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Vou dem Domier glaulieu die Mandans, er werde durch den Fliigelscldag eines
colossaien Vogels verursacht. Fliege dieser Vogel, wie gewöhnlich leise, so höre
man ilui nicht. Dieser colossale Vogel soll nur zwei Zehen an jedem Fasse haben,
die eine nach hinten, die andere nach vorn gerichtet. Er soll in den Gebirgen leben
und ein colossales Nest erbauen, so gross als Fort-Ciarke. Seine Nahrung besteht
in Hirsclien und anderen grossen Thieren, deren Geweihe um das Nest herum aufgehäuft
liegen. Der Blick seiner Augen giebt den Blitz, der dem Begen voran
geht. Er durchbrichl die Wolken, die Himmelsdecke uud bahnt dem Begen den
Weg. Die ganz isolirten besonders starken Donnerschläge werdeu durch eine colossale
Schildkröte heivorgebracht, die iu den Wolken lebt. Wenn der Blitz einschlägt,
so ist die,s ein Beweis des Zornes. Von den Sternen glauben die Mandans,
sie seien verstorbene Menschen»). Wenn eiue Frau niederkomme, so steige eiu
Stern herab und erscheine durch die Geburt als Mensch auf der Erde. Nach dem
Tode kehre er dorthin zurück und erscheine wieder als Stern am Himmel.
Der Begenbogen ist ein die Sonne begleitender Geist, der sich vorzüglich beim
Dnlergange der ersteren sehen lasse. Das Nordlicht behaupten viele, culstehe durch
eine grosse Versammlung der Medecine-Männer uud ausgezeichneten Krieger verschiedener
Nationen im Norden, welche daselbst in grossen Kesseln ihre Gefauge-
ueii und getödteten Feinde kochten. Die Ojibuäs sollen diese Erscheinung die tanzenden
Geister nennen, und die Milchslrasse deu Pfad der Geister (the palh of the
ghosts) »*). Die Schöpfungsgescbichle uud die Eufstebung des Stammes der Maudans
erzählte der erwähnte wohl unterrichtete Mann auf folgende Art. Wenn diese
Erzählung gleich albern und langweilig ist, so giebt sie dennoch eine Idee vou
dem geistigen Zustande dieser Völker nnd von der Art ihrer Unterhaltungen; ich
gedenke sie also hier folgen zu lassen.
Als die Erde noch nicht existirte, erschuf der Herr des Lebens deu ersten
**■) e rz äh lt d’O r b i g n y von den m eh r südlich wohnenden Americnnern CH. pag. 9 3 ) ,
’ ■^) S. » l e k e n n e y tour lo ihe lakes pag. 3 i 8 und 3 4 9 .
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Menschen (N um ä n k -M ä c h a n a ) . Dieser gieng auf deu Gewässern umher und
traf einen Taucher oder eine Ente, welche abwechselnd auf und ab tauchte. Der
Mensch sprach zu dem Vogel: „du tauchst so gut, so tauche denn hinab, und
bringe mir etwas Erde herauf.“ Der V ogel gehorchte und brachte bald etwas Erde,
welche der erste Mensch nun auf dem Wasser ausstreute, wobei er Besclnvörungs-
worte sagte, um das Land erscheinen zu machen, uud es erschien. Das neue
Land war nackt, kein Grashalm sprosste darauf. Er wanderle nun umher, uud
glaubte allein auf diesem Boden zu seyn, als er plötzlich eine Kröte fand. „Ich
glaubte allein hier zu seyn “ sagte e r , „aber du bist hier? er sah die Kröte an
„und wer bist du? „ S ie gab keine Antwort.“ Ich kenne dich nicht, aber ich muss
dir einen Namen geben. Du bist älter als ich; denn deine Haut ist rauh und schup-
picht, ich muss dich meine Grossmutter nennen, weil du so sehr alt aussiehst.“ Er
gieng nun weiter und fand ein Stück eines irdenen Topfes. „Ich dachte hier allein
zu seyn, allein es müssen vor mir schon Menschen hier gelebt haben,“ darauf nahm
er die Scherbe auf und sprach: „auch dir will ich einen Namen geben und da du
vor mir hier warst, muss ich dich ebenfalls meine Grossmutfer nennen.“ Als er
weiter gieng, fand er auch eine Maus. „E s ist klar, dass ich nicht das erste W e sen
bin, sagte er bei sich selbst, ich neune auch dich meine Grossmutter.“ Etwas
weiter fort traf er mit dem Herrn des Lebens zusammen. „Ach da ist ein Mensch
wie ich!“ rief er aus, und gieng nahe zu ihm hin. „W ie geht es dir mein Sohn?“
sagte der Mensch zu Ohmahank-Numakschi, allein dieser antwortete: „nicht ich
bin dein Sohn, sondern du bist der meinige!“ Der erste Mensch antwortete jetzt
„ich bestreite deine Wo rte,“ aber der Herr des Lehens erwiederte „nein du bist
mein Sohn, und ich will es dir beweisen, wenn du mir nicht glauben willst. Wir
AvoIIeu uns setzen, und unsere Medecine-Stöcke, die wir in deu Händen tragen,
iu den Boden stecken; derjenige vou uns, welcher zuerst aufsteht, ist der jüngste
von uns uud der Sohn des anderen.“ Sie setzten sich und sahen einander lange
au, bis endlich der Herr des Lehens blass wurde und sein Fleisch von den Kno-
P r . Maxiiuiliaa v. W . R eise d. N ..A . 2. Bd. OQ