II. Chrysochloridae.
Wir geben zunächst eine Zusammenstellung der die Chrysochloridae kennzeichnenden
Eigenschaften mit Angabe über das Auftreten dieser Eigenschaften bei anderen Insectivoren,
resp. Säugetieren:
1) Anzahl der verschiedenen Zahnarten, ihre \
Größenverhältnisse sowie Form und Bil- 1 = Centetidae und Solenodontidae.
dungsart der Molaren (pag. 57)1 J
2) P4 ist molariform ' Centetidae, Solenodontidae, Leptictidae.
3) Zahnwechsel findet beim erwachsenen Tiere ) 1 1 1 1' «
Mehrzahl der statt Centetidae, Urotnchus.
4) Beschaffenheit d « Jochbogens (pag. 61)' 1 abweichend ;#pn den änderen Insectivnven;
J stimmt am meisten mit Echidna überein.
5) Bau der Bulla tympanica (pag. 73)1
6) Beschaffenheit des Malleus und Incus
\ T.. I t» , • abweichend von den anderen Insectivoren.
7; JLange der Brustregion im Verhältnis zur
Lendenregion
8) Canalis alisphenoideus fehlt; kommt bei Centetidae und Solenodontidae vor.
9) Beschaffenheit des Handskeletts (pag. 84)
abweichend von den anderen Insectivoren;
schließt sich zunächst dem Verhalten bei
Notoryctes an.
10) Kleinheit des Foramen obturatum pel vis
11) Vorkommen eines „dritten Unterarmknochens
(pag. 85)1
12) Zehen mit nur zwei Phalangen abweichend von den anderen Insectivoren.
13) Verbindung des Muse, digastricus mit dem 1
Zungenbein . j j Myogale.
14) Verhalten des Muse, rectus abdöminis ) . . .
(pag 92)1 I ak) weichend von allen anderen Säugern.
15) Ursprung des Muse, gracilis vom Muse. 1 ~ ^ ,
obliquuéàbdominis externus ) = Centetmae- Bradypod.dae, Ornithorhynchus.
16) Verhalten des Muse, semitendinosus (pag. Ì ^ ~
L==f lalpmae, Crocidura.
17) Muse, obturator internus fehlt; abweichend von den anderen Insectivoren.
18) Verbindung des Muse, tibialis anticus und ) .
vastus medialis J kommt sonst nur bei Ornithorhynchus vor.
1 Hinweis auf die nähere Darlegung im .vorigen.
^ 100)1 ' ' ^ r^Z° r^CteSj Ornithorhynchus.
20) Insertion des Muse, extensor digitorum | ,,
HcoimiimiRuRnRis flfoiHngHusff (i pag. y1 00, rTT'e xt.frigf.i LvXvXwX),1 j} von allen anderen Säug&ern abweichend,
21) Muse, extensor brevis digil orum (pag. 100)1 von den anderen Insectivoren abweichend.
22) Allgemeine Konfiguration des Gehirns 1 von anderen Säugern abweichend; ähnelt
(pag. iozj.—-106)1 J.dem Notoryctes-Gehirn.
23) Vorhandensein einer Kloake Centetidae, einige Soricidae.
24) Beschaffenheit des Penis von den anderen Insectivoren abweichend.
25) Lage der Hoden Centetidae (Macroscelididae);
Aus dieser Übersicht, in welcher mehrere spezielle, von der Grabefunktion unmittelbar
hervorgerufene Modifikationen nicht berücksichtigt sind, geht zunächst hervor, daß
die Chrysochloridae sich mehr von den übrigen Insectivoren unterscheiden als diese unter
sich. E in ig e d e r d ie s e r F am iU d jje ig e n tüm lic h e n C h a r a k t e r e , so vor allem die
Beschaffenheit des Jochbogens, das Verhalten des Muse, rectus abdöminis und des Muse, tibialis
anticus, sowie wohl auch die Länge der Brustregion w e i s e n d e n C h r y s o c h l o r id a e
e n t s c h ie d e n e in e u r s p r ü n g l ic h e r e , t i e f e r e SteUlíung a ls d en ü b r i g e n I n s
e c t iv o r e n an, in d em d ie s e E ig e n s c h a f t e n B e z i e h u n g e n zu S a u r i e r n u n d
M ono trem en o f fen b a r e n . Auch in ihren speziellen Differenzierungen (Beschaffenheit
der Bulla tympanica, des Malleus und Incus, der Zehen Und der Extensoren der hinteren
Extremität, Fehlen des Muse, obturator internus, Vorkommen eines „dritten Unterschenkelknochens
, Beschaffenheit des Penis) weicht diese Familie von den übrigen Insectivoren
ab, wobei wir hier ganz von den eigenartigen Anpassungen absehen, welche mit Befunden
bei Notoryctes und Necrolestes Ähnlichkeit haben und später im Zusammenhänge behandelt
werden sollen.
Mit voller Evidenz geht ferner aus obiger Zusammenstellung hervor, daß von
allen lebenden Insectivoren die Chrysochloridae noch die größte Übereinstimmung mit
den Centetidae darbieten. Die oben in Mom. i,2 2, 3, 15, 19, 23 und 25 sind eigenartige
und morphologisch bedeutsame Charaktere, welche entweder gar nicht oder wenigstens nicht
zusammen bei anderen Insectivoren als bei den Centetidae und Chrysochloridae zu finden
sind. Außerdem ist zu bemerken, daß auch in einigen anderen Punkten (Anzahl der Brust-
Lendenwirbel, Nichtdurchflechtung der Mm. recti abdöminis, Verhalten der Mm. glutaeus
magnus und femorococcygeus) diese beiden Familien einander näher als anderen Insectivoren
stehen. Schließlich ist zu betonen: S äm t l i c h e d ie s e d en C e n t e t id a e u n d
C h r y s o c h lo r id a e g em e in s am e n E ig e n s c h a f t e n s in d von m eh r o d e r w e n ig e r
p r im i t iv e r A r t , also Merkmale, welche den älteren, ursprünglicheren Säugetierformen
eigen sind oder waren. Dagegen haben beide Familien von besonders s p e z i e l l e n An-
1 Hinweis au f die nähere Darlegung im vorigen.
8 Daß das Chrysochloris-Gebiß teilweise s tärker abgeändert is t als dasjenige der Centetidae (Kronenreduktion,
Hypsodontie) widerspricht natürlich nicht der hier vertretenen Auffassung. Daß die vorliegende Backenzahnform als auch bèi
Beuteltieren vorkommend, nicht a l l e i n unmittelbare Verwandtschaft beweist, habe ich schon oben (pag. 60) hervorgehoben.