Astrologen, der Feind war soeben geboren. Sogleich erging der
Befehl, alle Säuglinge*) im Lande zu tödten, und diesmal würde
auch Yansitta, wie der Knabe der Prinzessin genannt war, nicht
entkommen sein, wenn ihn nicht der Drachenkönig mit sich in sein
unterirdisches Eeich, um ihn vor Leid zu hüten, genommen hätte.
Der König glaubte sich jetzt beruhigt und athmete. auf. Der
Astrologe sah nichts in den Sternen, da diese die Unterwelt der
Drachen nicht hescheinen. Indess Yansitta wuchs heran und er
trat in die Jahre, wo ihm das Licht der Religion nicht mehr vorenthalten
werden durfte. Die Schlangendrachen, die von jeher
sehr fromme Buddhisten gewesen sind, fürchteten eine Sünde zu
begehen, wenn sie ihn länger bei sich behielten, und er wurde
in die Oberwelt entlassen, wo er sich bei einem Hirten verdingte
und in freien Stunden den Lehren eines alten Mönchs zu lauschen
pflegte. Wie entsetzte sich der Astrologe, als er plötzlich eines
Morgens den längst vergessenen Feind aufs Neue aus den Sternen
hervortreten sah, in der Gestalt eines Kuhjungen. Wie erschrack
auch der König! Und schnell war der Befehl gegeben, alle
Jungen, die Kühe hüteten oder dahinter herliefen, sogleich und
auf der Stelle zu tödten. Glücklicherweise war der Naga in der
Nähe, der seinen Sprössling unsichtbar machte, so dass die
Henkersknechte vorbeigingen, ohne ihn zu sehen. Yansitta trat
dann in das Kloster ein und liess sich weihen. Der Astrologe sah
ihn wieder, er sah ihn als Priester. Jetzt war guter Rath theuer.
Das gelbe Gewand schützte selbst den Feind des Vaterlands
gegen jede Nachstellung des Königs. Dieser aber wünschte
wenigstens den kennen zu lernen, der ihm so gefährlich schien.
Er veranstaltete also ein grosses Fest, zu dem er alle Priester
des Landes einlud, und als er umherging, seine Gaben aus-:
zutheilen, erkannte er den Gesuchten an dem goldstrahlenden
*) Pinto e rz ä h lt, dass der gee Qregantor in dem Königreiche Savadi durch
einen die Stadt mit 30,000 Priestern zerstörenden Feuerregen gebildet worden,
als der König durch sein Gehet zu Qniay Guator (dem Kriegsgotte) alle männ
liehen Kinder getödtet habe, worauf nur 85 Eremiten in der Einsiedelei des Quiay
Vogarem (des hülfreichen Gottes) übrig geblieben seien, um an die 85,000 Knaben
zu erinnern.
Lichte, das aus seinem Munde hervorglänzte. Der Gegenstand
so vieler Sorgen war sehr verwundert, dieselben jemals erweckt
zu haben, und bat, die Prophezeiung noch einmal genau zu prüfen.
Der Astrolog rechnete und rechnete und brachte schliesslich
heraus, dass Yansitta allerdings den Thron besteigen würde, aber
dass es damit noch 50 Jahre Zeit hätte und keine eigentlichen
Sorgen zu machen brauche, da der bejahrte König wahrscheinlich
in der Zwischenzeit sterben würde, j a dass es sich überhaupt erst
15 Jahre nach seinem Tode erfüllen würde. So muss es im
Grunde doch ein herzlich dummer Mathematiker gewesen sein,
dies so lange zu verschweigen-, aber der König war auch jetzt
noch froh, seine Qualen los zu sein, liess Yansitta in allen ritterlichen
Künsten ausbilden und erzog sich in ihm den kühnsten
seiner Ritter. Er diente ihm stets treu und redlich, wie es einem
guten Soldaten geziemt, nur als er zum Hüter der reizenden
Prinzessin von Thatung bestellt wurde, trug seine Galanterie
Uber seine Loyalität den Sieg davon. Die Erzählung seiner
Abenteuer füllt Bände im Birmanischen.
Wie gewöhnlich sind in diesem Sagenkreis verschiedene
Königsgestalten der Geschichte zusammengeworfen, die des Einführers
des Buddhismus, des Eroberers Thatungs, des Siegers über
die Chinesen und des letzten Königs von Pagan, unter dem die
Hauptstadt von den Chinesen zerstört wurde. Es ist eine Maxime
der Geschichtschreiber Hinterindiens, die Zeit, wo ein Land in
Abhängigkeit fällt, mit den extravagantesten Erfindungen auszufüllen,
um zur nächsten Periode der Selbstständigkeit hinüberzuführen.
Nach der Eroberung Thatungs übergab König Noatasa die
Prinzessin Thatungdau seinen vier Helden zur Bewachung, damit
sie unbeschädigt nach Pagan gebracht würde, wo die Vermählung
Statt finden sollte. Da sie so fein und zart war, so hielt man es
für das sicherste, sie in ein Kyot (eine hölzerne Nadeldose) zu
stecken, damit die rauhen Hände der Kriegsmänner sie nicht
verletzen würden. Die Dose wurde genau gewogen (sie wog
gerade eine Jasmin-Blume) und dann ausgemacht, dass jeder der
Ritter sie abwechselnd für einen Tag unter seiner Obhut haben