Der Habitus des zu letzterwähntem Becken gehörigen Skelettes erinnert
an den einer Buschmärinin, wegen der geringen nur 135 CM. betragenden
Gesammthöhe, welche ^Zahl beträchtlich unter dem Durchschnitt liegen muss,
ddbh ist der schlanke Bau der einzelnen Knochen wieder nach Art der
Hottentotten.
Es gilt dies besonders von dem Schulterblatt, welches bei einer Länge
von 13 CM. nur eine Breite von 8,5 CM. zeigt, während an dem Skelett
einer Buschmännin von ziemlich gleicher Grösse sich die Zahlen verhalten
wie 12.2 (Länge) zu 9.7 (Breite). Das zierliche, mässig geschwungene
Schlüsselbein hat eine Länge von nur 12 CM. Die Wirbel, das Brustbein
und die Rippen sind gleichfalls fein gebildet, die Kanten derselben scharf.
Die Extremitätenknochen vollenden das Bild in demselben Sinne: An dem
27.5 CM. messenden Humerus beträgt die Entfernung vom äussersten Punkte
des Kopfes bis zur vorragendsten Stelle des Tuberculum majus 3.9 CM., die
Breite der Condylen 4.7, der Umfang an der dicksten Stelle der Diaphyse 5.5;
die Achsendrehung ist deutlich, ohne sehr auffallend zu sein, sie beträgt
etwa 25°. Das Yerhältniss des Unterarms zum Oberarm ist wesentlich dasselbe
wie bei den A -b a n tu , hinsichtlich der positiven Zahlen vergleiche
man die Tabelle.
Der Femur entspricht in seinem Habitus dem Humerus, eine Verbreiterung
des Körpers (wie bei der Venus Hottentotte) ist daran nicht_ wahrzunehmen:
der vorragendste Punkt des Kopfes bis zur Spitze des Trochanter
major beträgt 7.5 CM., die Breite der Condylen 6.1, der Umfang der Diaphyse
7. Ueber das Verhältniss des Oberschenkels zum Unterschenkel möchte
ich wiederum bestimmte Angaben lieber zurückhalten, da solche doch nicht
maassgebend sein könnten.
Charakteristisch sind hingegen die Hände und Fiisse der Hottentotten,
was bereits oben durch Beobachtungen am Lebenden festgestellt wurde
(pag. 279); darin unterscheiden sie sich auch von den verwandten Buschmännern,
wie die Vergleichung der Tafel XLVIII leicht anschaulich machen
wird. Auf dieser ist in der Mitte der Fuss des weiblichen Hottentottenskelettes
abgebildet, welcher freilich nicht ganz vollständig war (die mit
einem Kreuz versehenen Knochen sind ergänzt) , doch lässt sich die allgemeine
Form noch recht gut erkennen, und fällt durch seine .Schmalheit auf,
während der Fuss des darunter befindlichen männlichen Buschmann noch
kürzer, aber von grösser relativer Breite ist. Der Vorsprung des Fersenbeins
ist immerhin beträchtlich, wenn schon der Kaffernfuss in diesem
Punkte auffallender ist. Die ergänzten Phalangen, obgleich mit grossem
Fleiss unter reichem Material ausgesucht, sind stärker als die originalen
(vergl. das erste Glied der kleinen Zehe) ; noch deutlicher trat dies an den
Metatarsalknochen hervor, wo am entsprechenden rechten Fuss nur durch
Herausnehmen eines Theiles und Befeilen eine Ergänzung geschafft werden
konnte.
Die Hände verhalten sich analog wie die Fiisse, auch sie sind klein
und zierlich, zumal beim weiblichen Geschlecht, ohne dabei breit zu sein.
c. Körperliche und geistige Leistungsfähigkeit.
Wie die physischen Eigenthümlichkeiten der Koi-koin auffallend verschieden
.sind von denjenigen der A-bantu, so gilt dies auch von den soma-
tischen und psychischen Functionen.
Die Vitalität dieser Stämme hat einen beweglicheren Charakter als bei
den Kaffern, die für die Letzteren so bemerkenswerthe Indolenz ist weniger
vertretend und wenn auch die afrikanische Sonne ihren Einfluss auf die
Koi-koin nicht so ganz verfehlt hat, dass sie, anstatt zu einem trägen Leben
hinzupeigen, Eifer und Lust bei der Arbeit zeigten, so sind sie, bei all’
ihrer Trägheit, doch munterer upd lebendiger als die dunkelpigmentirten
Stämme.
Ihre durchschnittliche Muskelkraft steht bedeutend unter derjenigen der
A-bantu, aber ihr Körper ist geraffter, sie haben ihre Gliedmaassen mehr
in der Gewalt und nähern, sich in diesem Punkte unseren Racen. Ein
Beweis dafür ist,, dass sie sich die körperlichen Fertigkeiten, welche die
Europäer in’s Land brachten, z. B. das Reiten und den Gebrauch der
Feuergewehre, viel schneller aneignen als jene. In beiden lertigkeiten
erlangen die Koi-koin mit Leichtigkeit eine bemerkenswerthe Sicherheit,
während die grosse Ungeschicklichkeit der A-bantu darin notorisch ist.
Bereits von den ältesten Zeiten der Colonie bis auf den heutigen Tag
wurden die Ersteren1) gern von den Boeren als sogenannte »Achterryder« in
Dienst genommen, das sind Leute, .welche zu Pferde dem gleichfalls berittenen
Herrn folgten, um als Reitknecht und Gewehrträger zu dienen,
aber auch seine Gehülfen auf der Jagd abgaben und an dem günstigen
Erfolg einer solchen häufig den grössten Antheil hatten. Sie mussten nicht
nur durch geschickt ausgeführte Umgehungen dem Herrn das Wild zutreiben,
sondern häufig wurden sie ebenfalls bewaffnet, um selbst thätig eingreifen
zu können; beim Auf brechen und Wegschaffen des getödteten Wildes waren
sie wiederum sehr nützlich, und oft genug hatte der Bo er dem-gelbbraunen
»Schepsel«2) sein Leben zu verdanken, sei e s, dass derselbe den Angriff
eines wüthenden Thieres unschädlich machte,- oder den Verirrten aus der
wasserlosen Steppe zurückführte, oder bei Unglücksfällen den Verwundeten
nach Hause schaffte. Noch heutigen Tages sieht man die Nachkommen in
gleicher Thätigkeit, und seitdem öffentliche Wettrennen von Blutpferden in
!) Unter ihnen allerdings wieder mit besonderer Vorliebe die Buschmänner.
2) Geschöpf, ein verächtlicher Ausdruck für alle Farbigen, welcher unter den Colo-
nisten ganz allgemein verbreitet ist.