Da man, soweit überhaupt Forscher in diesen Gegenden vorgedrungen
sind, überall noch Buschmänner oder wenigstens verwandte Stämme ange-
troffen hat, so ist die nördliche Gränze dieses Volkes zur Zeit überhaupt
nicht festzustellen; es ist nicht unmöglich, dass uns die Verfolgung des
Fadens viel weite» nördlich führt, als man im * Augenblick geneigt sein
dürfte anzunehmen.
In den wesentlichen Punkten mit den hier vertretenen Ansichten
stimmt auch ein .mit grösser Sachkenntniss geschriebener Aufsatz in P e t e r -
m a n n ’s geograph. Mittheilungen 1858, betitelt: Die . Hottentottenstämme
und ihre geographische Verbreitung, vollständig überein. Es sind daselbst
die Notizen der Reisenden über Auftreten von Ruschmännern in weit nördlich
gelegenen Gebieten in übersichtlicher Weise zusammengestellt. So hat
L i v i n g s t o n e mehrere Tagereisen östlich vom Ngami unter 2 3 ° östl. Länge
von Paris den S a a n -Dialect gehört, A n d e r s s o n hat sie 5 Tage im Norden
des Sees wieder gefunden. Auch im Westen und Nordwesten sollen nach
der Aussage von G a l t o n , sowie glaubwürdiger Herero noch Stämme zu
finden sein, auf welche die Beschreibung der Buschmänner passt. »Dieselben
Menschen«, sagen die Herero, »hätten das ganze Land zwischen
dem Ovamho und dem Garib inne gehabt, bevor sie und im Süden die
Namaqua eingefallen wären«. Etc. Diesen Angaben zufolge wäre das Vorkommen
verwandter Stämme bis zum 17 o südlicher Breite nachgewiesen1)-!
1. Körperliche und geistige Entwickelung.
3. Aeussere Erscheinung.
Der Beweis, zunächst für die Co e x i s t e n z und f r ü h z e i t i g e A b t
r e n n u n g der Buschmänner von den Hottentotten, durch die bereits angeführten
Thatsachen auf sicherer Grundlage aufgerichtet, verstärkt sich durch
die weiteren Vergleichungen beider Völker mehr und mehr.
Begreiflicher Weise liegen für den Verfasser als Anatomen vom Fach
die Momente, welche sich auf die comparative Anatomie, die Vergleichung
der körperlichen Entwickelung beziehen, besonders nahe, und muss er ihnen
eine hervorragende Bedeutung beimessen. Indem aber zur Würdigung solcher
Verhältnisse anatomische Kenntnisse nothwendig sind, so zeigen sich viele
Gegner, welche diese nicht besitzen, sehr geneigt, die Richtigkeit der aus
morphologischen Unterschieden gezogenen Schlüsse anzugreifen. Es fehlt
') Vergl. darüber auch die weiter unten folgende Anmerkung über die Obongo,
Ahka und Döqo.
nicht an solchen Autoren, die ohne Weiteres alle hierher gehörigen Merkmale,
wodurch sich die beiden Völker unterscheiden, als durch den Einfluss
der Lebensweise bedingt ansehen, und speciell den Buschmann als einen
in der Entwickelung zurückgeschrittenen, verkommenen Hottentotten darstellen.
Hierher gehört besonders M o f f a t *) und viele der anderen Missionäre
und zwar stützt sich der genannte Autor für seine Ansicht hauptsächlich
auf die Analogie, die das Verhältniss der Ba-kalahari oder Ba -ld li zu den
Be-chuana zu bieten scheint. Dies für eine seine Behauptung stützende
Analogie zu halten, beweist schon, dass es ihm an anatomischer Kenntniss
fehlte; denn gerade die Vergleichung dieser Verhältnisse macht die Unhaltbarkeit
der ganzen Theorie deutlich, wie sich aus dem Folgenden ergeben
wird.
Den Vorwand und zwar einen ganz plausibelen für die Aufstellung
derselben hat der Umstand geboten, dass die Race der Buschmänner den
Eindruck einer v e r k omme n e n , u n t e r d r ü c k t e n macht, und ja in der
That auch unterdrückt ist, nur hat man die Vorstellung von dem Zu r ü c k s
c h r e i t e n derselben willkürlich in den Begriff hinein getragen, darum
wäre es, anstatt den Ausdruck »einer verkommenen Race« zu gebrauchen,
allein richtig sie »eine unentwickelte« zu nennen.
Wie es die bereits angeführten Stellen der officieilen Nachrichten lehren,
und die Reste es noch heutigen Tages erkennen lassen, zeichnete sich dieses
Völkchen v o n j ehe r durch seine geringe Körpergrösse aus. Es ist dies
ein Umstand, der jedem Beobachter in die Augen fallen musste, und dessen
daher auch fast durchgängig Erwähnung geschieht.
Während die Hottentotten, wie wir gesehen haben, eine ansehnliche
Körperlänge haben, die nur wenig hinter der durchschnittlichen des Europäers
zurückbleibt, manche Stämme, z. B. die Namaqua, sich in gewissem
Grade sogar durch ihre Grösse auszeichnen, war und ist der Buschmann
ein Diminutiv des Menschengeschlechtes.
Die durchschnittliche Grösse von 6 erwachsenen Männern aus verschiedenen
Gegenden ergab nur 144.4 CM., ein nicht völlig erwachsener
Knabe hatte 109.5 CM., drei erwachsene Buschmann-Hottentotten 140.2 CM.;
trotz der sehr kurzen Reihe dürften die Zahlen der Wahrheit ziemlich nahe
kommen, da die Schwankungen unter den einzelnen Messungen nur gering
sind und die Körperlänge im Allgemeinen eine constante zu sein scheint.
Charakteristisch für den Stamm ist, dass im Gegensatz zu den Hottentotten,
wo die durchschnittliche Grösse der Frauen so bedeutend hinter der der
Männer zurückbleibt, dies hier keineswegs der Fall ist, sondern dass die
weiblichen Individuen den männlichen darin nicht nachstehen, häufig sie
0 Missionary Lab. in S.-A. pag. 7—10. Obgleich Moffat anfänglich selbst diese
Ansicht nicht zu theilen behauptet, so lauten seine Ausführungen doch ganz so’, als wenn
es der Fall wäre.