stützt den Schnabel dabei, kleine Insekten aus den Rindenritzen herauszuholen. Bei dieser
Zunge sind aber die vorwärts und seitlich gerichteten Borsten viel stärker entwickelt, als
die Widerhaken, die nur klein sind und in der hintern Hälfte der hornigen Zunge stehen.
Das Vorderende der Zunge wird durch die Borsten in einen bürstenartigen Pinsel verwandelt,
der zum Auflecken der Insekten dient. Bei Sphyrapicus findet ein ähnliches Überwiegen
der Borsten über die Widerhaken statt. Nach L u c a s (28 pag. 1012) besitzt Sphyrapicus
überhaupt keine Widerhaken und die Borsten machen die Zunge einem Kaminbesen
ähnlich. Die Ähnlichkeit der Zungenspitze von Certhia mit der der Spechte ist für die Erkenntnis
der Stammesgeschichte wohl bedeutungslos.
Daß die Spechtzunge ein sehr feines Tastorgan ist, hat P r in z L u d w ig F e rd in a n d
(29) histologisch nachgewiesen. Er fand in der ganzen Zunge, in der Hornspitze aber besonders
reichlich angehäuft, Tastkörperchen, deren Bau und Anordnung er genau untersucht
hat. Sie liegen zum Teil im Unterhaütbindegewebe des Zungenschlauchs und der
Hornspitze, zum T e i| besonders in der Zungenspitze, mehr in der Tiefe. Auf Schnittserien
kann man beobachten, daß die ersten nach vorn an Zahl ab-, die ändern zunehmen und
in der Zungenspitze fast allein in überraschend großer Menge vorhanden sind. Aus P r in z
L u d w ig F e rd in a n d s Fig. 4 scheint hervorzugehen, daß im Bereich des os entoglossum
die am Zungenrücken liegenden Tastkörperchen größer sind als die übrigen. Auch auf
meinen der angeführten Figur entsprechenden Präparaten finde ich dasselbe. Bei etwas
weiter rückwärts geführten Schnitten zeigen sich die großen Tastkörperchen immer zahlreicher
auch lateral und ventral. Es sind die im flbnterhautbindegewebe liegenden, im
Gegensatz zu den in den tieferen zarteren Geweben liegenden kleinen Körpern. Je weiter
man in der Zunge rückwärts geht, desto zahlreicher werden die großen H e rb st sehen Körperchen
und treten in der Region des Zungenbeinkörpers auch in der Tiefe auf. Die
großen und kleinen Körperchen scheinen zwei Gruppen zu bilden, doch kann ich nicht mit
Sicherheit sagen, ob diese ' Gruppen streng nach der Größe der Körperchen zu .scheiden
sind. Der wesentliche Unterschied der beiden Gruppen besteht in der Innervation; die in
der Unterhaut liegenden Tastkörperchen und wahrscheinlich überhaupt alle Tastkörperchen
im Bereich des Zungenbeinkörpers, werden nämlich vom nerv, glössopharyngeus, alle übrigen,
wesentlich also die zahlreichen kleinen Tastkörperchen der Zungenspitze, vom nerv, hypo-
glossus innerviert, ein Verhalten, das wir. später bei Besprechung der Nervatur genauer verfolgen
werden. Wie P r in z L u d w ig F e r d in a n d gezeigt hat, sind die meisten Tastkörperchen
parallel der Zungenachse orientiert, wohl weil sie in dieser Richtung am meisten
in Anspruch genommen werden. Einzelne haben aber auch andere Achsenstellungen, um
auch von anderer Richtung kommende Tasteindrücke aüfnehmen zu können. Man geht
wohl nicht fehl, wenn man annimmt, daß die Oberflächenstruktur der Zunge neben ändern
Funktionen einen Bestandteil dieses feinen TastappäratS darstellt. Die groben und ziemlich
starren Widerhaken werden zwar hauptsächlich dem Nahrungserwerb dienen; die feineren,
nach vorwärts gerichteten Borsten aber, die mit Ausnahme der ebenen Dörsalfläche zwischen
den Widerhaken die ganze Hornspitze dicht besetzen, kann man wohl mit Recht als eine
Einrichtung bezeichnen, die die Tasteindrücke den Herbs;tsehen Körperchen zu übermitteln
hat.. Ein exakter Nachweis dieser Vermutung wird sich freilich nur schwer führen lassen.
Als Organe, die bei den Spechten noch mehr als bei ändern Vögeln in enger Beziehung
zum Zungenapparat stehen, und die mit diesem eine außerordentliche Entwicklung
erfahren haben, mögen die S c h le im d rü s e n kurz erwähnt werden. Die durch ihre Größe
auffallenden Organe liegen oberflächlich zwischen den beiden Unterkieferästen und bedecken
fast ganz die dort befindlichen Teile der Zungenmuskulatur.
Diese von G a d o w (14 pag. 663) als glandulae sublinguales, von älteren Autoren,
z. B. H u b e r (22) meist als glandulae submaxillares bezeichneten Drüsen sind höchstwahrscheinlich
aus Drüsenwülsten abzuleiten, wie wir sie bei Singvögeln, z. B. Certhia, zu
mehreren Paaren in der Schleimhaut des Unterschnabels neben der Zunge herlaufen sehen.
Auch bei den Spechten ist das stark entwickelte und sofort in die Augen fallende Paar
der Schleimdrüsen, wie schon M e c k e l wußte (vergl. das unten angeführte Zitat), nicht das
einzige,' sondern wir finden, wie uns Fig. 5 (Tab. I) zeigt, medial davon mindestens noch
ein Paar ähnlich gestalteter, aber viel kleinerer Drüsen, die von den großen bedeckt werden.
Die Schleimdrüsen sondern ein zähes, klebriges Sekret ab, das die Oberfläche der
Zunge überzieht und diese so zum Insektenfang sehr geeignet macht und stehen nicht nur
in dieser physiologischen Weise, sondern auch anatomisch mit dem Zungenapparat in enger
Verbindung, indem ein Teil der Zungenmuskulätur in einer Weise, die später näher beschrieben
werden soll, an sie herantritt, um die voluminösen Organe in ihrer Lage festzuhalten
und diese bei den Bewegungen der Zunge und bei der Schleimabsonderung zweckentsprechend
zu regeln.
Die Größe der Drüsen ist bei den einzelnen Arten sehr verschieden und hängt mit
der Längenentwicklung des gesamten Zungenapparates in der Weise zusammen, daß die
Arten mit den längsten Zungen auch die größten Schleimdrüsen besitzen.
Beschreibungen dieser Organe haben schon die älteren Autoren gegeben. M e r y
(34 pag. 87) erwähnt sie wohl zuerst. W o lf (45 und 46) geht auf ihre äußere Erscheinung
und auf die Unterschiede bei den einzelnen Spechtarten ein, und die Beschreibung in
M e c k e ls vergleichender Anatomie (33 Bd. IV pag. 465 f.) ist so ausführlich und enthält
so viele Einzelheiten, daß ich sie hier folgen lassen werde, und zwar nicht nur deshalb, weil
sie sich auf genauere Untersuchungen gründet, als sie mir möglich waren, und die beste ist,
die bis jetzt vorliegt, sondern vor allem, weil es wohl von Interesse sein dürfte, die nun
fast hundert Jahre alten Ergebnisse anatomischer Untersuchungen mit den modernen Hilfsmitteln
und Kenntnissen zu prüfen und zu ergänzen. Meckels^ Beschreibung lautet:
„Die Speicheldrüsen sind besonders bei den spechtartigen Vögeln stark entwickelt.
Doch bieten auch hier die verschiedenen Arten bedeutende Verschiedenheiten dar. Bei
Picu s viridis z. B. sind sie bedeutend größer als bei varius und nur auf jene paßt die
von Cu v ie r gegebene Beschreibung.
Eine Zungendrüse schien mir in beiden zu fehlen. Dagegen sind die vordere und
hintere Unterkieferdrüse sehr groß. Beide sind fest, wenig geläppt, länglich, stoßen von
vorn nach hinten dicht aneinander und liegen dicht an der innern Fläche des Unterkiefers.
Sie unterscheiden sich bei erwachsenen Vögeln leicht durch ihre Farbe und ganze Beschaffenheit,
die vordere ist rot, weich und sondert eine dünne Flüssigkeit ab, die hintere
dagegen ist weiß, hart und sondert eine klebrige Flüssigkeit ab, welche die Zunge überzieht.