wieder hinauf und erreicht das kleine Haus, von dessen Sitzen im dunklen Waldschatten
man des grossartigen Anblickes von oben gemessen kann. Hier sind die
Wände mit unzähligen eingescbnittenen Namen aus allen Welttheilen und Ländern
bedeckt, welche sich täglich vermehren. Nachdem mau hier ausgeruht hat, bringt
der Führer den entzückten Beschauer wieder auf einer anderen Treppe an den Flusa
hinab, liach eiuem hohen steinernen Thurme der im Wasser auf den Felsen
erhaut ist, und nach welchem hin eine lange hölzerne Brücke führt. Dieser letztere
Thurm ist unmittelbar über dem eingehenden Winkel des Horseshoe - Abgrundes erbaut.
Man besteigt ihn auf einer Treppe uud tritt nun in deu unbeschreiblich grossen
überraschenden Anblick. Das Auge verliert sich sogleich iu der Tiefe des
weisskocheuden Wasserschlundes, dessen leichte Wolken deu stauuenden Beschauer
umgeben, während sein Ohr von dem donnernden Getöse betäubt ist. Es giebt
keine Worte für die Schilderung der Grösse und des erhabenen Eindruckes dieser
Naturscene, von welcher wir uns kaum loszureisen vermochten! Nachdem wir
lange iu Bewunderung verloren, unsern Betrachtungen Raum gegeben, kehrten wir
nach dem Gasthofe zurück und unternahmen später die Excursion auf das andere
üfer des Flusses. Von dem Dorfe Niágara aus steigt man zu dieser Absicht eine
mit einem Dache bedeckte Holztreppe an der südlichen Seite des americanischen
Falles hinab, und gelangt hier unterhalb der Fälle an das Flussufer. Sowohl auf
der Uferhöhe diesseits, als auch jenseits am canadischen Ufer wohnen Fährleute,
welche gegen ein Fahrgeld übersetzen. Obgleich kaum mehr als 3 —4 0 0 Schritte
unterhalb der Fälle, ist hier das Wasser doch nicbt mehr sehr bewegt, und man
landet bald an dem canadischen oder englischen Ufer. In dem hier befindlichen
Fährhause giebt es wieder Getränke uud Curiositäten zu kaufen, als: Mineralien,
indianische Kunsiarheiten, in den benachbarten Waldungen geschnittene Spazler-
stöcke uud dergleichen. Man hat hier die Fälle gerade vor sich und übersieht
beide Cascadeu besonders gut. Aus dieser Gegend nahm auch Herr B odm e r seine
General-Ansicht dieser grossartigen Naturscene auf, welche die beste mir bis jetzt
vorgekommeue und in allen ihren Verhältnissen ganz der Natur getreue ist (siehe
Tab. XXXIX.). Oben auf der Höhe befmdet sich eine Restauration (Confectionuary),
wo einige ziemlich gute Abbildungen der Fälle von Megarey zu sehen sind. Von
hier besuchten wir ein isolirtes Haus, in welchem ein Engländer ein zoologisches
Cahinet aufgestellt hat, welches eine schöne Sammlung der Vögel von Canada enthält.
Sie füllt die beiden Stockwerke des Hauses und wird für Geld gezeigt. Es
befinden sich hier manche interessante Gegenstände; zu kaufen fand ich jedoch gegenwärtig
nur wenige. Nicht weit von hier entfernt ist der sogenannte Table-Bock,
ein kleiner Felseuvorsprung an der hohen Thal wand, von wo man einen unvergleichlichen,
schon von vielen Reisenden beschriebenen Blick auf den nahen Hor-
seshoe-Fall h a t* ). In der Nähe befindet sich ein Haus, wo man mit Wachstaffet
oder Oilcloth-Kleidungsstücken versehen wird, um trocken eine hohe Treppe hinab
bis unter die stürzende Wassermasse des canadischen Falles gelangen zu können.
Da der folgende" Tag eiu Sonntag war, so benutzte ich diese Gelegenheit,
um den Gottesdienst der benachbarten, 8 Meilen von Niágara angesiedelten Tusca-
rora-Iudiauer zu besuchen. Der W eg dahin führt in der Richtung des Ontario-Sees
längs des schönen Niágara’s , abwechselnd durch Wald und Felder immer auf der
Höhe fort, wo die Bewohner der Gegend zerstreut in ihren Holzhäusern Avohnen.
Die Waldungen bestehen aus Taunen, Weihmutbskiefern, Eichen, Kastanien, die
letzteren jetzt in der Blüthe, Sassafras, Avildeu Kirschbäumen, mit jetzt noch unreifer
Frucht u. s. AV. — Das europäische Obst war in dieser Gegend meist nicht erfroren,
die Bäume hiengen schAver damit beladen. Die italienischen Pappeln schie-
’¡‘) Das Rapid oberhalb d e r F ä lle , welcbes Vj Meile la n g is t , hat 51 Fu s s F a ll , d o rt hat d e r Flu ss die Rich-
tuDg vott N .O ., imd nach 1% Meilen von N. nach dem O n ta rlo -S e e hin. Der grosse H o rseshoe -F all so ll
e tw a 6 0 0 F u s s , d e r americanische F a ll n u r 3 0 0 Fuss b r e it sey n . Die g anze Breite des F lu sses bei den
Fä lle n b e trä g t nach F e a t h e r s t o n h a u g h 3 ,4 4 9 Fuss, d e r Stromtheil auf der americanischen Seite 1 ,0 7 2 ,
d e r a u f d e r englischen Seite 2 ,3 7 6 Fuss. Nach dem Travellers guide through thè middle a nd northern slates
an d the provinces o f Canada (1 8 3 4 . p. 26 8 .) fä llt d e r americanische F a ll 1 6 4 F u s s hoch h e ra b , d e r
g ro sse H o rs e sh o e -F a ll ab er n u r 15 8 F u s s , nach V o l n e y n u r 1 4 4 F u s s ; aUein die Bewohner d e r Gegend
behau p ten , seine Hohe se y 1 8 0 Fuss. F e a t h e r s t o n h a u g h nimmt n u r 1 5 0 Fu s s Hohe fü r den
H o rs e sh o e -F a ll n n , welche wohl die w ah re Zahl sey n wird.