Die Geschichte Ayuthia’s.
Während die Siamesen selbst zugeben, dass in der Phong-
savadan Myang Nya Dichtung und Wahrheit gemischt sind, und
sie dieselbe nur als eine vorzeitliche Mythengeschichte betrachten,
sind sie dagegen stolz auf ihre neuere Geschichte, die im Besonderen
die Chroniken der Stadt Ayuthia genannt werden, und
deren Chronologie nur selten Schwierigkeiten bietet. Bei meinen
Besuchen des königlichen Archivs im Palaste zu Bangkok habe
ich die dicken Bände, die sie zusammensetzen, oft in den Händen
gehabt und durch die Zuvorkommenheit des Bibliothekars manchmal
einzelne derselben entlehnt und mit mir nehmen können.
Es würde mir leicht gewesen sein, eine vollständige Uehersetzung
derselben anzufertigen, und fehlte dazu nur die Zeit. Mein
ganzer Aufenthalt in Siam beschränkte sich auf etwa zehn Monate
und da mir, ausser der Erlernung der Sprache selbst, in diesem
kurzen Termin vor allen bis jetzt unbekannte Werke des religiösen
Faches zur Bearbeitung Vorlagen, so habe ich den Capiteln
der modernen Geschichte, aus denen das Wesentliche und besonders
schon das Interessantere durch Bischof Pallegoix mitge-
theilt ist, nur dann und wann einen kurzen Durchblick widmen
können. Indess hatte ich Gelegenheit, mich nicht allein zu überzeugen
, dass der bei Pallegoix gegebene Abriss, der sich auch
bei Bowring wiederholt findet, im Allgemeinen richtig ist, sondern
auch demselben in besonderen Punkten erläuternde und ergänzende
Zusätze beizufügen, abgesehen von den collateralen Bestätigungen,
die sich aus der nebenherlaufenden Geschichte der
Nebenländer ergeben. Für die augenblicklichen Tagesereignisse
würden sich mitunter interessante Mittheilungen aus demNongsü
Kaxakitcha entnehmen lassen, ein der Hofzeitung in Peking nachgeahmtes
Blatt, das in unregelmässigen Zwischenräumen im
Palaste ausgegeben und unter den Vornehmen vertheilt wird.
Der König benutzt es als halb officielles Organ, schreibt aber die
Leitartikel meist mit höchst eigener Hand. Aus der Phongsä-
vadan Myang Nya (die Geschichte der nördlichen Städte) sind
einzelne Auszüge durch den Missionär Jones gemacht worden.
Nach Gründung Ayuthia’s wurde Uthong von denBrahmanen
mit dem Titel Phra Ramathibodi gekrönt im Jahr 711 der Chun-
losakkharat (1350 p. d.) Bald nach seiner Thronbesteigung
muss er das den Laos damals beliebte Waffenhandwerk wieder
aufgenommen haben, um seine neue Hauptstadt durch die aus
den Tempeln und Palästen Kambodia’s fortgeführten Kostbarkeiten
zu schmücken; denn die kambodische Geschichte, aus der
ich mit Hülfe des königlichen Archivars in Udong einen kurzen
Auszug anfertigte, setzt den ersten Einfall Ramathibodi’s , zur
Zeit als König Borommalompongraxea in Nakhon Vat herrschte,
in das Jahr 1274 der Mahasakkharat (1353 p. d.). Er kehrte ein
zweites Mal im Jahre 1278, unter König Chao Kambong, zurück
und führte dann den grössten Theil der Bevölkerung als Kriegsgefangene
mit sich fort, um sie in Siam anzusiedeln. Er schickte
eine Gesandtschaft nach China, die dort aber erst unter seinem
Nachfolger ankam (1369 p. d.) und den kaiserlichen Almanach
zurückbrachte, ein nothwendiges Requisit für den Stifter einer
neuen Dynastie, um den Kalender seines Reiches zu ordnen. Sein
Sohn Ramesuen wurde zum Gouverneur der Provinz Lophburi
bestellt. Unter den ihm unterworfenen Ländern werden Malaka,
Xava, Tenasserim (Tanaosi), Ligor (Nakhon Sri Thammarat),
Tavoy (Thavay), Martaban (Motama), Molmein (Molamlong),
Songkhla, Chanthabun, Phitsanulok, Sukhothay, Phixai, Savan-
khalok, Phichit, Kamphengphet aufgezählt. Die letzten Namen
gehören meistens noch jetzt existirenden Städten im eigentlichen
Siam an, die zum Theil schon aus der Geschichte der nördlichen
Länder bekannt sind. Martaban wurde damals von einer Dynastie
von Königen beherrscht, die sich eine Zeit lang die Bestätigung