wird.lehren, dass die Gestalt der Becken weder recht typische männliche,
noch weibliche Formen zeigt, sondern dass ein Gemisch der verschiedenen
Charaktere vorhanden ist, welches durchschnittlich dem männlichen Typus
näher liegt. , '
Es ist diese interessante Thatsache offenbar schon von anderen Autoren
beobachtet worden, doch haben Einzelne die Sache falsch ausgelegt *), Andre
haben bei der Dürftigkeit des Materials gefürchtet, dass abnorme, patho-
ogische Formen vorlägen 2) . In gewissem Sinne sind sie auch pathologisch,
d. h. sie verdanken ihre Entstehung zum Theil den ungühstigen Lebensbedingungen,
da sie aber unter den hier in Bede stehenden Stämmen
r e g e lm ä s s ig auftreten, so muss man sic doch als charakteristisch für dieselben
annehmen. In wie weit eine geeignetere, verständigere Lebensweise,
als sie die Eingeborenen gewöhnlich führen, die Gestalt verändert haben
wurde, wieviel also von den Eigenthümlichkeiten auf die ursprüngliche
Anlage allem zuruckzuführen ist, darüber lassen sich zur Zeit nur Vermuthungen
aufstellen.
Als ein Wahrscheinlichkeitsgrund dafür, dass die Umgestaltung wohl
keine geringe sein möchte, wäre die bereits mehrfach betonte, günstige
allgemeine Entwickelung des Körpers anzuführen, wie sie sich bei dem unter
civilisirten Verhältnissen aufwachsenden Wilden-Kinde zeigt. Ferner ists der
grösste Theil der von M a r t in in seine Tabelle.als: »Negerinnen(«-aufgenommenen
Becken, insofern dieselben von afrikanischen Sclavirmen herstammen,
die im Auslande geboren oder wenigstens sehr jung dorthin importirt Wurden,
hier m Betracht zu ziehen. Die angeführten Becken übertreffen an Itegel-
mässigkeit der Bildung die der uncivilisirten Afrikanerinnen auf seiner
Tabelle und auch die, welche ich seihst in Afrika zu sammeln Gelegenheit
hatte; es scheint also, dass in denselben der fragliche Einfluss sich geltend
gemacht hat, und durch Vergleichung mit solchen die im Iieimathlande zur
Entwickelung kamen, festgestellt werden kann.
Männliche Becken hat man bisher fast ganz vernachlässigt, und doch
ist die weibliche Bildung jedenfalls nur unter Hinzuziehung der entsprechenden
männlichen zu verstehen, weil sonst die Eaceneigenthümlichkeiten gar
nicht erkannt werden können. Es wurden daher hier beide Geschlechter in
gleicher Weise berücksichtigt. Ueber männliche Eacenbecken ist mir nur
die oben bereits einmal citirte Abhandlung von Ecker: Ueber den Körperbau
schwarzer Eunuchen bekannt, und gerade aus dieser geht hervor, wie
leicht m solchen Fragen unzureichendes Material zu Irrthümern verleitet.?)!.
Der genannte Autor sagt über die zwei von ihm beschriebenen Eunuchen-
becken »dass sowohl diese , (die ’ Verschmälerung des Os sacrum bei dem
!) E cker , Eunuchenbecken.
1 iÜAKirD^ rUeber BeckenmeSi>ung an verschiedenen Menschenracen.
nicht e in g e n ! " ^ ^ ^ * * Becken« konnte ich
einen) als der weibliche Charakter des Beckens (bei beiden) Folge der frühzeitigen
Entmannung sind, ist wohl keinem Zweifel unterworfen«*). Die
Sache unterliegt allerdings den erheblichsten Zweifeln, und zwar aus folgenden
Gründen: Betrachtet man die Becken nur für sich allein, so muss man
s i c h fragen, wenn die Castration Verschmälerung des Os sacrum zur Folge
hat, warum ist diese nicht in beiden Fällen vorhanden? Ausserdem aber liegt
gerade an dem Becken mit verschmälertem Kreuzbein eine abnorme Bildung
vor, indem der oberste Kreuzbeinwirbel seiner Gestalt nach den Lendenwirbeln
beigeordnet ist und sich an der Synchondrose nur unvollkommen betheiligt;
es fanden sich somit jedenfalls 6 Lendenwirbel und der erste Steinbeinwirbel
vertrat die Stelle des fehlenden fünften Kreuzbeinwirbels, wie solches genau
in derselben Weise an einem der von mir ausgegrabenen Kafferskelette der
Fall ist. Dass nun die Castration sogar in den allgemeinen Zahlverhältnissen
der Wirbel Veränderungen veranlasst habe , wird wohl E c k e r selbst
nicht annehmen. Ferner ist es bekannt, dass der grössere Theil der Verschnittenen,
besonders aus etwas früherer Zeit, meist erst in mittlerem
Lebensalter der Operation unterworfen worden sind, indem bei den grossen
Sklavenjagden im Sudan häufig die ganze wehrhafte Mannschaft eines Ortes
gefangen und zu Eunuchen gemacht wurde; dass an den von E c k e r
Beschriebenen dies in der Kindheit geschehen se i, darüber scheint dem
Autor nichts Positives bekannt gewesen zu sein. Er macht sich auch selbst
schon den Einwand, dass manche Eigenthümlichkeiten der Bildung vielleicht
auf die Kace zurückzuführen' seien, besonders mit Kücksicht auf die grosse
Länge der Gliedmaassen, und doch möchte ich glauben, dass wenn die
Castration in früher Jugend ausgeführt wird, ihr Einfluss auf die Körperentwickelung
sich gerade am ehesten in dieser Eichtung geltend machen
müsste.' Die völlige. Ausbildung der geschlechtlichen Functionen und das
Wachsthum sind zwei physiologische Vorgänge im Körper, welche auf einander
folgen und einen gewissen Antagonismus zeigen; wenn man also den
einen durch zeitige Castration unterdrückt, so kann der andre wohl eine
höhere Stufe erreichen als sonst; es ist dabei aber weder nothwendig, dass
der Körper mager bleibt, noch dass das Becken weiblich wird. Dass bedeutende
Fettleibigkeit ein häufigeres Vorkommen unter Eunuchen ist, als auffallende
Magerkeit (Ecker);,-, davon habe ich mich durch eigenen Augenschein
überzeugt, und dass weibliche Charaktere keine Besonderheiten des Beckens
schwarzer Eunuchen sind, davon hoffe ich auch Herrn E c k e r zu überzeugen.
Der letztere Punkt ist es hauptsächlich, welcher diese Abschweifung
nothwendig machte und der weiter zu begründen ist. E c k e r sieht besonders
in der Gestalt des Beckenausganges die Hinneigung ¡zum weiblichen Typus
und verzeichnet als eine Illustration dieses Verhaltens die Zahl von 8.9 CM.2)
h a. a. 0 . pag. 111.
2) a. a. 0 . pag. 110.