manchmal gerade durch ihre größere Dicke brauchbare und instruktive Schnitte; auch konnten
diese nicht in der gewöhnlichen Weise auf geklebt, sondern mußten einzeln behandelt werden.
Mikroskopische Totalpräparate wurden von nicht entkalkten Zungenspitzen angefertigt.
Diese lassen in Kanadabalsam nicht nur die feinere Struktur des Hornepithels erkennen,
sondern sind durchsichtig genug, um das os entoglossum in situ zu zeigen.
H.
Die freie Zunge der Spechte entspricht bekanntlich morphologisch nicht der Zunge
der ändern Vögel, worauf schon M e r y (34) aufmerksam gemacht hat. Trotzdem werden wir
im folgenden den im Schnabel sichtbaren freien Teil des Zungenapparats kurzweg „Zunge“
nennen; denn dieses ist kein morphologischer, sondern ein physiologischer Begriff, der das
bei der Nahrungsaufnahme tätige Organ bedeutet und nicht durch anatomische Verhältnisse
bestimmt wird. Dagegen bezeichnen wir mit dem Wort „Zungenapparat“ die geordnete
Gesamtheit der anatomischen Elemente, welche durch ihr Zusammenwirken die Funktionen
der Zunge ermöglichen. Das ist also in erster Linie ein anatomischer Begriff. Wenn wir
vom Zungenapparat reden, müssen wir dies mit den vergleichend-anatomischen Bezeichnungen
tun.
Zunächst wollen wir nun die äußere Erscheinung der Zunge betrachten und können
uns dabei kurz fassen, da diese schon vielfach beschrieben worden ist. Genauere Angaben
über ihre Gestalt und die Unterschiede bei einzelnen Arten hat N aum an n (36) gegeben;
auch bei G i e b e l -N i t z s c h (18) finden wir einige beachtenswerte Angaben über das
Äußere der Zunge und L u c a s (26, 27, 28) studierte die amerikanischen Arten darauf hin eingehend.
Es ist nicht möglich, und wohl auch überflüssig, die große Menge der übrigen
Literatur anzuführen, in der man sich über das Äußere der Spechtzunge unterrichten kann.
Ohne eine umständliche Beschreibung zu versuchen, verweise ich auf die Zeichnungen,
insbesondere auf Tab. III, Fig. 31 und 34, Tab. IV, Fig. 36, welche die allgemeine Gestalt
der Zunge wohl am deutlichsten erkennen lassen. Wir wissen, daß sich die Zunge der
Spechte vor ändern Vogelzungen dadurch auszeichnet, daß sie weit vorgestreckt werden
kann und auch sonst sehr beweglich ist. Nur ihre kurze, fest verhornte, nadelfeine Spitze,
die fast bei allen Arten starre Widerhaken trägt, ist anatomisch mit der Zunge der übrigen
Vögel zu vergleichen, im übrigen ist die Zunge weich und entspricht Teilen, die sonst in
der Mundhaut verborgen liegen.
Diese abweichende Bildung hat ihre Ursache bekanntlich darin, daß der Specht seine
Zunge als wichtiges Organ benützt seine Nahrung aufzusuchen und zu ergreifen. Sie ist
daher sowohl als Tastorgan ausgebildet, gewissermaßen als Fühler, der die Umgebung um
den Schnabel herum abzusuchen vermag, als auch zum Festhalten der Nahrung befähigt.
Daß die Zunge der Spechte ein feines Sinnesorgan ist, wurde schon früh beobachtet und
wir finden in der Literatur mehrfach Berichte von Experimenten, die sich darauf beziehen.
Es ist auch anzunehmen, daß in der Tat der Specht mit seiner Zunge tastend die unter
der Rinde in ihren Gängen befindlichen Käferlarven von Ungenießbarem unterscheiden
kann. Über den Bau dieses wahrscheinlich sehr empfindlichen Sinnesorgans werden wir
später einiges zu sagen haben.
Zum Erfassen und Festhalten der durch Tasten entdeckten oder auch sonst gefundenen
Insekten wird die dünne und spitze Zunge vor allem dadurch brauchbar gemacht,
daß sie mit einem zähen, sehr klebrigen Schleim überzögen wird, der in zwei mächtigen
am Unterschnabel liegenden Drüsen bereitet wird. Kleine Erhebungen, die bei den einzelnen
Arten verschieden angeordnet sind, und die wohl auch die Tastfunktion unterstützen,
machen die Zungenoberfläche rauh und daher zum Festhalten der gefangenen Tiere noch
geeigneter. Außerdem aber ist es wohl zweifellos, daß auch die feine und sehr harte Spitze
zum Auf spießen einzelner weicher und kleinerer Insekten, vor allem also der Larven von
Holzkäfern, dient. Ich besaß einen zahmen Buntspecht, welcher vorgehaltene Mehlwürmer
freilich am liebsten mit dem Schnabel packte; konnte er sie aber so nicht erreichen, so
schoß er seine Zunge danach und war imstande, damit die doch ziemlich hart gepanzerten
Larven zu durchbohren. Auch Prinz L u d w ig F e rd in a n d (29) berichtet pag. 4 von ähnlichen
Beobachtungen.
Die Art und Weise des Gebrauchs der Zunge ist nun bei den einzelnen Spechten
verschieden, damit auch die Gestalt der Zunge, und wie wir später sehen werden, ihr anatomischer
Bau. Das hängt mit der Lebensweise der Arten aufs engste zusammen. Nach
dieser können wir unsere Spechte in zwei größere Gruppen einteilen, die übrigens, wie
gleich bemerkt werden soll, mit den systematischen nicht zusammenfallen. Die einen, deren
Typus die Buntspechte darstellen, sind fast ausschließlich Kletterer und finden ihre Nahrung
durch Auf hacken der Insektengänge in den Bäumen; die ändern ernähren sich vorzugsweise
von den am Boden lebenden Ameisen, sind nebenbei auch Kletterer, wie der
Grün- und Grauspecht, oder sind es, wie der Wendehals, in nicht höherem Maß, als der
Baumläufer oder der Kleiber. Die erste Gruppe ist in vorzüglicher Weise dem Kletterleben
angepaßt, und auch die Gestalt der Zunge hängt mittelbar damit zusammen; die Zunge ist
zwar weit .vorstreckbar, doch nicht über die Grenze einer gewissen Festigkeit, die es möglich
macht, die Insekten zu durchbohren. Auch ist an den Zungen dieser Gruppe die Hornspitze
besonder^ fein und lang und mit einer großen Zahl von Widerhaken besetzt, um die
aufgespießte Beute festzuhalten. Wenn M a r s h a ll (32 pag. 13) es mit Recht als eine falsche
Angabe G e ß n e r s bezeichnet, der Wendehals durchsteche mit seiner Zunge die Ameisen,
da dabei jede Ameise einzeln aufgespießt werden müßte, so ist er doch im Irrtum, wenn
er daraus ohne weiteres schließt, daß die Spechte überhaupt nicht ihre Zunge in dieser
Weise gebrauchten; für diejenigen Arten, welche, wie die Buntspechte, vorwiegend von
kleinen Larven der Holzkäfer leben, die in der Tat einzeln gefangen werden müssen, weil
sie unter der Rinde zerstreut liegen, ist es zum mindesten sehr wahrscheinlich, zumal da,
wie erwähnt, die Buntspechte mit ihrer Zunge derartige Tiere wirklich zu durchbohren vermögen.
Die andere Gruppe der Spechte lebt, solange es irgend möglich ist, fast ausschließlich
von Ameisen, die sie, wie es scheint, sogar bei Frost in ihren Winterquartieren aufzufinden
wissen.1 Bei diesen hat die Zunge analog mit ändern ausschließlich ameisenfressenden
Tieren (z. B. Ameisenbär, Ameisenbeutler, Ameisenigel) das höchste Maß ihrer Ausstreck1
Grünspechte, die im Dezember und Januar bei F ro s t geschossen waren, hatten ausschließlich Ameisen, und zwar
in großer Menge im Magen. Dagegen bestand der Mageninhalt von Grauspechten in. dieser Jahreszeit vorwiegend aus
Käfern und Käferlarven, die im Mulm überwintern.