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Um-
v a n d l u n g e n
d e s P2.
3) Der obere Eckzahn hat sich innerhalb dieser Familie mehrere Male und jedenfalls
selbständig bei den fraglichen Arten (Ericulus, Oryzorictes, Centetes) zu der typischen Form
ausgebildet:
a) Innerhalb der Grenzen der Art E r i c u lu s s e to su s macht er einen Differenzierungsprozeß
von einer prämolarartigen, zweiwurzeligen zu einer typischen Eckzahnform durch,
vollständig dem Vorgänge entsprechend, den ich früher bei E r in a c e u s e u ro p a e u s nachgewiesen
habe1. Zu bemerken ist, daß er beim letzteren nicht ganz dieselbe Ausbildungshöhe
zu erreichen scheint als hier. Im übrigen sei auf die ausführliche Beschreibung im
vorigen Kapitel (pag. 12) und die dort mitgeteilten Textfiguren XX— XXIII verwiesen. Auf
den ersten Blick mag es befremdend erscheinen, daß auch der Eckzahn des Milchgebisses
einer, wenn auch nicht so weitgehenden Modernisierung unterworfen ist wie C. Dieser Vorgang
ist jedenfalls durch den Umstand bedingt, daß Cd ebenso wie die übrigen Milchzähne
erst ausfallen, wenn das Tier bereits erwachsen ist. Es steht somit Cd unter annähernd
denselben Einflüssen wie C, und es ist somit a priori zu erwarten, daß er in annähernd derselben
Weise sich ausbilden muß wie dieser. Die dem C parallele Differenzierung, welche Cd
erfährt, widerspricht somit nicht der Auffassung von dem größeren Konversatismus der
Milchzähne. Außerdem ist in diesem Zusammenhänge zu berücksichtigen, sowohl daß C nie
ganz so prämolarenartig wie Cd ist, als auch daß letzterer, wie erwähnt, nie den Eckzahntypus
so ausgebildet zeigt wie C. Cd weicht also, wie zu erwarten, bei aller Modernisierung
weniger vom Ausgangstypus ab als C .
b) Bei O r y z o r ic t e s t e t r a d a c ty lu s existiert kein eigentliches Prämolarstadium
mehr; doch erinnert noch die bei der Mehrzahl der Individuen vorkommende Beschaffenheit
des Zahnes durch geringere Kronenhöhe und stärkere Ausbildung der hinteren Basalspitze
an die indifferentere Form bei Microgale, während bei anderen Oryzorictes-Individuen fast
reine Eckzahnform erreicht ist.
c) Bei C e n te te s endlich ist die typische Eckzahnform befestigt; nur im Milchgebiß
verrät sich, wie wir gesehen, die Herkunft von einem Prämolarenstadium.
d) Innerhalb des Formenkreises der Art M ic r o g a le d o b so n i schwankt die Gestalt
des C zwischen einem prämolarartigen Stadium, das mit dem bei den kleineren Microgale-
Arten übereinstimmt, und einer Form, welche sich dem typischen Eckzahnstadium nähert,
ohne es jedoch zu erreichen (vergleiche oben pag. 11 und Textfig. XII— XV).
Auch der u n te r e Eckzahn bietet bei Ericulus, Oryzorictes und Centetes im wesentlichen
ein dem oberen entsprechendes Verhalten dar.
Indem ich für Einzelheiten auf die Darstellung im vorigen Kapitel verweise, möchte
ich hier nur betonen, daß auch der auf C, folgende Zahn, der P2, in entsprechenderWeise
individuell variieren kann. So haben wir gefunden, daß P2 bei M ic r o g a le d o b so n i alle
Übergänge zeigt von einem Stadium, das mit dem P2 bei M. lo n g i c a u d a t a und p u s il la
übereinstimmt, mit vollkommen ausgebildeter vorderer Basalspitze, bis zu einem solchen,
wo diese Basalspitze ganz verschwunden, der Zahn viel schlanker geworden ist. Daß das
erstgenannte Stadium das ursprüngliche ist, kann nach dem oben Ausgeführten keinem
Zweifel unterliegen. In ähnlicher Weise verhält sich P2 auch bei O r y z o r ic te s .
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Von ganz besonderem Interesse ist eine vergleichende Untersuchung der
Molaren.
Zunächst sei daran erinnert, daß bei den Insectivoren zwei verschiedene Molartypen
Vorkommen, nämlich der eine (E r in a c e id a e , T a lp id a e , S o r ic id a e ) , welcher durch ein
mehr oder weniger ausgeprägtes W-Muster („quadrbquinque-tuberkular“), der andere (Cen-
te t id a e , S o le n o d o n t id a e , C h r y s o c h lo r id a e ) durch eine V-Figur („trituberkular“,
„trigonodont“) der oberen Molaren gekennzeichnet Ist.
In welchen Beziehungen stehen diese beiden Typen zueinander? Ist die trituberkulare
die ursprüngliche Form oder durch Rückbildung von der ersteren abgeleitet? Das sind
Fragen, welche schon verschiedentlich aufgeworfen worden und in verschiedenem Sinne beantwortet
sind. Eine Beantwortung derselben ist schon deshalb von ganz besonderem und
allgemeinem Interesse, als bekanntlich von der Mehrzahl der Morphologen die hier behandelten
Inseetivora als diejenigen unter allen jetzt lebenden Säugern, welche sich durch
ihre trituberkulare Molarform am meisten den ältesten bekannten, den jurassischen Säugetieren
anschließen, aufgefaßt werden.
Um die Beantwortung der oben gestellten Fragen vorzubereiten, müssen wir von
einigen Überlegungen allgemeinerer Natur ausgehen.
Zunächst können wir feststellen: ein v o l ls t ä n d ig h om o d o n t e f 'Z a h n s y s t em , Diff
d. h. e in e Z a h n r e ih e , in d er alle Z ä h n e g le i c h g r o ß und g le i c h g e fo rm t s in d , ru
. . Z a h l
g ib t es w e n ig s te n s u n te r den S ä u g e t ie r e n n ich t und k an n es n ie g e g e b e n
h a b e n 1. An den verschiedenen Punkten des Kiefers stehen nämlich die Zähne von ihrem AlI g
ersten Entstehen an unter mechanischen Bedingungen, welche nicht völlig gleichartig sind.
Diese verschiedenen Bedingungen müssen eine verschiedene Zahnform, verschieden nach
dem verschiedenen Platze im Kiefer, hervorrufen. Also: d e r P la t z im K ie f e r b e d in g t
die Z ahn fo rm.
Das Greifen und Festhalten der Nahrung bildet die ursprünglichste und physiologisch
einfachste Aufgabe des Zahnsystems und zugleich den ersten Akt im Ernährungsprozesse.
Zahlreiche niedere Wirbeltiere können als Belege angeführt werden.
Aber selbst bei diesen und selbst bei dem haplodonten oder nahezu haplodonten
Greifgebiß herrscht, wenn wir von sehr kurzen oder rückgebildeten Zahnreihen absehen,
keine a b s o lu te Gleichartigkeit. Findet diese Heterodontie bei den Amphibien wohl nur in
einem geringfügigen Größenunterschied ihren Ausdruck, so kann im haplodonten Gebisse
der Reptilien die Kronen fo rm eine verschiedene werden, der Zahn kann verschiedene
Krümmung aufweisen etc., ohne daß demselben andere Aufgaben als Greifen und Festhalten
zukommen;-so bei mehreren Eidechsen und Schlangen. Für a lle bisher bekannten Säuger
kann bewiesen werden, daß haplodonte und annähernd gleichgroße Zähne nur bei qualitativer
Rückbildung des Zahnsystems Vorkommen.
Tritt zu der Greiffunktion auch diejenige der Zerkleinerung der Nahrung (des
Quetschens oder Kauens), so werden infolge ihrer Lage die im vorderen Teile des Kiefers
stehenden Zähne der ursprünglichen Greiffunktion treu bleiben, während die hinteren, den
Näheres über diese F rag e findet sich in meinen älteren Arbeiten.