Die Schärfe der Sinne, besonders der Augen, ist dem Letzteren wohl
eine wesentliche Hülfe, aber macht ihn noch nicht zum Jäger, sondern
dies ist seine S c h l a u h e i t und I n t e l l i g e n z , welche ihn anleitet, Alles
seinem Zwecke dienstbar zu machen. Er hat sich sinnreiche Fallen und
Fangmethoden ausgedacht, um das Wild in seine Gewalt zu bekommen,
von denen manche von den ändern Eingeborenen nicht einmal nachgeahmt
werden können. Er kennt die Gewohnheiten der Thiere auf’s Genauste
und mit eiserner Geduld lauert er am bestimmten Ort auf seine Beute und
fühlt nicht Hunger, Durst oder Hitze, so lange noch eine Hoffnung auf
Gelingen vorhanden ist. Besonders originell ist eine von M o f f a t *)fi zuerst
beschriebene Art den Straussen beizukommen, bei welcher dem Buschmann
das eigenthümliche T a l e n t d e rN a c h a hmu n g hülfreich zu statten kommt.
Es wird dabei die Haut eines Strausses in der Weise ausgespannt, dass der
Körper ein hohles Gerüst bildet, welches der Jäger so über sich nimmt,
dass der obere Theil seiner Gestalt ziemlich verdeckt ist, während die eigenen
Beine die fehlenden des Strausses ersetzen; der Hals und Kopf des Vogels
lässt sich mittelst eingefügter Stöcke bewegen. In dieser Vermummung nähert
sich der Buschmann, beständig die abgelauschten Geberden der Strausse
nachahmend, den scheuen Vögeln und mischt sich unter sie, bis er Gelegenheit
findet, unter der Maske hervor einem ruhig äsenden Stück den tödt-
lichen Pfeil zuzusenden. Die Rolle soll zuweilen so gut gespielt werden,
dass der fremde Eindringling von den wehrhaften Hähnen angegriffen und
gezwungen wird, durch Abwerfen der Hülle sich Respect zu verschaffen.
Freilich gehört die Figur des Buschmannes dazu, um e in , derartiges
Kunststück auszuführen, wenn auch das hohe Gras das verdächtige Untergestell
etwas verdeckt; diese Besonderheit seines Wuchses erleichtert ihm
aber das Anschleichen an irgend welches Wild, ohne dass er einer Vermummung
dazu bedürfte. Unter Umständen kriecht er wie eine Schlange
auf dem Bauche an seine Beute heran, unbeirrt durch die am Boden liegenden
Dornen2), verharrt stundenlang regungslos, wenn die Beute Misstrauen
zeigt, und erreicht es schliesslich doch, das Ziel in Schussweite zu bekommen.
Handelt es sich um ein grösseres Thier, so entflieht dasselbe / nachdem
der Pfeil es getroffen hat, und die Aufgabe ist alsdann, seine Spur zu
halten bis zu dem Orte, wo es endlich verendet ist.
So viele Lobredner manche der ändern Stämme auch in dieser Fertigkeit
gewiss mit Recht gefunden haben, am erstaunlichsten sind mir die
Leistungen im Spüren stets bei den Buschmännern erschienen. Sie gehen
im schnellen Tempo auch bei ziemlich dicht bewachsenem Boden einer Spur
!) A. a. O. p. 64.
2) Besonders unangenehm ist ein mit Stacheln besetzter kleiner Saame, von den
Coionisten »Dubbeljes« genannt, der sich weit und breit verstreut findet.
nach, während sie kaum darauf zu achten scheinen, und nur wenn dieselbe
eine unerwartete Wendung macht, oder sich irgend etwas Auffälliges zeigt,
verräth eine Geberde die gespannte Aufmerksamkeit, welche sie dem unbedeutendsten
Merkmal zu wenden.
Der trainirte, sehnige Körper, dessen Muskelkraft beträchtlicher ist, als
man meint, macht es ihnen möglich, nicht nur durch andauerndes Laufen
wie die' Kaffem siete hervorzuthun, sondern sie erreichen dabei auch
eine verhältnissmässig grosse Durchschnittsgeschwindigkeit. Sie hetzen
zuweilen zu Fuss die Arten des Wildes, welche nicht sehr andauernd zu
laufen vermögen, wober'sie eine besondere Taktik anwenden. Es verbinden
sich nämlich eine Anzahl von Männern zu solcher Hetzjagd und postiren
sich an gewisse, vorausbestimmte Stellen in grösseren Entfernungen; einer
sucht- darauf das Wild in der Umgegend auf und bewegt sich so , dass das
Stück veranlasst wird, die Richtung auf die Jagdgenossen zu nehmen. Er
treibt es alsdann möglichst in die Nähe des Zweiten, welcher den Ermüdeten
ablöst, um es dem Folgenden zuzutreiben, und so lösen sich die Jäger ab,
bis das Thier ermattet Und eingeholt wird. Dem Unkundigen erscheint die
Möglichkeit, ein flüchtiges Thier in eine bestimmte Richtung zu drängen,
vielleicht wunderbar, dem afrikanischen Jäger, d. h. auch dem Weissen,
sobald er ein tüchtiges Pferd unter sich hat, wird diese Sache ganz geläufig,
und es ist ein alltägliches Vorkommniss, dass ein solcher die Eland-Antilope
oder die Giraffe wie ein Stück Vieh zum Lagerplatz oder zur Niederlassung
treibt, um sie dort nach Gefallen zu tödten.c .
Die Intelligenz musste dem Buschmann den Mangel an Mitteln ersetzen
und die angegebenen Künste sowie die Anfertigung weiter unten zu
beschreibender Waffen beweist, dass es ihm daran in der That nicht mangelt.
Alle diese Leistungen beziehen sich indessen auf das materielle Interesse,
man ist auch kaum berechtigt von einem Wilden in des Wortes verwegenster
Bedeutung etwas Anderes zu erwarten, um so bedeutungsvoller erscheint es
aber, dass die Buschmänner darüber herausgegangen sind. Es ist schwer
zu begreifen, wie ein Volk im Zustande der Verkommenheit, im Verzweiflungskampfe
für seine Existenz gegen Mensch und Thier eine Kunst betreiben
sollte, welche es im Zustande der behaglichen Ruhe und des Lebensgenusses
vernachlässigte. Dass die verachteten Kinder der Wüste das
Talent der Malerei ausgebildet haben, während die ansässigen Stämme, und
zwar weder die Hottentotten noch die A-bantu' sich darin mit ihnen messen
können, ist also ein weiterer Beweis der eigenartigen Natur jener.
Der Buschmann entwirft natürlich keine Gemälde, welche sich den
Meisterwerken der Kunst an die Seite stellen Hessen, aber ebenso Unrecht
ist es zu sagen, die Zeichnungen seien unbedeutende Kritzeleien, welche
gar keine. Beachtung verdienten. Es prägt sich in den Figuren eine scharfe
Auffassung und treues Gedächtniss für die Formen aus, welche zuweilen
mit bewunderungswürdig sicherer Hand und grösser Leichtigkeit wieder