zehn Jahr ist wohl ein ganz gewöhnliches Alter für die Verheirathung, doch
lässt sich dasselbe selten genau feststellen.
Zum erwachsenen Manne gehört nach den Vorstellungen der Eingeborenen
unstreitig der Besitz einer Frau und die Aeltern denken daher
alsbald nach Beendigung der Boguera an die Verheirathung des Sohnes,
während auch die, welche sich im Besitz von Mädchen befinden, wegen
der zu erwartenden Brautgeschenke nicht abgeneigt sind, sie zu vergehen.
Bis es gelingt, eine passende Verbindung zu schließen, pflegen sich* die
jungen Männer in der Nähe des Häuptlings. zu halten, dessen Trabanten
sie alsdann bilden; sie übernehmen die Wache in der Khotla, besorgen
Botschaften nach ausserhalb und beaufsichtigen das Vieh des Herrschers
im Felde. Nach der Verheirathung unterbricht ihr einförmiges Leben nur
ab und zu ein Jagdzug in die Nachbarschaft, oder in selteneren Fällen eine
kriegerische Unternehmung. ,
Die Entscheidung über so wichtige Ereignisse wie ein Peldzug oder die
Ausgleichung innerer Zwistigkeiten von grösserer Bedeutung wird in allgemeinen
Rathsversammlungen erledigt, »Pico« (spr. Pitsho) von den Be-cKucma
genannt, die einzige Gelegenheit, bei welcher auch die nicht zu den B a -
tala gehörigen waffenfähigen Männer in der Lage sind, in die Verwaltung
der öffentlichen Angelegenheiten einzugreifen. Zu ’solchem Pico vereinigen
sich die erwachsenen Männer des Stammes mit voller* Bewaffnung in der .
Khotla und ordnen sich dem Häuptling gegenüber in dichten Reihen auf
dem Boden niedergekauert, die Speere neben sich, in der Hand den ausgeschweiften
Schild. Es folgen nun lebhafte Erörterungen; indem bald
dieser, bald jener aus den Reihen aufspringt, um die Menge unter energischen
Beifallsäusserungen oder Missbilligungen anzureden. Dabei herrscht
die grösste Redefreiheit in den Versammlungen, welche nach Art eines
Sicherheitsventils zu wirken scheinen, um den Unterthanen den Druck
des Despoten weniger fühlbar zu machen. ' Häufig wird der Häuptling auf
das härteste angegriffen und geschmäht, ohne dass er etwas Anderes dagegen
zu unternehmen wagte, als die zu seiner Vertheidigung laut werdenden
Stimmen zu ermuthigen und ihnen Beifall zu spenden. Nachdem die Leute
auf diese Weise ihrem Herzen Luft gemacht haben, wird näher auf den
eigentlichen Grund der Zusammenkunft eingegangen', wenn die Stimmung
der Versammlung sich hinlänglich klar ausspricht, so greift der
Häuptling mit ein und führt seine eigene Ansicht, die er der Stimmung
nach Möglichkeit anpasst, in feuriger Ansprache aus, und unter tobender
Acclamation der Versammlung endigt alsdann die Berathung. Gesticulationen
und mimische Tänze der älteren Krieger spielen am Eingang wie zu Ende
des Ganzen eine bedeutende Rolle und auch die einzelnen Redner pflegen
ihre Ausführungen unter dem beifälligen Toben ihrer Freunde durch wilde
Caprioien einzuleiteu. M o f f a t schildert in seinem bereits öfters citirten
Werke den Verlauf einer solchen Rathsversammlung unter den Ba-rolong
und Ba-Üapi in sehr lebendiger Weise, und erwähnt im Auszüge die
gehaltenen Reden1),, welche auch für die Denkweise dieser Eingeborenen
eine charakteristische Illustration geben.
Solch aufregende Unterbrechungen des einförmigen Lebens sind nur
selten, gewöhnlich gleichen sich die Tage wie ein Ei dem ändern, indem
die kleinen Sorgen für das Vieh beim Manne und die Feldbestellung und
häusliche Arbeiten bei der Frau den Haupttheil der Zeit in Anspruch nehmen.
Mitunter bringen sie fast mit Gewalt eine gewisse Abwechselung in
ihr Leben, indem sie auf irgend einen geringfügigen Gfund hin, wie z. B.
Todesfälle in der Häuptlingsfamilie, die Furcht der Ort sei behext, unbequeme
Lage des Wassers oder ¡Geringerwerden desselben, ihre Wohnsitze
aufgeben und weiter ziehen, um sich irgendwo in der Nachbarschaft wieder
anzusiedeln. Alsdann kommt eine ungewöhnliche Rührigkeit in die Leute,
wie bei einem Bienenstock, der schwärmen will; ist der neue Wohnplatz
erwählt, so zieht Alles ans, Om den Boden zu ebnen, Holz zu fällen und
die Viebkraale zu errichten. Ist dies-geschehen, so sind sehr bald die
wenigen Utensilien auf Packochsen geladen oder in grosse Bündel verpackt,
um von den Frauen auf dem Kopfe getragen zu werden, und dahin geht
der Zug der neuen Heimath zü, während die eben noch so belebte Stadt
still und einsam dasteht, nur noch bewohnt von wilden Tauben, Perlhühnern
und anderem Gethier.
So haben die Ba-kuena in wenigen Jahren drei Mal den Wohnplatz
gewechselt, indem sie der Sicherheit wegen auf einem steilen Plateau bei
Liteyana wohnten, alsdann sich unten im Thal anbauten und nach kurzer
Zeit auch diesen Wohnplatz aufgaben, um sich in Logageng anzusiedeln.
Daher kommt es auch, dass die Namen von Ortschaften, welchen die Reisenden
eine gewisse Bedeutung beilegten , verklingen und neue auftauchen,
als wenn in dem öden Lande Stadt an.Stadt läge. So ist Kolobeng, L i v i n g -
s t o n e ’s Station, verschollen, so Melita, die alte Residenz der Bä-wanketsi,
Kurechane, die Stadt der Ba-hurutse, Mosega, einst von den Matabele
bewohnt und vielleicht existiren auch die hier genannten Niederlassungen
schön nicht mehr. Ein Grund, welcher zwingend werden kann zur Aufgabe
eines Ortes, ist der Wassermangel, und solcher Mangel tritt wirklich
öfters e in ; es ist eine eigenthümliche Thatsache, dass ein Bach oder
eine starke Quelle , deren Nachbarschaft die Eingeborenen sich zum Wohn-
platze ausersehen, meist schwach wird und häufig sogar ganz versiegt.
Wahrscheinlich ist es die ungeregelte Abholzung der ganzen Umgebung und
dadurch bewirkte Entblössung des Bodens, welche ein derartiges Ereigniss
im Gefolge hat.
Bei der allgemeinen Wasserarmuth des Bc-cJ/udna — Landes nehmen die
Sorgen um die Beschaffung dieser Gottesgabe einen Hauptplatz Ai den Ge‘)
A. a. 0 . p, 347.
F r it s c h , Die Eingeborenen Süd-Afrika’s.