Manche solche Stückchen, welche mir von der angefeindeten Race
bekannt geworden waren, erweckten Interesse für sie, und ich freute mich
stets, wenn ich in der Steppe dem herumschweifenden Buschmann begeg-
nete. Gegen einige Schnüre Glasperlen tauschte ich mehrmals Bogen und
Köcher, gefüllt mit den gefürchteten Pfeilen, von denselben ein, ohne dass
mir auch nur entfernt die Besorgniss aufgestiegen wäre, sie könnten diese
Waffen gegen mich gebrauchen. Häufig unterstützten sie uns bei der Jagd,
stets mit einem bescheidenen Antheil der Beute zufriedengestellt.
Nur eine Unthat kam mir in dieser Zeit zu Ohren und gerade diese
lässt die Vermuthung zu, dass dabei der unglückliche Buschmann, wie
gewiss sehr häufig, der Sündenbock für Andere gewesen ist. Im westlichen
Be-chuana - Lande wurde ein Händler, welcher mit seinem fast
erwachsenen Sohne und einem Buschmann als Achterrijder im Felde cam-
pirte, während des Schlafes ermordet; natürlich musste der arme Schelm,
der sich ruhig öffentlich zeigte, trotz der Betheuerung seiner Unschuld, der
Thäter gewesen sein, obgleich das werthvollste Besitzthum der Ermordeten
sich in den Händen anderer Einwohner vorfand. Es wurde ihm unter
Makurd’s Vorsitz der Process gemacht, und wenn auch viele von der Unschuld
des Mannes überzeugt waren, so wagte der Häuptling, da es sich
um Ermordung von Weissen handelte, nicht, ihn frei zu geben; er wurde
zum Tode verurtheilt; und es fand sich auch ein Weisser, der das Henkeramt
versah (!). War es doch nur ein Buschmann!
So unwahrscheinlich in diesem Falle die Schuld war, für unmöglich
darf man sie nach den oben angeführten Charaktereigenthümlichkeiten nicht
halten ; der Mord würde alsdann eine von den plötzlichen, unberechenbaren
Ausbrüchen der Wildheit veranschaulichen, wie sie bèi dem gezähmten
Buschmann zuweilen Vorkommen; doch sind solche Fälle äusserst selten.
Man darf wohl sagen, dass der Jäger, welcher einsam die Buschsteppe
durchreitet, jeden Tag ungestraft von diesen Eingeborenen ermordet werden
könnte, und doch spricht die einfache Thatsache, dass, den erwähnten,
zweifelhaften Fall abgerechnet, keiner der vielen kühnen Jäger, wie O s w e l l ,
W a h l b e r g , C h a p m a n , M ’C a b e , A n d e r s s o n , G a l t o n u . s . w . durch sie zu
Schaden gekommen.ist, viel besser zu ihren Gunsten, als alle langen Auseinandersetzungen.
Besonders C h a p m a n hatte häufig ein Gefolge von Buschmännern,
welche für enorme Strecken seinem Zuge folgten, sich als Träger
nützlich machten und an der Beute participirten.
Vielleicht liegt der Grund, warum gerade die alten Berichte über
diesen Stamm so sehr dunkel gefärbt sind, in dem Umstande, dass die
Gegend der jetzigen Colonie viel schneller arm wurde an leicht erreichbarem
Wild, und so die zwingende Nothweruligkeit sie früher zum Viehdiebstahl
hinführte als in der noch heute wildreichen Kalahari.
Dort ist der Buschmann in seinem Element, denn er kann seinem
unbezähmbaren Hang zur Freiheit und zum ungebundenen Leben nach
Herzenslust nachgehen. Di e s e F r e ih e i t s l i e b e rst e in e c h a r a k t
e r i s t i s c h e E i g e n s c h a f t der in Re d e s t e h e n d e n Ra c e , e in e
g l e i c h e N e i g u n g f inde t s i ch we de r be i den H o t t e n t o t t e n no ch
be i den A - b a n t u , no ch he i den s o g e n a n n t e n B e - c h u a n a -
B u s c hmä n n ern , den B a - k a l a h a r i , we l c h e t r otz des Wo h n e n s
in der Wü s t e Se l a v en s ind und dadurch beweisen, dass die Wohnsitze
nicht den Unterschied genügend erklären. Dass die Unterdrückung, das
körperliche und geistige Verkommen den Freiheitsdrang stärkt, erscheint an
sich schon unwahrscheinlich, und so lehrt auch die Beobachtung, dass die
wirklich verkommenen Ba-kalahari sich durch knechtischen Sinn, die Buschmänner,
deren Verkommen nach Obigem unerweislich ist, durch Liebe zur
Freiheit auszeichnen. Es ergieht diese Betrachtung also einen weiteren
Beweis gegen die angedeütete Theorie.
Wie die Cape Records uns überliefern, gingen die Buschmänner schon
in den frühsten Zeiten der Colonie nicht selten in den Dienst der Farmer,
besonders als Viehhüter, aber selten hielten sie dabei lange aus, wenn sie
es nicht überhaupt nur als Vorwand benutzten, um die Gelegenheit auszuspähen,
und später zwar nicht ihren Herrn, aber doch die Nachbarn zu
bestehlen. Es kommen aber Fälle vor, und sind mir seihst zur Kenntniss
gelangt, dass Individuen dieses Stammes treu ihren Dienst, zur vollsten Zufriedenheit
des Herrn versahen, und doch plötzlich wieder von dem innem
Drang nach dem Lehen in der Steppe erfasst wurden; sie verschwanden
dann entweder heimlich, in der Regel ohne etwas zu entfremden, oder mit
Erlaubniss des Herrn, um nach einigen Monaten wieder zu kommen, als
wenn Nichts vorgefallen wäre, u n d . den früheren Dienst in alter Weise zu
übernehmen.
Es verräth solches Verhalten einen innewohnenden, mit ihrem ganzen
Wesen verwachsenen Trieb, welcher ihnen nicht künstlich im Verlauf von
ein paar Jahrhunderten anerzogen werden kann.
Auch ihre übrigen Anlagen und Fertigkeiten sind eigenartiger Natur
und zeichnen sie vor ändern Stämmen vortheilhaft aus. Wenn schon früher
bei verschiedenen Abtheilungen der Eingeborenen bald diese, bald jene
Befähigung rühmend genannt würde, so geschah dies öfters nur vorbehaltlich
der Buschmänner, welche an Schärfe der Sinnesorgane, an Schlauheit und
Geschicklichkeit in allem,, was die Jagd anlangt, sämmtliche übrigen Süd#
Afrikaner weit überragen.
Unzweifelhaft thut in solchen Dingen die Uehung sehr viel, und die
Buschmänner hatten bei dem beständigen Aufenthalt im Freien gute
Gelegenheit, ihre Sinne zu üben, doch kann man sich der Ueberzeugung
nicht, verschliessen, dass der Kaffer, wollte man ihn auch von Kindesbeinen
an in der Wüste zu leben zwingen, nie ein Jäger werden würde, wie es
der Buschmann als Regel ist.