicher wird als an den vorangehenden.. Die Processus
mastoidei sind ziemlich stark, entsprechend dem männlichen Charakter, pro-
miniren aber nur mässig. Aehnlich verhalten sich auch die übrigen Vorsprünge
und Leisten, so dass der Gesammteindruck des Schädels, obgleich
von einem relativ kräftigen Individuum herrührend und von beträchtlichen
Dimensionen, doch nicht solchen Eindruck von Kraft macht als der der
Xosa. Der Durchschnitt der Bevölkerung dürfte in diesem Punkte aber
noch bedeutend hinter dem hier Beschriebenen zurückstehen.