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w e h ru n g in d e r s e lb e n W e is e w ie E r in a c e u s zu v e rw e r t e n v e rm a g , indem
er s ic h w ie d ie s e r zu s am m e n ro lle n k an n .1
Es ist nun offenbar von prinzipieller Bedeutung, die Frage beantworten zu können,
ob bei den genannten Centetidae der Bewegungsmechanismus, welcher dieses Zusammenrollen
bewirkt, auf dieselbe Weise wie bei Erinaceus zu Stande gekommen ist. Die Untersuchung
eines Ericulus setosus (junges Tier) und eines E. telfairi (erwachsenes Tier) hat
nun im Widerspruch mit der Behauptung Dobsons2 — ergeben, daß b e i b e id e n ein
M. o r b i c u l a r i s v o r k om m t . Ebenso wie bei Erinaceus sind die Stachelbasen in den
Muskel eingesenkt. Dennoch hat die Differenzierung des Orbicularis bei Centetidae nicht
dieselbe Vollständigkeit wie bei Erinaceus erreicht: er ist (so wenigstens bei E.telfairi) vorzugsweise
nur im vorderen Teile und an den Seiten des Rumpfes als besonderer, vom Panni-
culus carnosus getrennter Muskel darstellbar. Auch die zahlreichen Verbindungen mit der
Wirbelsäule, welche bei Erinaceus Vorkommen, fehlen bei Centetidae. Der Unterschied
zwischen Ericulus telfairi und setosus, daß der Muskel beim ersteren durchaus fleischig,
beim letzteren in der Mittelpartie aponeurotisch ist, beruht vielleicht nur auf das jugendliche
Alter des untersuchten Er. setosus-Exemplares.
Für Erinaceus eigentümliche Muskeln sind die beiden Coccygeo-cuticulares; sie
gehen von den Seitenteilen des Schwanzes aus und inserieren der kleinere und laterale
am Außenrande des Orbicularis panniculi, der größere an der Ventralfläche dieses Muskels
fast i dm von der Schwanzspitze entfernt. Als differenzierte Muskeln fehlen Coecygeo-
cuticulares den beiden Centetiden. Bei ihnen geht der Orbicularis panniculi nicht ring-
.förmig über den Schwanz hinweg wie bei Erinaceus, sondern die hinteren Fasern dieses
Muskels inserieren jederseits am Schwänze; bei Ericulus setosus, nicht bei E. telfairi, ist
eine schwache Differenzierung dieser zum Schwanz gehenden Fasern zu erkennen. Im Zusammenhänge
hiermit steht der Umstand, daß wohl bei Ericulus, aber nicht bei Erinaceus
der Schwanz Stacheln trägt. Da sich bei Erinaceus der Orbicularis auch in seinem hinteren
Teile vollständig als ringförmiger Muskel emanzipiert hat, und nur im Umfange dieses
Muskels Stacheln auftreten, müssen besondere Hautmuskeln, nämlich die Coccygeo - cuticulares,
ausgebildet werden, um den unbewehrten Schwanzteil innerhalb des Bereiches des
stacheltragenden Orbicularis zu ziehen — eine Differenzierung, welche bei den Centetidae,
wo sich der stacheltragende Muskel selbst am Schwänze inseriert, als nicht erforderlich
unterblieben ist.
Wir ersehen somit aus diesen Befunden, daß der fragliche Apparat bei Erinaceus
eine höhere Stufe erreicht hat als bei Ericulus.
Während Dobson8 bei Erinaceus nur e in e n M. fronto-cuticularis beschreibt, trennt
sich bei dem von mir untersuchten Exemplare von E. europaeus ein oberflächliches Bündel
ziemlich vollständig von dem unterliegenden, bedeutend dickeren ab. Das oberflächliche
Bündel entspringt lateralwärts von und unmittelbar vor dem tieferen von der Grenze des
1 Bezüglich Ericulus setosus verdanke ich Herrn Sikora die Mitteilung dieser T a tsa ch e; daß E. telfairi sich ebenso
verhält, is t im Hinblick au f die fast identische Beschaffenheit der fraglichen Organisationsverhältnisse — auch der Muskulatur
— zweifellos. Flower's und Lydekke r’s Angabe (91 pag. 638), daß Ericulus sich nicht vollständig einkugeln kann, ist
somit verfehlt.
* 82 pag. 83.
3 82 pag. 42.
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Maxillare und Praemaxillare, geht, mit seinem Gegenüber konvergierend, nach hinten und
inseriert an der vordersten Peripherie des Orbicularis panniculi. Das tiefere und stärkere
Bündel inseriert an der ventralen Fläche des Orbicularis etwas kaudalwärts von dessen
Vorderrande.
Die beiden stacheltragenden Centetiden repräsentieren zwei Ausbildungsstufen des
Fronto-cuticularis. Bei Er. telfairi ist ein dem tieferen Teile bei Erinaceus entsprechender
Muskel vorhanden, welcher sich ganz wie dieser verhält. Er. setosus vertritt eine niedere
Stufe in der Ausbildung des fraglichen Muskels, da er hier unmittelbar in den Orbicularis
übergeht, somit noch einen Teil dieses Muskels ausmacht.
Der paarige M. occipito-frontalis bei Erinaceus, welcher von der Crista occipitalis
ausgeht und zwischen den Fronto-cuticulares an der Haut zwischen Augen und Ohren
inseriert, ist bei Ericulus durch einen unpaaren Muskel vertreten.
M. humero-abdominalis bei E. telfairi scheint von dem Verhalten bei Erinaceus
nur darin abzuweichen, daß er nicht wie beim letzteren unmittelbar am Schwänze inseriert,
sondern an denjenigen Fasern des Orbicularis, welche sich am Schwänze befestigen.
M. humero-dorsalis entspringt bei Er. setosus zwischen Teres major und Anconaeus
externus, geht dorsalwärts nach a u ß e n vom Latissimus dorsi und Dorso-epitrochlearis,
während er bei Erinaceus von dem Rande des Sulcus intertubercularis entspringt
und dorsalwärts nach innen von den genannten Muskeln verläuft. Daß dieser
Unterschied von Bedeutung ist, erhellt daraus, daß er sich bei Centetes und Gymnura1
wiederholt.
M. humero-lateralis scheint Erinaceus eigentümlich zu sein.
Von den übrigen Muskeln, welche beim Zusammenkugeln eine Rolle spielen, sei hier
nur noch der M. sterno-facialis berücksichtigt. Diejenigen Teile dieses Muskels, welche bei
Erinaceus zum Kopfe verlaufen und vor und hinter dem Ohre mit dem Orbicularis in Beziehung
treten, fehlen bei Er. telfairi. Vom Sterno-facialis des Erinaceus sind also beim
letzteren nur die ventralen Teile vorhanden. Außerdem kommt ein Sterno-facialis-Teil bei
Er. telfairi vor, welcher vom Vorderrande des Brustbeins entspringt und zur Hinterhauptgegend
geht, und dem von Owen2 bei Erinaceus als e bezeichneten Muskel zu entsprechen
scheint.
Kennzeichnend für alle untersuchten Centetidae (Öryzorictes, Centetes, Ericulus)
Erinaceus gegenüber ist auch der Umstand, daß die Hautmuskulatur sich auch auf einen
Teil der Extremitäten erstreckt, was bei Erinaceus nicht der Fall ist.
Eine Zusammenfassung der obigen Beobachtungen gibt zunächst als Resultat, daß
der Muskelapparat, welcher das Zusammenrollen sowohl bei Erinaceus als Ericulus bewirkt,
bei den Mitgliedern beider Familien durch gleichartige Differenzierung der Hautmuskulatur
zu Stande gekommen ist, was um so bemerkenswerter ist, als bei dem einzigen unter
den übrigen stacheltragenden Säugetieren, welches das Vermögen des vollständigen Zusammenrollens
besitzt, nämlich E c h id n a , ein Orbicularis panniculi und dessen Antago-
M. o c c i p i t o -
f r o n t a l i s .
M. h u m e r o -
a b d o m i n a l i s .
M. h u m e r o -
d o r s a l is .
M. h u m e r o -
l a t e r a l i s .
M. s t e r n o -
Z u s am m e n f
a s s u n g .
i
1 Vergleiche Dobson pag. 23 und 77.
’ 68 pag. 19 Fig. 7.
Zoologloa. Heft 49.