Betrachten wir die Schakale, so ist es ja richtig, daß ich keinen Schakal gefunden habe, bei
dem der Hirnschädel kürzer wäre als der Gesichtsschädel, vielmehr übertrifft er den Gesichtsschädel
bei C. aureus um 9— 16, C. lupaster 10—20, C. algirensis 13—20, C. doederleini 81/a^-121/2> C. sacer
7— 17, C. variegatus 5—6, C. riparius 15— 16, C. studeri 8—20, C. mengesi 19x/ 2—22x/2 mm. Gehen
also diese Zahlen vielfach weit über die bei den Wölfen gefundenen hinaus, so bleiben, selbst wenn
wir den rumänischen Wolfsschädel als Ausnahme betrachten, noch immer die meisten Schakalarten
innerhalb der Variationsgrenze der Wölfe, und besonders C. variegatus bleibt noch weit unter den
höchsten bei Wölfen gefundenen Zahlen. Wir sehen also, daß im Verhältnis von Hirn- und Gesichtsschädel
kein Unterschied zwischen Wolf und Schakal besteht, wie dies S t u d e r annahm.
Überhaupt scheinen beide Enden der Nasalia am Schädel keinen festen Platz einzunehmen.
So z. B., um nur den C. algirensis zu erwähnen, liegt das vordere Ende der Nasalia bei dem Exemplar
aus Sidi-Merid der Straßburger Sammlung über dem hinteren Rande des oberen Eckzahnes, bei dem
Frankfurter Exemplar aus Gabes senkrecht über einem Punkt, der ungefähr in der Mitte liegt zwischen
dem Vorderrand des c und dem Hinterrand des h. Bei diesem Schwanken in den Endpunkten der Nasalia
ist deren Länge systematisch überhaupt nicht verwendbar, und dann scheinen mir auch zwischen Nasenwurzel
und dem vorderen Ende der Hirnhöhle nicht für alle Thooiden konstante Beziehungen zu bestehen,
wie es S t u d e r angenommen hatte. Soweit ich an einigen verletzten Schädeln konstatieren kann,
reicht die Stirnhöhle bei den Schakalen höchstens bis zur größten Annäherung der Orbitae, bei den
Wölfen dagegen rückwärts darüber hinaus. Die Straßburger Sammlung besitzt ein,en durchgeschnittenen
Caniden-Schädel ohne jede Bezeichnung; er steht im Zahnwechsel, die Molaren und der obere Reißzahn
sind schon durchgebrochen. Dieser Schädel scheint mir ein Schakal zu sein. An ihm messe
ich die größte Länge der Hirnhöhle von der Mitte des oberen Randes des F. magnum 68 mm, von
demselben Punkt bis zum Beginn der Nasalia 78 mm. Also ein bedeutender Unterschied. Hätte
übrigens S t u d e r zufällig einen Wolfsschädel gemessen, bei dem die Nasenbeine sehr hoch in die
Stirn reichten, wären seine Zahlen wahrscheinlich umgekehrt ausgefallen. Wenigstens besitzt die
Straßburger Sammlung einen solchen Wolfsschädel No. 1180 $, bei ihm ist das Hinterhaupt zerstört,
sodaß m,an von hinten hinein sehen kann, und da liegt das vordere Ende der Hirnhöhle sehr weit
vor der Nasenwurzel, nicht dahinter, was nach den S t u d e r’schen Zahlen bei dem von ihm gemessenen
Exemplar der Fall ist. Alles in allem scheint mir bei dem Schakal der Hirnschädel weniger
weit nach vorn zu reichen als bei den Wölfen. Dies ist ja auch klar, denn wenn die Schakale in der
Mitte stehen zwischen den Füchsen, die fast keine Frontalloben am Gehirn haben, und den Wölfen,
bei denen sie sehr stark entwickelt sind, so wird eben auch der Hirnschädel in der Mitte stehen. Doch
wäre es noch eine sehr interessante Aufgabe für die einzelnen Canidenspezies festzustellen, wie weit
der Hirnschädel reicht, und in welchem Verhältnis sein vorderes Ende zu den Schädelknochen steht.
Ich glaube, man würde auch da eine vollständige Reihe vom Fuchs zum Wolf auf stellen können.
Nur dürfte die Beschaffung des Materials Schwierigkeiten bereiten, denn es wären die Schädel dazu
aufzuschneiden, wozu kaum eine Sammlung ihr Material hergeben wird.
Ebenso wie mit der Länge des Hirnschädels geht es auch mit den Bullae. Zwar gehen die
größten Bullae der Schakale über die größten der Wölfe hinaus. Vergleicht man aber die unterste
Grenze der Schakale mit der obersten der Wölfe, so zeigt es sich, daß beide durch einander laufen.
Jedochder Unterschied in der Form, den S t u d e r nach B l a i n v i l l e beschreibt, scheint ziemlich
konstant zu sein. Im allgemeinen sind die Bullae bei den Wölfen flacher und breiter, und ihre Decke
geht in allmählicher Senkung ohne Absatz in den verknöcherten Teil des äußeren Gehörganges über.
Dieser und der Processus paroccipitalis liegen verhältnismäßig weit auseinander und die sie verbindende
Wand ist gerade, ohne nach hinten ausgezogen zu sein. Bei den Schakalen dagegen sind die
Bullae gewöhnlich sehr hoch, gekielt, schmal, und der knöcherne Teil des Gehörganges ist stark von
der Decke der Bullae abgesetzt. Die Entfernung zwischen dem äußeren Gehörgang und dem P. paroccipitalis
ist kurz, der beide verbindende Teil gewöhnlich in eine Ecke ausgezogen. Diese Ecke
kann in seltenen Fällen fehlen, bei Wölfen habe ich sie nie beobachtet.
Einige weitere Unterschiede gibt S t u d e r dann in seiner Arbeit: „Über den deutschen
Schäferhund etc.“ Es sollen die beiden Höckerzähne beim Schakal größer sein als beim Wolf. Im
Verhältnis zur Basilarlänge, diese gleich 100, erhält S t u d e r beim Schakal eine Variationsbreite
von 11,5— 14,1: 100, bei den Wölfen 9,81— 10,6 : 100. Aber auch hier zeigt ein größeres Material,
daß man wiederum keine scharfe Grenze ziehen kann. Ich kann aus meinem Material einige Wölfe
anführen, die in die Variationsbreite der Schakale fallen:
Mus. S t ra s sb u r g au s L o th r in g en . Mus. Stockholm au s Schweden.
No. 309 ? $ 4—5 jährig 310 25/2 1829 126 o*
Basilarlänge 200 200 215 212 210
mx 4 - m2 24 25 243/ 4 ■
Basilarlänge: 100
25 2472
mx -j- m2 12 12,5 11,5 11,8 11,7
Also auch hier finden wir, daß die Grenzen der Untergattungen Canis und Thos ineinander
übergreifen. Im allgemeinen hat S t u d e r allerdings recht, der Schakal hat größere Molaren und
besonders der Molar hinter dem Reißzahn ist kräftiger. Namentlich ist der innere Teil am oberen
beim Schakal stärker als beim Wolf. Es ist dies schwer oder garnicht durch Zahlen ausdrückbar,
aber man kann diese Verhältnisse gut an der mehr oder weniger starken Einbuchtung des hinteren
Randes des ph und des mehr oder weniger spitzen Winkels, den der Vorderrand mit dem Außenrand
bildet, erkennen. Jedoch auch in diesem Fall gibt es Übergänge, sodaß eine reinliche Scheidung nicht
möglich ist.
Als fernere Unterschiede zwischen Wolf und Schakal, die noch nachzuprüfen wären, gibt
Studer an, daß der Schakal sich vom Wolf unterscheide durch größere Augenhöhlen, d. h. sie sollen
beim Schakal im Verhältnis zur Länge höher sein, und durch andere Stellung ihrer Längsachse. Diese
Behauptungen sind nicht durch Zahlen belegt. Ferner haben wir festzustellen, ob zwischen Wolf
und Schakal hinsichtlich des Hinterhauptsloches und des Nasenrohres ein durchgreifender Unterschied
besteht, denn in ihrer vom Wolf abweichenden Gestalt findet S t u d e r Gründe, die den
Schakal von der Stammvaterschaft der Hunde ausschließen. Ich gebe deshalb zunächst auf Tab. 2
die betreffenden absoluten Zahlen der in der Straßburger Sammlung befindlichen Wolfsschädel, wie
sich auf Tab. 1 die von mir gemessenen Schakalschädel befinden.
Prüfen wir zunächst, ob die Form der Augenhöhlen Wölfe und Schakale konstant trennt. Ich
habe zu dem Zweck die größte Länge des Auges gemessen vom Proc. postorbitalis bis zur vorderen
unteren Orbitaecke, dann die Länge des Unterrandes des Auges und die größte Höhe. Die absoluten
Zahlen finden sich auf Tab. I und II. Da mir die Länge des unteren Augenrandes von Proc. post,
infr. bis vordere untere Orbitaecke die am wenigsten durch Alter und Geschlecht veränderliche zu
sein scheint, nehme ich sie als Konstante und setze sie gleich 1. Die Resultate stehen auf Tab. 111,1.