Land Stück um Stück für ein Butterbrodt an die Fremden zu verkaufen,
und sich rücksichtslos dem verderblichen Branntweingenuss hinzugeben,
welchen sie von ihren Unterdrückern kennen lernten. Machte sie der Alcohol
doch lustig, und lustig wollten sie sein, das trübe Morgen kümmerte sie
wenig, wenn das Heute nur fröhlich in Saus und Braus verlebt wurde.
So begingen sie auch, vom Augenblick hingerissen, zuweilen schreckliche
Verbrechen, deren Folgen sie sich nie die Mühe nahmen zu bedenken,
und gaben dadurch ihren Gegnern die Haiidhabe, weiter gegen sie einzuschreiten.
Diese Charaktereigenthümlichkeit erschwert es sehr, den richtigen
Maassstab für die Handlungsweise zu gewinnen, da die einzelne Thatsache
für sich betrachtet, häufig auf Eigenschaften schliessen lässt, welche ihnen
in V irklichkeit fremd sind. So ist ihr Charakter von Hause aus gutmüthig
und nicht blutdürstig, obgleich ihr Eintreten in unsere Geschichte mit Ge-
waltthätigkeiten beginntx) und diese keineswegs die einzigen blieben, welche
ihnen zur Last gelegt werden müssen. Wären sie weniger harmlos, so
hätten die Boeren sie wohl nicht so willig gefunden, sich zu Diensten herzugeben,
zu welchen sie selbst mit Gewalt kaum gezwungen werden konnten.
Freilich ist auf die Gutmüthigkeit, wie auf andere gute Eigenschaften kein
rechter Verlass, da, wie man zu sagen pflegt, »der Schelm sie plötzlich in
den Nacken schlägt«, und man sich alsdann auf alles Mögliche gefasst
machen kann. K o l b e n sah in ihnen die vorzüglichsten Menschen und
stattet sie mit den mannigfaltigsten Tugenden aus, die man einem Volke
nur wünschen kann, und zwar ihnen stets im höchsten Grade eigen" sein
sollten. Grossmuth, Gastfreiheit, Ehrlichkeit, Treue, Billigkeit, edle Ein-,
falt und vor allen Dingen auch Keuschheit sind Eigenschaften, worin die
Hottentotten nach seiner Angabe alle Völker übertreffen. Er geräth in die
gerechteste Entrüstung, dass einige Autoren es gewagt hätten, ihnen Unsittlichkeit
vorzuwerfen, und kennt überhaupt k e in e F e h le r an denselben
als Neigung zum Trunk und Faulheit. Die Geschichte berichtet freilich
anders und man muss sich in der That verwundern, wie Jemand, der es
stets mit Stolz hervorhebt, nur nach eigener, genauer Beobachtung zu berichten,
zuweilen so auffallend verblendet ist und Wahrheit und Dichtung
in bunter Weise mischt, i Es erschwert dies den Gebrauch seines Buches,
welches viel wichtige Notizen enthält, weil der Irrthum nicht immer klar
zu Tage liegt.
Die Hottentotten sind meist heiterer Laune, und da es sich allein
schlecht freut, so lieben sie Geselligkeit selbst noch mehr als die Kaffern.
Sie lachen und scherzen, sobald nur der Anstoss dazu gegeben ist, auch
wenn die augenblicklichen Verhältnisse keineswegs erfreuliche sein mögen.
!) Verwundung des Vasco de Gama durch die Eingeborenen, als er 1497 bei St.
Helena-Bay die Sonnenhöhe nahm, und Ermordung des indischen Generalgouverneurs
F rancisco d ’Almeida am Ufer der Tafelbay im Jahre 1508.
Ihr anspruchsloser Sinn findet sich leicht in die drückendsten Lagen und
selbst. gegen ihre ärgsten Peiniger sind sie wohl nie im Stande gewesen,
einen andauernden Hass im Herzen zu tragen, was auch S p a r r m a n n ausdrücklich
betont *). Dass solche Eigentümlichkeiten den Colonisten das
Werk der Unterjochung erleichtern mussten, liegt auf der Hand.
Wie die Koi-koin in körperlicher Hinsicht nicht ohne Anlagen sind,
so ist es auch in geistiger Beziehung: ihre Intelligenz ist keineswegs gering,
sie lernen besser als die Kaffern ■> obgleich sie wenig Ausdauer zeigen, und
besonders eignen sie sich mit grösser Leichtigkeit andere Sprachen an, welche
sie häufig ohne jeden fremden Accent sprechen. Diese Leichtigkeit, sich
mit den Europäern zu verständigen, ihre Waffen gebrauchen zu lernen, ihre
Sitten und noch mehr die Unsitten anzunehmen, wirkte zerstörend auf ihre
nationalen Gemeinschaften, während der misstrauische, ungeschickte aber
conservative Kaffer sich gegen den Einfluss der Civilisation hinter seine
überlieferte Rohheit verschanzte.
Von den Unsitten ist keine so gefährlich für die Hottentotten geworden
als der Trunk, den man als ein nationales Laster bezeichnen kann; betrinken
sie sich nicht, so geschieht dies, weil es ihnen an Stoff fehlt, durch
moralische Rücksichten lassen sich wohl nur die wenigsten abhalten. .Als
die Herren der Genadenthaler Missionsstation, eine der ältesten und am
meisten florirenden Hottentottenschulen, in der ersten Hälfte der Sechziger
Jahre der colonialen Regierung Schwierigkeiten bereiteten, drohte man die
Erlaubniss zur Errichtung einer Kneipe in, der Nachbarschaft zu geben,
worauf Alles geschah, den Confliet beizulegen; denn Jeder war überzeugt,
dass eine benachbarte Kneipe ausreichte, um die ganze Existenz der Station
in Frage zu stellen.
Auch in anderen Hinsichten ist von Moral bei den Koi-koin nicht
viel zu bemerken; sittliche Grundsätze für seine Handlungsweise zu suchen,
fälli durchschnittlich Niemanden ein. Wenn nicht die Furcht vor Strafe die
Leute zurüekhält, etwas Schlechtes auszuführen, die Stimme des Gewissens
dürfte selten stark genug dazu sein. Lüge, Diebstahl und Sinnlichkeit sind
desshalb als weitere Laster dieser Stämme anzuführen und man könnte das
Sündenregister beliebig vergrössern, doch sind dies Alles nur wechselnde
Erscheinungen der Gedankenlosigkeit und des Leichtsinns bei mangelnder
Moral. Es werden daher von ihnen gewöhnlich nur Gegenstände gestohlen,
nach welchen sie ein augenblickliches Gelüste tragen, wie Spirituosen,
Taback, Esswaaren, oder Sachen des Gebrauchs wie Munition und Bekleidungsgegenstände.
Der systematische Viehdiebstahl, der sich bei den Kaffern
und in besondererWeise auch bei den Buschmännern findet; hat bei den eigentlichen
Hottentotten nur in Kriegszeiten Anwendnng gefunden. Solche Diebstähle
sind allerdings in den Annalen der Colonie zahlreich verzeichnet, und