Die Verfassung der Ama-xosa (wie aller verwandten Stämme] ist
durchaus patriarchalisch; es liegt ihr als Kern die Familie zu Grunde und
die Autorität des Familienobe*hauptes ist das Moment, welches die Grundlage
der Regierung bildet. Die höhere Autorität-des Häuptlings stützt sich-
auch nur auf seine .Abstammung in gerader Linie von einem solchen, er
stellt also, für die Gesammtheit des Stammes den durch die Geburt berufenen
Führer dar, wie es der Patriarch für seine Familie ist. In ihrer
einfachsten Gestalt besteht dieselbe hei den Xosa aus dem Mann und, da
Vielweiberei Sitte ist, aus mehreren Frauen nebst ihren Kindern; es würde
sich nun die Nachkommenschaft bis in’s Endlose spalten , wenn die Frauen
einander ebenbürtig wären. Dies ist aber nicht der Fall, "sondern eine derselben,
welche nicht immer die erste nach der Zeit der Verheirathung. zu
sein braucht, wird als d ie g r o s s e F rau (omkulu) bezeichnet, und die
männlichen Nachkommen dieser sind zunächst zur Erbfolge, in Häuptlingsfamilien
zur Thronfolge berechtigt. Es folgen noch zwei andere, die ‘tiefer
im Rang stehen, die Frau der rechten Hand [owase kunene) und die der
linken Hand [owase xibene), deren Häuser ebenfalls Vorrechte gemessen
und beim Erlöschen des H a u s e s der g r o s s e n F r a u ‘{ibotiDfi) an 'die Stelle
desselben treten.
Obgleich auf diese Weise sich die Verhältnisse schon in den nächsten
Geschlechtern sehr compliciren, so-bleibt durch das Forterben der Autorität
m einem Hause doch ein fester Halt in dem sich entwickelnden Stamm und
selbst wenn er sich wieder theilt, wie meistens nach einigef Zeit geschieht!
lasst sich doch, so lange männliche Nachkommen der grossen Frau existiren,
durch die Abstammung immer noch nachweisen, welchem von den verschiedenen
Häuptlingen die Oberhoheit über die anderen zukommt. Je
weiter sich die Geschlechter von einander entfernen, um so inehr erscheint
eine solche Oberhoheit nominell, indessen wird bei Streitigkeiten zwischen
kleineren Häuptlingen zuweilen die Entscheidung des Oberherren angerufen.
Der älteste Sohn der grossen Frau ist der präsumptive Thronfolger,
hat sie keine männlichen Nachkommen hinterlassen, so folgt der nächste
Bruder des verstorbenen Häuptlings aus demselben Hause in der Regierung,
respective dessen männliche Nachkommen s e in e r grossen Frau und erst,
wenn gar keine Erben aus'dem ursprünglichen grossen Hause vorhanden
sind, geht die Folge auf die kleineren Häuser über. Die Letzteren pflegen
ihr eigenes Vermögen zu haben, welches ihnen schon bei Lebzeiten des
Herrn zugewiesen wird; stirbt er, ohne speciell über die Hinterlassenschaft
verfügt zn haben, so erhält der Haupterbe zwar zunächst das Ganze, er hat
sich aber mit' den kleineren Häusern durch Ueberlassung eines billigen An-
theiles abzufinden.
Durch die fortdauernde Abhängigkeit derselben von dem grossen Hause
sowie durch den Umstand; dass sich doch in' der nächsten Generation in
ihnen ^selbst wieder ein solches bildet, und sich diese Verhältnisse im Laufe
der Zeit in immer kleineren Kreisen erneuern, entsteht das eigenthiimliche
vielgliedrige System von untergeordneten Clanschaften, welches bei den X.osa-
charakteristisch ist. Die ältesten Häuptlinge, wie Pondo, Pondumisi, Tembu,
erscheinen häufig schon der Mythe angehörig' und haben keine weiteren
Spuren ihres Daseins hinterlassen, als die nach ihrem Namen gebildeten Bezeichnungen
der betreffenden Stämme;, in neuerer Zeit lässt sich an der
Hand des Stammbaumes der Häuptlingsfamilien das Entstehen neuer Stämme
genau verfolgen. M a c l e a n hat in seiner classischen Zusammenstellung der
wichtigsten Aufzeichnungen über diese Verhältnisse bei den Kaffem auch
einen Stammbaum gegeben, welcher besonders mit Rücksicht auf die Spaltung
des Volkes in einzelne Clanschaften zusammengestellt ist und desshalb
hier eingefügt wird. (Siehe umstehend.)*
Unter allen den kleineren Stämmen, die in die Tabelle mit aufgenommen
sind, ist nur ein einziger, welcher sich der allgemeinen Regel entzieht:
es sind dies die Ama-gqunukwebi oder Am a -kw ane , ein Stamm,
dessen Stifter kein directer Nachkomme der alten Häuptlingsfamilie war,
sondern nur einer der ersten Rathgeher des, Tshiwo > Namens Kwdne. Die
persönlichen Eigenschaften des Mannes verschafften ihm eine solche Autorität
unter seinen Anhängern, dass er, begünstigt durch politische Verhältnisse,
einen eigenen Stamm aus denselben bilden konnte, in welchem seine diree-
ten Nachkommen als Häuptlinge folgten (einer derselben der bekannte Pato).
Ein andrer Fall von vorübergehender Bedeutung betraf einen ebenfalls sehr
bedeutenden Mann, Malcanna (Lynx) mit. Namen, welcher gleichzeitig als
Prophet und Häuptling auftrat, und in kurzer Zeit' sich einen mächtigen
’Anhang verschaffte,^ikm den Krieg gegen die• Weissen zu führen. Als das
Glück sich aber gegen ihn wandte und er unterging, zerfiel auch die von
ihm gegründete Clanschaft wieder in Nichts.
Unter allen Verhältnissen spielt in den späteren Generationen die Gunst
des Glückes schon eine grosse Rolle, und es kann ein ursprünglich kleines
Haus unter einem tüchtigen Führer zu einem ¡Stamm anwachsen, welcher
den Mutterstamm an Grösse bedeutend überragt. Einem Häuptlinge, dessen
Namen unter den Eingeborenen einen guten Klang erlangt hat, strömen
VQn allen Seiten die Anhänger zu, die alle zur Vergrösserung seiner Macht
■beitragen, da es bei den Kaffern Sitte, is t , einen Flüchtling unter keinen
Umständen aufzugehen, was auch immer der Grand sein mag, wegen dessen
der Mann aus seiner Heimath geflohen ist.
In dieser streng aufrecht erhaltenen Sitte liegt der wirksamste Ziigel
für die Despotie des Häuptlings. Ein allzu harter, grausamer Herrscher
sieht die Zahl der Untergebenen unter seinen Händen schmelzen, indem
dieselben, um wenigstens ihr Leben zu retten, zu benachbarten, besseren
Führern fliehen. Obgleich unbeschränkt in ihrer Autorität, suchen die
Häuptlinge doch die gute Meinung der Leute auf ihrer Seite zu halten, da
sie ändern Falls Gefahr laufen, ihre eigene Macht zu untergraben und in