ein kleiner Stamm in der Nähe des Cap erhielt wegen seiner Plünderungen
sogar den darauf bezüglichen Namen der T a b a c k sd ie b e . Auch im Lügen
wurde schon damals viel von den Hottentotten geleistet, wie z. B. der
bereits mehrfach erwähnte »H a rry« die Gründer der Colonie häufig auf die
ergötzlichste Weise hinter’s Licht führte, und auch die Autoritäten, welche
dem Alles selbst sehen wollenden K o l b e n mitunter ihre Augen liehen,
müssen ihn hier und da gehörig angelogen haben.
Bei Charakteren, die so wenig Tiefe zeigen, sind'grosse Ideen schon
a priori nicht zu erwarten, die Philosophie überhaupt, besonders aber die
religiöse ist ihnen eine zu trockene Materie, als dass sie sich ernstlich damit
abgegeben haben sollten. Hie Oberflächlichkeit und das Schwankende in
diesen Anschauungen hat auch hier wieder lebhafte Debatten über ihre
Religiosität veranlasst, und die Meinungen werden in vielen Punkten wohl
immer getheilt bleiben. Sicher ist nur, dass den Hottentotten, wie den
A-bantu, religiöse Instincte unstreitig eigen sind, ob man aber das daraus
resultirende System von Aberglauben Religion nennen darf, ist eine Frage
die verschieden beantwortet werden wird, je nachdem man sich den Begriff
feststellt.
Bemerkenswerth ist es, wie bereits obenangedeutet, dass die Koi-koin
gerade in diesen Punkten mit den A-bantu eine auffallende Uebereinstim-
mung zeigen, obgleich sie in den meisten ändern so durchaus verschieden
sind. Es werden die hierher gehörigen Anschauungen wegen ihrer unbestimmten
Form und der gemeinsamen Neigung beider Völkerfamilien für
Aberglauben beim Uebergehen von Individuen (als berühmte Zauberdoctoren,
Frauen oder Sclaven) von einer zur ändern sich wahrscheinlich leichter haben
verpflanzen lassen. Der Einfluss und zwar zunächst der schädliche, von
bösen Geistern und Gespenstern, welche bald einen mehr selbständigen Charakter
annehmen wie der Morimo der Be-chuana, von ihnen Tuquöa ( K o l b e n ) ,
oder fGounatsi ( S p a r r m a n n ) , Gonab ( B ö h m e ) bei den Namaqua genannt, bald
als die Geister der verstorbenen Vorfahren und Häuptlinge 3 deren grösster.
Tsui-xoab (Wund-Knie) heisst, Zuweilen nehmen aber auch anderweitige
abergläubische Gebräuche einen speciell religiösen Charakter an, worüber in
dem Kapitel Sitten und Gebräuche das Wichtigste folgen soll, zunächst sei es
gestattet, die Aufmerksamkeit auf das Aeussere und die Umgebung der Koi-
koin zu richten.
2. Kleidung, Bewaffnung, Geräthe und Wohnungen.
Unter den zwar immer noch zahlreichen, aber nicht mehr
gigen. Resten der gelbbraunen Eingeborenenstämme Süd-Afrika’s
heut zu Tage nur noch wenig von dem nationalen Charakter
unabhän-
lässt sich
in ihrem
Aeussern beobachten, und selbst unter denjenigen Stämme, welche auf eine
gewisse Unabhängigkeit Anspruch machen können, hat sich die Macht der
Civilisation schon sehr geltend gemacht. Es fehlt den Hottentotten bereits
durchgängig eine nationale Tracht und man muss also, um diese in ihrer
Ursprünglichkeit festzustellen, auf die älteren Schriftsteller zurück greifen.
Wir erfahren aus denselben, dass die Bekleidung auch der Koi-koin
keine grossen Abweichungen zeigte von der allgemeinen Tracht südafrikanischer
Eingeborenen: Als das der Haut zunächst anliegende Kleidungsstück
ist allerdings die Schicht von Fett, Schmutz und Buchu-Pulver
(Diosma) zu erwähnen, welche gerade die Wohlhabenderen am allerstärksten
zu überziehen pflegte. Solche Schicht diente als Zeichen des Reichthums,
als Schutzmittel gegen Kälte und gleichzeitig mit Asche von mannigfachen
Ingredienzien vermischt als Palliativ gegen schädliche Einflüsse der verschiedensten
Art.
Ausser diesem häufig recht beträchtlichen Ueberzug fand sich als Kleidung
bei dem männlichen Individuum ein Schurz, der dem bereits bei den
Be-chuana beschriebenen y>JPukoli« entspricht, aber noch rudimentärer ist,
da ihm die Befestigung nach hinten fehlte. Dieses Kleidungsstück, mit
einem colonialen Namen »Jackal«. genannt, wurde mit Belassung der Haare
von dem Felle des Thieres angefertigt, dessen Namen es entlehnt,- und stellte
nur einen weit offenen Beutel dar, etwa von der Grösse einer Hand, der
vor den Genitalien herabhing. Er versah den Dienst einer Verhüllung nur
schlecht, da er sich bei jeder Bewegung hin und her schob. Der Befestigungsgurt
trug hinten zuweilen dreieckig auslaufende Streifen von rohem
Leder, die sich die Männer beim Sitzen unterschoben, um so eine gegen
die Bodenausdünstungen schützende Decke zu bilden. Die Hottentotten
sollen nicht sehr sorgfältig darin gewesen sein, ob der »Jackal« stets seinen
Dienst gehörig versah, da eine zufällige Entblössung der Genitalien bei
ihnen nicht für so unschicklich galt als bei den Be-chuana.
Als Hauptkleidungsstück findet sich auch hier wieder der Kaross und
zwar scheint diese Benennung von den Hottentotten ihren Ursprung genommen
zu haben (xros)x). Als Bedeckung des Kopfes sieht man auf den
alten Illustrationen bei K o l b e n und anderen häufig eine anliegende Mütze,
ebenfalls von Fell gemacht. Ob diese früher sehr allgemein in Gebrauch
war, erscheint zweifelhaft; denn schon zu S p a r r m a n n ’s Zeiten trugen die
Eingeborenen nur selten die nationale Kopfbedeckung, indem sie für gewöhnlich
Hüte europäischer Arbeit vorzogen. Sie sollen dieselbe auch nicht
gegen die Sonnenstrahlen, sondern gegen Regen und Winterkälte benutzt
haben; eben so wenig wurden die Sandalen, welche in Sohlen von rohem
Leder dickhäutiger Thiere bestanden und über den Spann durch einen quer
l) In dem von K olben verbesserten, ursprünglich von Ludolf herrührenden Voca-
bularium der capsohen Hottentotten findet sich bereits das Wort »kros« für Fellmantel.