Die Schädel der Buschmänner rangiren insofern mit denen der Hottentotten,
als sie ebenfalls platycephal sind; der Breitenindex der hier aufgenommenen
Specimina beträgt 73.82, ihr Höhenindex nur 70.23, und es
stellt sich also ein Minus der Höhe von 3.59 heraus, welches dasjenige der
Hottentotten (1.71) noch bedeutend übertrifft. Der allgemeine Charakter
des Schädelbaues ergiebt also in Uebereinstimmung mit den übrigen Vergleichungspunkten
die Wahrscheinlichkeit einer gewissen Verwandtschaft
beider Stämme, welche zweifelhafter erscheint, sobald man die’Einzelnheiten
eingehender berücksichtigt.
Als reinster Typus des Buschmannschädels ist die erste Figur (13)
der Tafel XXXV zu bezeichnen, zumal derselbe aus einer frühen Zeit
stammt; das betreffende Individuum verstarb als sehr alter Mann in Colesberg
und hatte bereits eine lange Reihe von Jahren im Grabe gelegen, als dieses
von mir geöffnet wurde. Der schon etwas defecte Schädel liess sich in den
Umrissen wieder vollständig herstellen und stimmt in seinen Merkmalen mit
Typen, welche von ändern Autoren1) abgebildet werden, recht erfreulich
überein.
Betrachten wir zunächst die Seitenansicht, so zeigt diese eine sehr
wesentlich andere Entwickelung der Gesichtslinie als den Hottentotten eigen
ist. Die Stirn ist weder so steil noch so plötzlich nach hinten gekrümmt,
die Glabella prominirt etwas über der vertieften Nasenwurzel, die eingedrückten
Nasenbeine verschwinden in der Profilansicht im oberen Theil
gänzlich, und nur der unterste stark nach vorn gekrümmte Theil wird
sichtbar; indem nun ausserdem die Zahnfortsätze des Oberkiefers beträchtlich
hervorragen, erhält die Linie starke Biegungen, während sie bei den Hottentotten
im Profil auffallend flach ist und sich zuweilen einer geraden nähert
(vergl. Taf. XXXIII, Fig. 7). Auch der Unterkiefer verhält sich sehr
abweichend; denn während bei den Letzteren der Körper gegen das Kinn
zu stark an Höhe zunimmt, der Winkel stumpf ist, und der aufsteigende
Ast bei kurzem Gelenkfortsatz und langem, nach vorn gerichtetem Kronen-
foftsatz ein sehr verschobenes Viereck darstellt, ist bei den Buschmännern
der Körper gegen das Kinn zu nur wenig höher, der Ast steht steil und
erscheint bei nach oben gerichtetem Kronfortsatz mehr quadratisch. Am
besten ist dies an dem Schädel No. 13 ausgeprägt, wo der männliche
Charakter das Merkmal verstärkt, doch selbst an dem jungen, weiblichen
No. 15 ist der Unterschied besonders hinsichtlich des Kinnes bemerkbar;
ebenso in dem mittleren, gleichfalls weiblichen, wo indessen der Winkel
und Alveolarfortsatz atrophisch ist. Auf Tafel XXXVI wird das Kinn bel)
Vergl. O w e n , Anatomy of Vertebrat. Vol. II, p. 564. Besonders auffallend wird
die Uebereinstimmung, wenn man einen Schädel der Westküste, welcher nicht mit abgebildet
wurde, zur Vergleichung herbeizieht. M it,Rücksicht auf diesen Umstand möchte
ich vermuthen, dass der von O w e n abgebildete Schädel auch den westlichen Districten
der Colonie entstammt.
trächtlich höher, doch ist bei diesem, welcher von dem Mordplatz bei
Boshof stammt, eine gewisse Vermischung der Merkmale nicht zu verkennen;
wie bereits erwähnt, haben die Korana selbst, sowie die zwischen
ihnen lebenden Buschmänner den Typus ihrer Race überhaupt nicht so rein
erhalten, als die übrigen Stämme. No. 17 auf Tafel XXXVI, einem weiblichen
Individuum der Westküste entnommen, ist wegen des feineren
Knochenbaues weniger deutlich, wenn auch immer noch sehr verschieden
von den reinen Hottentotten.
Die Depression des Scheitels, welche der Platycephalie eigen ist, wird
bei den Buschmännern in der Seitenansicht wohl merklich, sie fällt aber
nicht so sehr auf, als man erwarten sollte, weil das Hinterhaupt gerundet ist
und dadurch das Eckige des Umrisses gemildert wird; auch der Basaltheil -ist
jn manchen Fällen nicht so gerade und so flach gestellt, als bei den übrigen
Koi-koin, in ändern aber (Taf. XXXlf^ Fig. 14) findet sich dies Merkmal in
gleicher Weise. Obgleich der Gesichtstheil des Schädels bei typischem Bau
stark schnauzenartig vorspringt (Fig. 13), so ist der Oberkiefer nicht gleichzeitig
abwärts gedrängt, und der Gesichtswinkel daher trotz der anscheinend
starken Prognathie doch grösser oder ebenso gross als bei den Hottentotten.
Er beträgt bei den Schädeln auf Tafel XXXV resp. 64°, 74° und wiederum
74°, bei der ersten Figur auf Tafel XXXVI 68°, der zweiten 66°, was eine
Durchschnittzahl von 69 0 ergiebt.
In der Vorderansicht erscheint die allgemeine Breite der Gesichtsfläche
bemerkenswerth, indem alle Querdurchmesser beträchtlich sind. Die Stirn,
welche ebenfalls immer noch breiter ist, als bei den vorher beschriebenen
Koi-koin projicirt sich in dieser Ansicht auf den sehr grossen S p h e n o -
f r o n t a l -D u r c hm e s s e r , we l ch e r be i a l l e n mi r zu Ge b o t e
s t e h e n d e n B u s c hmä n n e r s c h ä d e l n v on auf fa l l ende r Gr ö s s e i s t ;
die allgemeine Form des Umrisses wird ausserdem dadurch eine andere,
da s s die Tub e r a pa r i e t a l ia , we l ch e b e im Ho t t e i r to t t en so stark
vor t r e t en und me i s t die g r ö s s t e Br e i t e b i ld e n , b e d eut end
we n i g e r pr omini r en. Die beiden eben genannten Merkmale geben den
hauptsächlichsten Grund ab, dass in sämmtlichen Ansichten das Bild der
Schädel der zwei Unterabtheilungen der Koi-koin, wie die Tafeln lehren,
ein so durchaus verschiedenes wird. Es treten aber noch andere Merkmale
hinzu, welche beim typischen Bau auch sehr in die Augen fallen.
Vergleicht man wieder die Vorderansicht von Fig. 13., so findet man
mässig starke Supraorbital - Bögen, gerundete Augenhöhlen, sehr grosse
Interorbital- Breite, eingedrückte Nasenbeine, eine breite, niedrig herzförmige
Apertura pyriformis, mässig starke, etwas prominirende Jochbeine, breite
Kiefer, mit sfehr e n twi c k e l t em, v o r t r e t e n d em Wi n k e l des Un t e r k
i e f e r s . Das letztere Moment, im Verein mit der wenig verschmälerten
Stirn und den mässig vortretenden Jochbeinen, bewirkt das eigenthümlieh
viereckige Aussehen des Gesichtes beim Lebenden, welches oben beschrieben