D i s h a rm o n i e
z w i s e h e n
Z a h n k r o n e
u n d W u r z e l .
der vordersten Schneidezähne|l|- die Zahnkronen zu langen, mehr oder weniger gleichartigen
Schneiden ausgezogen sind. Dies ist eine Anpassung an die abgeänderte Lebensweise dieser
Tierej an das Leben im Wasser, wie sie in analoger Weise bei dem Viverriden C y n o g a le
b e n n e t t i, der durch entsprechende Lebensart ebenfalls von seinen Verwandten ab weicht, auf -
tritt. Bemerkenswert ist, daß, während bei den fraglichen Insectivoren auch Schneide- und Eckzähne
von dieser Umwandlung betroffen werden1, sind diese Zähne bei Cynogale hiervon
unberührt geblieben. Dies beruht offenbar zunächst darauf, daß der fragliche Umbildungsprozeß
bei den Vorfahren der Limnogale und Potamogale das relativ indifferente und daher
mehr bildbare Material der Microgale - Schneide- und -Eckzähne vorfand, bei der
Stammform von Cynogale aber (Carnivora, resp. Creodonta) die bereits in einseitiger Weise
differenzierten Schneide- und Eckzähne keiner solchen Umwandlung mehr fähig waren, und
nur die mehr indifferent gebliebenen Prämolaren sich der neuen Funktion anzupassen vermochten.
Daß in der Tat das Zahnsystem nicht nur der weniger abgeänderten Limnogale;- sondern
auch das der Potamogale aus dem Microgale-Gebiß und zwar aus einem, das zunächst
mit dem der M. d o b so n i übereinstimmt, hervorgegangen ist, läßt sich leicht darlegen: die
Größenverhältnisse der einzelnen Zähne sind dieselben wie bei dieser, und besonders auffällig
ist, daß der für Limnogale und Potamogale so charakteristische Bau des I 2 eine unmittelbare
Umbildung des Befundes bei M. dobsoni ist, wie oben (pag. 20, Textfig. XLV)
des Näheren nachgewiesen ist.
Wie schon angedeutet, hat sich Limnogale wie in ihrer Gesamtorganisation 7so auch
in ihrem Gebiß am wenigsten von Microgale entfernt; sie ist weniger hoch differenziert
als Potamogale und dies gilt auch in Bezug auf die Backenzähne. Daß aber Potamogale keine
unmittelbare Weiterbildung der Limnogale sein kann, zeigt sich schon im Bau des I 2,
welcher Zahn sich bei diesen beiden Tieren in verschiedener Richtung aus. dem I2
bei Microgale differenziert hat, sowie aus C bei Potamogale, welcher aus dem bei Microgale,
aber nicht aus dem bei Limnogale hervorgegangen sein kann. Auch zoogeographische Gründe
(siehe unten) sprechen gegen eine Ableitung der Potamogale aus Limnogale. Schließlich
möchte ich betonen, daß vielleicht weder Limnogale noch Potamogale unmittelbar aus einer
Form wie die heutige Micr. dobsoni abzuleiten sein dürfte: es sind nämlich bèi dieser Art,
wie wir gesehen, P2 und P 3 etwas rückgebildet, während die Größenverhältnisse dieser Zähne
bei Limnogale und Potamogale sich mehr wie bei den kleineren Microgale-Arten gestalten.
Das Zahnsystem der Potamogale ist ein glänzender Beleg für die in der phylogenetischen
Forschung sehr wichtige Erfahrung, daß die Zahnwurzel sich nicht im
gleichen Tempo und Maße umwandelt wie die Krone.2 Wie aus Fig. 24 ersichtlich, hat Id 2
nur e in e vollkommen einheitliche Wurzel, während die nur ganz wenig längere Krone des
Cd von zwei stark divergierenden Wurzeln getragen wird, und der v ie l k le in e r e Id 3 eine
stark gefurchte Wurzel hat! Also: die Kronen haben sich, wie oben des Näheren auseinandergesetzt
worden ist, verlängert, die Wurzeln aber haben nicht nachfolgen können, so
daß zur Zeit kein normales Verhältnis zwischen Krone und Wurzel besteht. Es liegt hier
1 Über die Molaren bei Potamogale siehe unten.
* Über diese F rag e siehe meine früheren Untersuchungen 93 und 02 pag. 46.
somit eine während der jüngsten Phasen der Stammesentwicklung aufgetretene Disharmonie
vor.
Bei O r y z o r i c t e s . (Fig. 11— 15) weicht das Zahnsystem von dem der ursprüng- O r y z o r i c t e s .
licheren Microgale-Arten erstens dadurch ab,, daß bei manchen Individuen ein fast typischer
Eckzahn auftritt. Ferner ist das Zahnsystem als Ganzes abgeschwächt; P 3 erscheint verlängert
und verschmälert, so daß die Basalspitzen rückgebildet sind und P 4 hat noch keine
vollständige Molarform angenommen; im Unterkiefer äußert sich dieser Vorgang in der
Verlängerung der Prämolaren und der Verschmälerung aller Backenzähne. Nichtsdestoweniger
offenbart sich der intime Anschluß dieser Gattung an die kleineren Microgale-
Arten durch die nähere Übereinstimmung der Befunde bei manchen Milchzähnen, welche
mit dem Verhalten bei letzteren nahe übereinstimmend ¡siehe hierüber im vorigen Kapitel
sowie unten.
Wenn auch keine einzelne Form nachgewiesen werden kann, welche im Gebiß den C e n t e t i n a e .
Übergang zwischen den beiden Unterfamilien Oryzorictinae und Centetinae vermittelt, so
bietet dennoch der allgemeine Eritwicklungstypus der Zähne intimere Beziehungen zwischen
den besagten Familien dar, als sie zwischen diesen und irgend einer anderen Tierform
existieren. Außerdem verrät, wie im Folgenden des Näheren nachgewiesen wird, das
Milchgebiß der Centetinae den genetischen Zusammenhang, indem dieses in mancher Beziehung
die Verschiedenheiten, durch welche das Ersatzgebiß sich von dem der Oryzorictinae
unterscheidet, überbrückt. Wie die Gesamtorganisation beweist auch das Zahnsystem,
daß die Centetinae die höhere Differenzierungsstufe innerhalb der Familie einnehmen.
C en t et es (Fig. 35— 38) bezeichnet, auch abgesehen von seiner Größe, in mancher c e n t e t e s .
Hinsicht den Höhepunkt der Entwicklung innerhalb der Familie. Der Eckzahn erreicht hier
fast vollkommen die Form, welche die Raubtiere auszeichnet; nur im Milchgebiß verrät er
seine niedere Abkunft. Im Zusammenhang mit dieser hohen Ausbildung des Eckzahns sind
— ganz wie bei Carnivora — die Schneidezähne verkleinert und mehr egalisiert als bei den
vorigen. Es ist hier somit ein vollkommen entsprechender Vorgang zu beobachten wie bei
Oryzorictes, wo ebenfalls ein fast typischer Eckzahn die Egalisierung der Schneidezähne bewirkt,
wenn auch bei letzterem die Umbildungen weder der einen noch der anderen Zahnart
so weit gediehen sind wie bei Centetes. Die Ursache des Ausfalls des I3 ist schon oben
(pag. 10) erörtert worden. Aus der Lage des vorderen Foramen mentale, welche beim
jungen und alten Tiere verschieden ist, kann wohl geschlossen werden, daß nur der v o r
P 2, resp. Pd 2 gelegene Kieferteil verlängert ist. Dieses Foramen liegt nämlich bei jungen
Individuen unter Pd2, bei erwachsenen weit vor P2. Durch eine ganz besondere Ausbildung
hat sich P3 auffallend von dem Verhalten bei Oryzorictinae entfernt; doch wird
der Zusammenhang mit diesen durch einzelne Individuen mit weniger abgeändertem P 3 sowie
bei allen durch den Pd 3 hergestellt (Textfig. XXXIV—XXXVI). Wie bei allen Centetinae
ist M 3 stärker rückgebildet als bei Oryzorictinae.
Nachdem Dobson (82) 'zuerst nachgewiesen, daß bei einigen besonders großen D a s
Individuen von Centetes ecaudatus ein M4 vorhanden ist, hat später Thomas (02) sehr Vorkommen
• . . — - ; 1 w J e i n e s M 4
interessante Angaben über diesen Punkt gemacht. Er hat nämlich gezeigt, daß das Vor- b e i C e n t e l e s ;
kommen eines M4 bei diesem Tiere ein durchaus normaler Zustand ist, aber daß der Zahn
erst auftritt, resp. durchbricht, wenn das Individuum ein hohes Alter erreicht hat, und daß
Zoologie». Heft 49. 5 ,