heutige Beschaffenheit dieses Volkes vorliegen, dass es überhaupt nie auf
nationale Originalität hat Anspruch machen können. Indem die Strömungen
der südafrikanischen Stämme im Osten der Kalahari südwärts gingen, im
Norden der Wüste westlich, vom Süden her durch die von den Europäern
veranlasste Stauung wieder nordwärts, s o 'b i ld e t e n d ie G r ä n z d is t r i c t e
K a l a h a r i , a ls C en trum d i e s e s V .ö lk e rw ir b e ls , e in e Art
A s y l fü r R e f u g i e ’s aller Arten von Stämmen, die nicht, wie die Buschmänner,
in der Wüste seihst zu leben vermochten. Doch auch mit diesen
konnten natürlich Vermischungen nicht aushleihen, und es entstand so jener
e igentümliche, schwankende Habitus, wie ihn die Berg-Damara zeigen.
Auch wenn die hier vertretene Ansicht nicht allgemeineren Beifall
finden sollte, so wird wenigstens das nicht bestritten werden können, dass
die Erwartungen, in ihnen ein besonders interessantes Volk, womöglich die
eigentlichen Repräsentanten der Ureinwohner zu sehen, nach unserer heutigen
Keimtniss der Verhältnisse nicht mehr gehegt werden dürfen. A \ DEKSSOX,
der bereits mehrfach erwähnte äusserst thätige Reisende, hält in . seinem
Werke Lake Ngami'-') noch an der Ansicht f e s t ,. dass sie aller Wahrscheinlichkeit
nach die Ureinwohner darstellten. Er hat aber nicht vermocht,
andere Beweise für seine Vermuthung beizubringen, als dass die 0 va-herero
beim Eindringen in ihre jetzigen Wohnsitze das Land besetzt fanden mit
Borg - Damara und B u s c h m ä n n e r n , wonach also die letzteren wenigstens
eben so gut die Ureinwohner repräsentireü könnten.
J o s a p h a t H a h n 2) erklärt sie in seinem Aufsatz über die O va-herero
geradezu für ein Negervolk, und es ergäbe sich also, hätten beide* Autoren
Recht, die wunderbare Thatsache, dass in dieser Ecke auf einmal Neger . (?)
als Ureinwohner aufträten, während im ganzen übrigen Süd-Afrika braun-
gelhe Stämme erwiesener Weise die ältesten Einwohner sind.
■ Der nachstehende Holzschnitt (Fig. 50), nach einer CHAPMAN’schen
Photographie, eine Gruppe solcher Eingeborenen darstellend, ist ganz charakteristisch
gerade durch den Mangel eines bestimmten Charakters und es
lässt sich darüber viel mehr Negatives als Positives aussagen. Ebensowenig als
es O va-herero sind, können sie als Owamlo, Hottentotten oder Buschmänner
bezeichnet werden. Stellt man dagegen farbiges Gesindel aus Gegenden
zusammen (Colonie oder Freistaaten),. wo die Reste der genannten Racen
der Bevölkerung heigemischt sind, so erhält man ganz ähnliche Bilder.
Auch in den neueren, ausführlicheren Berichten über die Berg-Damara
ist so gut wie gar Nichts mit Sicherheit festgestellt, was man als charakteristisches
Merkmal bezeichnen könnte. Die Aussagen vereinigen sich dahin,
dass sie ein Volk sind von sehr schwankender, meist unvortheilhafter Leibesgestalt,
Durchschnittsgrösse unter dem Mittel, von dunkler, ebenfalls sehr
1) "A. a. O. pag. 218.
2) Die 0 va-herero Zeitschr. d. Gesellsch. f. Erdkunde. Berlin 1869. Bd. XV. Btft. II.
variirender Hautfarbe, durch Schmutz entstellt. Ihre Gesichtszüge ähneln
bald diesem, bald jenem der Stämme, die Sprache ist ein Dialect des Na—
maqua mit Elementen der Buschmannsprache und O tyi-herero vermischt.
Die Lebensweise ist ihrer Natur angemessen; in den felsigen, schwer
zugänglichen Schlupfwinkeln lauern sie auf Beute, welche hauptsächlich in
dem Vieh benachbarter Stämme besteht, und bemächtigen sich derselben
•durch plötzliche, räuberische Ausfälle, sich vor den Verfolgern schleunigst
wieder in ihre Felsen zuriiokziehend. Während der Buschmann den Viehdiebstahl
aus Liebhaberei oder zuweilen auch aus Noth betreibt, sonst aber
der Jagd nachgeht, scheinen die Berg -Dam a ra sich wesentlich auf den
ersteren Erwerbszweig zu beschränken) . und es ist schon desshalb anzunehmen,
dass sie g l e i c h z e i t i g m it V i e h z u c h t t r e ib e n d e n S täm m en
ihre Wohnsitze inne hatten.
Nach dieser kurzen Besprechung eines Volkes, welches, obwohl nicht
eigentlich hierher gehörig, doch auch nirgend anders hinpasst, und durch
den Namen wenigstens mit den eigentlichen'Damam zusammenhängt, kehren
wir zu den letzteren zurück.
1. Aeussere Erscheinung und geistige Entwickelung.
Die wirklichen Damara sind ihrer äusseren Erscheinung nach, wie in
den übrigen Kennzeichen wohl charakterisirt und den besprochenen Bergbewohnern
sehr unähnlich. Die Berichte der Reisenden und Missionare des
Herero-Landes stimmen in den meisten Punkten überein, nur leuchtet hei
den Beschreibungen dieses Volkes, wie so vieler anderer, die Schwierigkeit
hervor, welche die Autoren gefunden haben, die physischen Charaktere
durch bestimmte Ausdrücke genau zu umgränzen, und man muss sich desshalb
mit allgemein gehaltenen Bemerkungen begnügen. Da Verfasser nur
wenig Damara seihst zu sehen Gelegenheit hatte (er wurde durch die hoch
bis vor Kurzem bestehenden Kriege von dem projectirten Besuch des Damara-
Landes abgehalten), so ist er nicht im Stande, die Lücke in entsprechender
Weise auszufüllen, obgleich eine eingehende Vergleichung auch so v i e l e
Punkte ausser Frage stellen dürfte.
Zunächst sind alle Autoren Lobes voll über die gute Entwickelung
des Körpers bei den O v a - her er o , indem die durchschnittliche Grösse ,eine
beträchtliche ist, häufig sogar der Wuchs auffallend hoch erscheint. Die
Figur ist dabei schlank und ebenmässig, aber die bei den Ama-xosa beschriebenen
Merkmale des Körperbaues der Nigritier dürften sich, wenn
auch vielleicht in geringerem Grade, bei den O va-herero ebenfalls finden.