daß ihre Entfernung von der Schnabelspitze */, der gesamten Schnabellänge beträgt, die
Halsschlingen haben sich gebildet und weit hinabgesenkt. Ein Zwischenstadium zeigt Fig. 23
auf Tab. III; dieser Specht wurde im Oktober geschossen, sein Schnabel ist 4,7 cm lang,
die Hornenden haben ihre äußerste Lage noch nicht erreicht und die Halsschlingen sind
noch nicht so groß wie-bei Textfig. 10. Daß die angegebenen Figuren nicht zufällige individuelle
Verschiedenheiten darstellen, ergibt sich aus einer Zusammenstellung der Schnabellängen
einiger Jungspechte, welche eine auffallende Gleichheit bei gleichaltrigen Individuen
in den ersten Lebensmonaten zeigt.
G e c in u s v i r i d i s ju v .
vom Monat Schnabellänge
Juni 4,0 cm
» 4,3 *
September 4,5 «
Oktober 4,6 „
» 4,7 „ • -
» 4,7 »
„ 5,0 „
Dezember 5,3 »
Da der alte Specht von Fig. 10 zweifellos mehrjährig war und eine Schnabellänge
von 5,2 cm hatte, so ergibt sich aus obiger Tabelle, daß die Spechte zwischen Oktober und
Dezember ihres ersten Jahres ausgewachsen sind. Die in der Tabelle angeführten Spechte
waren (mit Ausnahme des letzten) vor allem am Kopfgefieder mit Sicherheit als Jungspechte
zu erkennen.
Die späte postembryonale Entwicklung des Zungenbeins der Grünspechte führt uns
innerhalb derselben Art ein wahrscheinliches Bild der stammesgeschichtlichen Entwicklung
des extremen Zustands vor Augen, dessen vorbereitende Stadien die ändern besprochenen
Spechtärten nebeneinander zeigen. Von größerem Interesse scheint uns dabei der Umstand,
daß die ungewöhnliche Verlängerung des Zungenbeins nicht allein im embryonalen, sondern
großenteils im freien Leben des Vogels stattfindet. Dies dürfen wir wohl als Hinweis
darauf betrachten, daß die Grünspechte stammesgeschichtlich noch sehr junge Formen sind;
dann aber auch als deutliches Zeichen dafür, daß der Erwerb des langen Zungenbeins durch
die Art und Weise der Nahrungsaufnahme bedingt wird, da wir ja noch bei jedem jungen
Grünspecht sehen können, daß die Zunge sich verlängert, wenn er selbständig zu fressen
anfängt. Sollte das Experiment zeigen, und das halte ich für sehr wahrscheinlich, daß ein
junger Grünspecht, den man am normalen Gebrauch der Zunge verhindert, trotzdem ein vollständig
ausgebildetes Zungenbein erhält, so wäre das noch kein Argument gegen das eben
Gesagte; denn die postembryonale Entwicklung des Zungenbeins kann schon Erwerb der
Art geworden sein, gerade wie eine alte Saatkrähe ihre Gesichtsfedern zwischen Schnabel
und Auge verliert, auch wenn sie ihr Leben lang keine Gelegenheit hatte, im Boden zu
wühlen.
Die Hörner laufen, wie erwähnt, von ihrer Muskulatur umgeben auf dem Schädel in
einer sehr flachen Rinne, die bei den Grünspechten in ihrem vorderen asymmetrischen Abschnitt
infolge der mächtigen Entwicklung des Stirnhöckers zu einer tiefen Furche wird.
Sie sind rings von derbem Bindegewebe umgeben, das von der Schädelhaut abzuleiten ist
und das einen festen Kanal bildet, in welchem die Hörner, soweit sie über den Schädel
laufen, sicher gleiten können. Die Fascie der die Hörner umgebenden Muskulatur geht am
Ende der Hörner in ein sehr zartes Band über, das sich bei allen Spechten, bei denen die
Hörner nicht in den Oberschnabel eindringen, innen an der Kopfhaut an einer Stelle festsetzt,
die genau dem Ende der Hörner entspricht, wenn sie sich in der Ruhelage befinden.
Wird die Zunge ausgestreckt und gleiten dabei die Hornenden um den Schädel herum, so
wird dieses Band, vielleicht nur scheinbar, ausgedehnt und zieht sich beim Zurückziehen der
Zunge wieder vollständig zusammen, was man an frischgeschossenen Spechten bei geeigneter
Präparation beobachten kann. Daß es beim Zurückziehen der Zunge eine automatische Bedeutung
habe, scheint mir bei Seiner Zartheit und Schwäche ausgeschlossen; vielleicht dürfen
wir sogar mit H u b e r (22) annehmen, daß die Elastizität des Bandes nur scheinbar ist und
auf einer Täuschung beruht; indem nämlich die Hörner auf dem Schädel nach rückwärts
gleiten, werden sie aus der an der Kopfhaut festgehefteten Fascie herausgezogen und die
leere Fascie macht den Eindruck eines sich spannenden Bandes; wenn sie umgekehrt in
ihre Ruhelage zurückgleiten, so scheint sich das Band zusammenzuziehen. Auf jeden Fall
hat, ob wir H u b e r zustimmen oder nicht, diese Einrichtung keinen wesentlichen Anteil am
Mechanismus des Zungenapparats.
Auf der Ventralseite des Schädels sind die Hörner von lockerem Binde- und Fettgewebe
umgeben, das ihnen hier freiere Bewegung als auf dem Cranium gestattet; das ist
insbesondere bei den Grünspechten für den Mechanismus von Wichtigkeit, wie später erläutert
werden soll. Unter dem Kehlkopf treten die Hörner in einen von der Mundhaut
abzuleitenden Schlauch ein, der die im Schnabel freiliegende eigentliche Zunge bildet und
die basalen Teile der Hörner, sowie den Zungenbeinkörper beherbergt und nach vorn in
die kleine feste Hornspitze übergeht, welche das os entoglossum umgibt. Die Wand dieses
Schlauchs ist nicht nur kautschukartig dehnbar, sondern in der Ruhe auch seiner ganzen
Länge nach, besonders in der hintern Hälfte, in zahlreiche Querrunzeln gelegt, so daß er
um ein beträchtliches Maß verlängert werden kann. Außerdem stülpt er sich in der Ruhe
an seiner Basis unter den Kehlkopf ein, so daß das hintere Stück der Zunge nach Art
des Penis der Schlangen in einer Duplikatur liegt, die beim Ausstreeken der Zunge ausgezogen
wird. Am deutlichsten zeigt sich das beim Grünspecht, dessen Zunge von allen
Spechten am beweglichsten ist und am weitesten äusgestreckt werden kann. P r in z L u d w
ig F e rd in a n d (29) nennt diese Duplikatur Scheide, wohl mit Rücksicht auf die Zungenscheide
der Schlangen und Eidechsen; H u b e r (22) bezeichnet mit vagina den ganzen
Schlauch, der die freie Zunge bildet, und erwähnt nichts von der basalen Duplikatur. Ich
werde im folgenden den ganzen Schlauch, der die freie Zunge umgibt, einschließlich der
basalen Duplikatur, Z u n g e n s e h 1 a u c h nennen; denn die H u b e r sehe Bezeichnung Scheide
hat vergleichend-anatomisch keine Berechtigung und könnte zu einer Verwechslung mit demjenigen
Zungenabschnitt führen, den P r in z L u d w ig F e rd in a n d mit Recht so genannt hat.
Der Zungenschlauch hat einen bei den einzelnen Arten wenig verschiedenen runden
Zoologioa. Heft 61. 3