m. Kommt die Un terga ttu ng Thos Oken als Asoendent der Haushunde
in Betracht?
Über diese Frage ist viel gestritten. Ebenso oft wie sie bejaht ist, ist sie verneint worden.
Unter den jetzt lebenden Forschern treten K e l l e r (22,“ ) und seine Schüler für eine Bejahung dieser
Frage ein, während sie von S t u d e r (4Ö,41) zunächst in bezug auf den C. familiaris palustris und dann
überhaupt strikt verneint wird. „Der Schakal, mit den, auch gegenüber dem Wolfe, kleinen Stirnhöhlen,
der vollen Entwicklung der Molaren, namentlich des m2 im Oberkiefer, dürfte eine ältere
und primitivere Form der Caniden repräsentieren als die Wölfe und die kleine Wolfsform, von der
die Haushunde abstammen. Die Größe der Tympanalblasen und der Augenhöhlen zeigen, daß die
Organe des Gesichts und des Gehörs bei den Schakalen stärker entwickelt sind als bei den Wölfen.
.................. Daher tritt der Schakal gewöhnlich erst mit eintretender Dunkelheit in Tätigkeit. Schon
dieses . . . . . . . spricht gegen seine Eigenschaft als Stammvater des Haushundes, speziell des Torfspitzes.“
Als weitere Gründe gegen die Stammvaterschaft des Schakals werden die Größen der
Stirnhöhlen bei den ältesten Haushunden angeführt. Weiter heißt es: „Inwiefern die Domestikation
die Form des Hinterhauptsloches beeinflussen soll, ist mir ebenso unerklärlich, wie sich die Form
der Tympanalblasen gänzlich umgestalten sollte. Die ältesten Hundeformen sind plattschnauzig,
das Nasenloch viel breiter als hoch; der Schakal ist spitzschnauzig und sein Nasenloch so hoch
wie breit. Nun sehen wir aber, daß die Domestikation darauf ausging, den Nasenraum zu
vergrößern; bei den modernen Rassen, wie Jagdhunden, Pudeln, wird die Nase immer höher;
sollte nun bei dieser Tendenz im Anfang darauf hingearbeitet sein, einen Schakal mit hoher
Nase plattschnauzig zu machen? Domestikation hat in bezug auf das Gebiß dahin gewirkt, den
Reißzahn zu verkleinern; sollte sie aber bei veränderter z. T. vegetabilischer Nahrung auch die
Molaren verkleinert haben, die ja bei dem Schakal relativ viel größer sind als beim Hunde?“ Dies
sind kurz die Gründe, die S t u d e r veranlassen, den Schakal aus der Vorfahrenreihe der Haushunde
auszuschließen.
Sehen wir uns zunächst an, wie es mit der von S t u d e r behaupteten, geringen Größe
der Molaren steht. Eigene Untersuchungen am Torfhund habe ich aus Mangel an Material nicht
machen können, ich lasse mir daher mit S t u d e r ’s Maßen genügen. Nach seiner Arbeit: „Über
den deutschen Schäferhund“ etc. p. 19 verhält sich die Summe der beiden Höckerzähne zur
Basilarlänge
bei den Schakalen wie 11,5 0 1 4 ,1: 100 I a I ,
Maximum und Minimum der von b t u d e r
„ „ Wölfen „ 9,8— 10,6 : 100 o
’ „ angegebenen Malie.
,, „ Torfhunden „ 10,4—11: 100 J
Nun hat aber Studer auf p. 27 in „Die Prähistorischen Hunde etc.“ die Maße „von 4 typischen
Schädeln,“ wie er selbst sagt, gegeben. Und zwar gehören sie alle 4 sehr alten Fundorten an. Studer
sagt selbst: „Ich gebe hier die Beschreibung des Schädels vom ältesten Typus, wie ihn die Pfahlbauten
von Schaffis am Bielersee, Mosseedorf bei Bern, Inkwyl, Robenhausen liefern.“ In diesen
Pfahlbauten sei noch keine Spur von Metall gefunden, die Werkzeuge repräsentieren einen sehr
primitiven Typus (keine durchbohrten Steinäxte, viele bloß zugeschlagene Feuersteininstrumente).
Für diese ältesten, typischen Schädel also gibt S t u d e r folgende Maße:
Fundort: Schaffis Schaffis Moosseedorf Lattrigen
Basilarlänge: 137 136 137 133
Länge d. beiden Höcker zähne: 15 16 17 14
Das gibt, die Basilarlänge = 100, für die
Länge d. beiden Höckerzähne: 10,9 11,8 12,6 10,4
Finden wir schon bei der zuerst citierten Arbeit ein Hinausgehen der Molaren über die obere
Grenze der Wölfe, so befinden sich hier 2 von den 4 als recht typisch bezeichneten Schädeln mitten
in der Variationsbreite der Schakale. Auffallen muß es noch, daß keiner der Palustris-Schädel sich
der unteren Grenze der Wölfe nähert, sondern alle sehr weit darüber stehen. Noch größer aber sind
die beiden Molaren bei einem C. f. palustris der Station Sutz.
Basilarlänge: Länge der beiden Molaren = 136: 20 oder wie 100: 14,9 (die absoluten Zahlen
nach S t u d e r (ö) p. 33). Das sind also Molaren, die das Maximum, das S t u d e r bei den Schakalen
fand, noch übertreffen. Wenn wir noch weiter die von S t u d e r für die Schädel der in den Formenkreis
von C. palustris fallenden Hunde durchsehen, so finden wir dieselben Verhältnisse, d. h. die
Molaren des Torfhundes würden mit ihrer unteren Grenze etwas unter die obere der Wölfe hinabgehen
(wie dies die Schakale bei einer größeren Anzahl auch tun würden), würden sich aber meist innerhalb
der Grenze für die Schakale halten. Wir können also in der Größe der Molaren keinen Grund finden,
der die Schakale von der Stammvaterschaft des C. palustris ausschließt. Eher scheint vielmehr
gerade die Größe der Molaren für eine derartige Verwandtschaft zu sprechen. Nun ist es aber zweifelhaft,
ob wir dein Verhältnis der Molaren zur Basilarlänge überhaupt eine größere Bedeutung
beimessen können. Wo l f g r am m (46) hat in seiner leider zu wenig beachteten Arbeit „Die Einwirkung
der Gefangenschaft auf die Gestaltung des Wolfsschädels“ gezeigt, daß bei Wölfen, die in
der Gefangenschaft aufwachsen, sämtliche Zähne, also auch die Molaren absolut zwar kleiner werden,
daß sich aber die Basilarlänge in viel stärkerem Maße verkürze, so daß bei einer Vergleichung mit
der Basilarlänge die Molaren bei den in Gefangenschaft geborenen Wölfen gegenüber den wilden
zugenommen zu haben scheinen. Nun ist es ja richtig, die Wölfe in zoologischen Gärten werden
nicht unter Bedingungen gehalten wie etwa ein Tier, das sich der Pfahlbauer zähmte, und im Lauf
einiger Generationen würden sich wahrscheinlich die nunmehr für den Schädel zu großen Zähne
ebenfalls verkleinern. Dem ersteren Einwurf gegenüber möchte ich hervorheben, daß uns die
Wo l f g r am m’sche Arbeit überhaupt einmal gezeigt hat, welchen Veränderungen der Wolfsschädel
und, wie ich mich überzeugen konnte, auch der Schakalschädel wie der Canidenschädel überhaupt
schon in der ersten Generation fähig ist. Wer das gesehen hat, wird sich nicht wundern, dass
es zwischen den ältesten Haushundschädeln und den Wildhunden keine Übergänge gibt. Was den
zweiten Einwurf anbelangt, so zeigen die Zahlen S t u d e r s in „Die prähistorischen Hunde“
hinsichtlich der Größe des Gebisses zwischen den ältesten Vertretern des C. f. palustris Typus und
seinen modernsten keinen' Unterschied obwohl sich ein solcher in anderen Formenkreisen der
Haushunde findet.
Was die Tympanalblasen anbelangt, so sind sie beim Hunde meistens dermaßen verkümmert,
daß aus ihnen überhaupt kein Schluß gezogen werden kann. Manchmal sind sie noch weniger
rudimentär, und dann finde ich Formen, die nur vom Wolf abzuleiten sind, neben solchen, die nur
vom Schakal kommen können. Ich habe noch keine Untersuchungen darüber angestellt, bei welchen
Rassen die eine oder die andere Form vorkommt. Ich glaube jedoch kaum, daß derartige Untersuchungen
einen Zweck hätten, da es sich offenbar um ein Organ handelt, das bei den Haushunden