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einmal Hindus, Kalmücken, Baschkiren und Chinesen gesehen, der wird die Züge
uud die Hautfarbe des gegenwärtig Nord-America bewohnenden Menschenschlages
sehr abweichend von jenen der asiatischen Völker fiuden, und sich berechtigt halten,
die Americaner als einen besonderen Meuscbenstamm zu betrachten.
Die gegründetsten Einwürfe gegen die Abstainmung der Americaner aus Asien
scheinen wohl in der Verschiedenheit der Hautfarbe und in der geringen Verwandtschaft
der Sprachen begründet zu seyn; denn die wenigen, den americanischen verwandten
Wörter, die man bisher aus den asiatischen Spracheu mühsam hervorgesucht
hat, scheinen uicht viel Gewicht zu hahen.
D ’O rb ig n y nimmt unter deu Völkern vou America verschiedene Kassen an,
und wenn auch eiue so weit und manuichfaltig ausgedehnte Bevölkerung nach ihren
specielleu Characterzügen, allerdings ia verschiedene besser übersichtliche üiiterab-
theilungen gebracht werden muss, so hat eine solche Eintlieiliing dennoch grosse
Schwierigkeiten, iiiicl bleibt der Willkühr sehr unterworfen.
Könnte mau Repräsentanten aller jener Völkerschaften neben einander stellen,
so würde hier allerdings eiue Classification weniger Schwierigkeit darbieteu; allein
weite Entfenmngeii trennen zum Theil verwandte Stämme und das Gedächtniss reicht
bei dergleichen genaueren Vergleichungen selten hin. Ueber D ’O r b ig n y ’s Ver-
inuthuiig, dass die Nord-Ämericaiicr eine von den Süd-Auiericaiiern verschiedene
■Rasse in dem americanischen Meuscheiistamme bilden, kanu ich nicht entscheiden,
indem ich nur einen kleinen Theil der süd-ainerlcanisclien Nationen kennen gelernt
habe.
Eiu Punct, der mir bedeutende Wahrscheinlichkeit zu haben scheint, ist die
Einwanderung der alten Mexicaner aus den mehr nördlichen Theilen des Continents
von America; denn hiefür scheinen mancherlei Beweise zu reden. Das von
B o tu r in i aufgefundene und von D e l a f i e ld mitgetheilte liieroglyphische Gemälde
über die W'anderung der später iu Mexico zu höherer Cultur empor gestiegenen
Völker ist in dieser Hinsicht ein höchst iiiteressanles Actenstück. Noch jetzt zcigen
die Zeichnungen der gegenwärtigen Indianer von Nord-America mit jenen alt
mexicanischen mancherlei Aehnlichkeiten, ob sie gleich weit roher, unausgebildeter
und mehr kindisch zu nennen sind. Auch dort wurden die Fusstritte abgebildef,
wenn von einer fortschreitenden Bewegung der Figuren die Rede ist, und andere
üebereiustimmungen habe ich schon früher angegeben. An verschiedenen Stellen
meines Reiseberichtes habe ich auf jene Uebereiiistimmungen und die muthmassüchen
Wanderungen der Americaner nach Süden hiuzuweiseu versucht. Die Schädel indessen,
die man am Wabasch aus den alten Grabhügeln hervor zo g , hatteu nicht
die Abplattung der Köpfe, welche D e l a f i e ld auf seiuer ersten Tafel abbildet, sondern
ihr Scheitel war abgerundet, wie ihu die Natur bildet.
Alle diese Muthmassuugen über die Abstammung uud Verwandtschaft der Völker,
müssen den sicheren Anzeigen über diesen Gegenstand nachstehen, die man.
aus der Verwandtschaft ihrer Sprachen zu folgern herecbügi ist, und durch die
genauere Keantniss derselben, darf man wohl am ersten hoffen, Fortschritte in diesem
weilen dunklen Felde zu macheu.
Es siud nun schou mehre der nord-americauischeu Mundarten deu Sprachforschern
ziemlich genau bekannt, uud man hat vou dem grösseren Theile der übrigen
wenigstens Wortverzeichnisse, welche eine oberflächliche Classification derselben
nach ihrer Verwandtschaft gestatten. Ausgezeichnete americanische Sprachforscher,
die Herren D u p o n c e a u , P i c k e r iu g , E d w iu J am e s , G a lla tin und
mehre andere, hatten Materialien aller Art aufgehäuft; man besass aber uoch kein
umfassendes Werk über diesen Gegenstand. Diese Lücke ist nun zum Theil durch
Herrn A lb e r t G a lla t in ausgefüllt worden, dessen gelehrtes Werk*) sich in den
Händen des Publikums befindet. Da gegenwärtig die Aufmerksamkeit der Reiseu-
deu immer mehr auf diesen so höchst interessanten Gegenstand hingeleukt wird, so
dürften sich jene Materialien bald bedeutend mehren, und den americaniscben Gelehrten
Siehe Archaeologia Americann Vol. I I . Cambridge 1 8 3 6 . In diesem Bande befinilef sich H errn G a l l a -
t i u s Synopsis o f the Indian Tribes within the Vnited Slates east o f ihe Ro ck y-Mo u n ta in s.
P r . Maximilian v. W . ß e is e d. N.-A, 2. Bd. 5 8