solle. Yansitta erhielt sie zuerst und trug sie sorgsam bei sich.
Gegen Abend aber, wo er sich in der Dämmerung ungesehen
glauhte, konnte er seine Neugierde nicht länger bezähmen und
gerade um nur ein paar Wörtchen mit dem Fräulein zu reden,
öffnete er ein ganz klein wenig den Deckel und blickte hinein.
Aber zugleich drang auch ein säuselnder Zephyr ins Innere und
das leichte Dämchen blies auf, so dass sie aus der Dose emporzuquellen
anfing. Yansitta hatte ziemliche Noth, sie sorgsam
wieder hineinzuschieben, ohne ihr ein Leids zu thun, klappte
den Deckel wieder zu und übergab rasch die Dose seinem Nachfolger,
froh, von der Verantwortung los zu sein. Aber er hatte
sich verrechnet. Ehe der andere Leibwächter sein Amt antrat,
wurde die Dose aufs Neue gewogen, und da sie ein Blättchen
mehr als eine Jasminblume wog, so gab der erzürnte König Befehl,
Yansitta zu tödten. Da dieser zu den unverwundbaren
Luzunggaun gehörte, so konnte es nur mit des Königs fliegendem
Speer (hlan bian oder hlan dsakya) Ayendama geschehen und
derselbe wurde den Henkern zu solchem Zwecke übergeben.
Statt aber Yansitta’s Brust zu durchbohren, zerschnitt der Speer
nur die Bande, mit denen er gefesselt war. Der sich frei
fühlende Wundermann sprang auf in die Luft, den an den Ketten
hängenden Speer mit sich führend, und griff auch noch rasch die
Prinzessin in ihrer Dose auf, die man dorthin gestellt, damit sie
Zeugin seiner Strafe sei. So wohl zufrieden, setzte er mit dem
Zauberspeer und der Prinzessin seine Reise durch die Luft fort
und kam in das Land der Kala, wo er, durch langes Fliegen
ermüdet, ein Schläfchen zu machen gedachte und auch bei der
Prinzessin keinen Einspruch fand. Die neugierigen Kalas aber
hatten die Ankunft eines so sonderbaren Reisenden bemerkt und
wünschten Näheres über ihn zu erfahren. Vier ihrer Spione umschlichen
den Baum, unter dem das Pärchen ruhte, den günstigen
Moment zu Raub und Mord erspähend. Doch dieweil der Ritter
schlummerte:
,E s wacht sein Schild, sein Speer, sein Schwert“ und dei
aufmerksame Speer fiel dreimal mit grossem Getöse nieder, um
seinen Herrn zu wecken. Yansitta sprang auf und warf den
Speer, der sogleich nicht nur die vier Banditen, sondern alle die
Kalas, die in den verschiedenen Theilen des Waldes umherstanden,
in einer Tour durchbohrte. Indess wünschte Yansitta
nicht, in einem so ungastlichen Lande zu verweilen, er bestieg
wieder sein Luftross , bis er in den Dörfern der Youngbiah ankam.
Er vermiethete sich dort den Priestern eines Tempels und
arbeitete zusammen mit den Pagode - Sklaven. Für ihn war
nichts zu schwer oder zu lang. Ganze Wälder hatte er im Nu
umgehauen, ein Haus im Handumdrehen gebaut und doch sahen
ihn die Priester nie anders als essend oder schlafend, so dass sie
nicht begriffen, wo er Zeit für Alles das fand. Eines Tages aber,
als er im Walde jagte, hörte er einen Vogel zwitschern, der von
des Königs Tode sprach. Auf diese Nachricht kehrte er sofort
nach Pagan zurück, setzte Namananda, den einäugigen Nachfolger
Noatasa’s , ab und sich selbst auf den Thron, den er mit der ihm
treu gebliebenen Prinzessin theilte. Den Pungyi’s aber hatte
er ein Andenken seines Aufenthalts bei ihnen hinterlassen. Als
einst der Abt sich beklagte, dass ihre Lemonenbäume immer
nur saure Früchte trügen, ritzte er dieselben mit seinem zauberischen
Speer und seitdem sind sie von der prächtigsten Zucker-
süsse.A
ls Yansitta den Thron bestiegen, entstand Eifersucht unter
den übrigen Helden, und besonders Noataya zettelte Intriguen
a n , um sich selbst an seine Stelle zu setzen. Als der König
diese Verschwörungen entdeckte, liess er Noataya viertheilen
und die Stücke seines Körpers an den vier Enden der Stadt
begraben. Nabonleppae, der Bruder des Getödteten, eilte nach
Tagoung und kehrte von dort mit starker Truppenmacht zurück,
Pagan zu belagern. Trotz aller seiner Anstrengungen konnte er
aber keine Fortschritte machen und die Wittwe seines Bruders
theilte ihm mit, dass Alles vergebens sein würde, so lange ihr
todter Gemahl die Mauern bewache. Die Reste des Gerippes
wurden ausgegraben und die Stadt fiel dann ohne Widerstand.
Nachdem durch Ermordung Yansitta’s seine Rache gesättigt war,
kehrte Nabonleppae nach Tagoung zurück und Alaunsidu, der
König von Minsaingmyo, bestieg den Thron Pagans.