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zog sie hinauf. Oben auf der Anhöhe bei einigen Gebäuden angekommen, hängt
man die aneinander befestigte Wagenreihe, an deren Eude sich die grossen verschlossenen
Packwagen mit dem Gepäcke der Reisenden befinden, an die auf Rädern
befindliche Dampfmaschine an, und die Colonne beginnt sich anfänglich langsam,
bald aber mit stets zunehmender Schnelligkeit zu bewegen, sobald der Dampf seine
ganze Stärke erlangt hat. Man legt auf diese Art die Entfernung vou 1 6 Meilen
his Albany iu etwa einer Stunde zurück.
Die Gegend ist sandig, enthält aber schöne jetzt blühende Pfiauzen. Zuerst
zeigte sich Kiefernwald der Pitch Pine (P in us r ig id a ), hier und da mit einem Unterholze
vou Scniboak (Quercus n ig ra ), dann ganze Bestände der White Pine
(Piiius strobus) mit einem ünterholze von Birken, endlich eine gänzlich mit niederen
Kiefern bewachsene Gegend. Unter den Pflanzen bemerkte ich hier iu Menge
eine schöne feuerfarbige Lilie (foliis verticillatis), ein Epilobium, dem europäischen
augustifolium höchst ähnlich, uud andere, die ich bei der Schnelligkeit der Bewegung
uicht sicher erkennen konnte. Noch frühe am Nachmittage erreichten wir die
ausehuliche Stadt Albany, von 2 6 ,0 0 0 S eelen, die Hauptstadt und deu Sitz des
Gouverneurs des Staates New-York, mit vieleu schönen Gebäuden, zum Theil brel-
teu Strassen, am Ufer des scbönea uud bedeuteudeu Flusses Hudson. Ich will hier
nicht wiederholen, was mau iu eiuem jeden americanischen Handbuche für Reisende
finden kann, so viel nur, dass heute gerade wieder der Day of Independence, einer
der grössteu Festtage von America, gefeiert wurde, und welches auch für mich
interessant war, weil ich au diesem Tage (dem 4. Juli) vor zwei Jahreu den Fuss
au die americanische Küste setzte. Man hörte Schüsse fallen und hier und da
wurden in den Strassen Kauoneuschläge und Schwärmer abgebraunt, eine Menge
vou Menscheu wogte durch die ungewöhnlich belebten Strassen. Eine Empfehlung
des Herrn Dr. P i t c h e r , meines Reisegefährten auf dem Erie-Canale, verschaffte
mir die interessante Bekanntschaft des Dr. E d w in J a m e s , Verfassers der Reisebeschreibung
vou Major L o n g ’s Expedition nach den Rocky-Mountains, der als
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Botaniker und Geologe in der litterarischen WeU bekannt ist. Ich faud in ihm einen
sehr liebenswürdigen, bescheidenen Mann, und brachte den Abend sehr angenehm
mit seiner Familie hin. Gegenwärtig beschäftigte er sich mit den indianischen
Sprachen, besonders mit dem Ojibuä, hei welchem Volke er sich lange aufgehalten
hatte. Er hatte die Güte mir die Stadt zu zeigen, welche in ihrer Mitte eiueu vorzüglichen
Platz enthält, au welchem die ansehnlichen öffentlichen Gebäude stehen.
Hier ist an sanfter Höhe das Capitol erbaut, welches 1 2 0 ,0 0 0 Dollars kostete.
E s Ist 1 1 5 Fuss lang, 9 0 Fuss breit und 6 0 Fuss hocb, und au der östlichen
Front durch 4 ionische Säulen geziert. Ausser diesen Gebäuden stehen an dem
genannten Platze, welcher den Namen des Public-Square trägt, die Akademie,
die 9 2 ,0 0 0 Dollars kostete, und die City-Hall, in weissem Marmor aufgeführt.
Der Platz selbst ist mit eingehägten grünen Rasenstücken parkartig angelegt, von
breiten Gängen durchschnitten uud gereicht der Stadt zur Zierde.
Das Dampfschiff Albany war um 8 Uhr Morgens am 5. Juli bereit zur Abfahrt
nach N ew -Y o rk , und wir schifften uns auf demselben ein. Der Hudson oder
North-River* ) ist schon hier ein schöner ansehnlicher Fluss mit malerischen Ufern,
uinunt aber bald au Stärke bedeutend zu und seine Beschiffung ist unstreitig die
angenehmste B eise, die ich in America gemacht habe. Man legi dieseu W eg von
1 4 4 Meilen (zu Land 1 6 0 Meilen) bequem in eiuem Tage zurück. Im Winter,
sobald der Fluss mit Eis geht, hört die Dampfschiflffahrt auf; dagegen ist sie iu dem
ganzen übrigen Theile des Jahres sehr lebhaft. Die Hudson-Dampfschiffe sind zum
Theil sehr gross, dabei fallen hier keiue üuglücksfälle vor, wie auf dem Missisippi
uud Ohio, da man nur Maschinen mit niederem Drucke anwendet. Gewöhnlich machen
sie die Fahrt in 1 2 bis 1 4 Stunden.
Unser Albany war ein grosses Schiff von der Stärke einer Fregatte, mit drei
* ) Bek aantlich cnCapriDgC d e r Hudson » 5 0 Meilen von X ew -V o rk in n ö rd lich er Richtung. E r e rh ie lt den
Namen nach seinem En td e ck e r, d e r ih n am i . Se rtem h er 1 609 faud. E r e n tsp rin g t in e in e r gebirgigen
Gegend an den Grknxen von Canada.