scheint mir der, daß tatsächlich No. 4569 ein Haushund und kein Schakal ist. Da muß ich denn zunächst
einmal sagen, daß die Kieferränder besonders des Unterkiefers dermaßen durch Osteolyse zerstört
sind, daß sie schon allein zeigen, daß es sich um ein domestiziertes Tier handelt. Es zeigt dann
auch dieser Schädel noch weitere Merkmale der Domestikation, wie wir sie aus der W o 1 f g r a m m’schen
Arbeit schon kennen lernten. Es sind alle Leisten und Muskelkanten, besonders die Crista sagittalis
viel schwächer selbst als bei dem bedeutend jüngeren Mumienschädel No. 4568. Und die sonst
kräftigeren oberen Schläfenbögen verstreichen fast ganz. Dann finden wir die starke Knickung der
Profillinie mit stark erhöhter Stirn. Dies mögen die folgenden Zahlen illustrieren:
Haushund
No. : 495 4598 No. 4569
Siut Siut
Höhe von der Mitte zwischen dem Hinterrand der vorderen
Gaumenlöcher bis zur Mitte des vorderen Randes eines
Nasenbeines 22 21 22
Höhe vom Vorderrand des Palatinum bis zur queren Naseneinsattelung
28 27 30
Höhe vom Hinterrand des harten Gaumens bis zur Mitte
zwischen den Postorbitalfortsätzen 45 45 51
Senkrechte Höhe über dem Vorderrand des Basisphenoid 43 43 44
Es zeigt die letzte Reihe, daß zwar der ganze Hirnschädel an Höhe zugenommen hat, daß aber
die Höhenzunahme in der Gegend des Stirnfeldes am stärksten ist. Dies hängt mit der Vergrößerung
der Stirnhöhlen zusammen, als deren äußerliches, sichtbares Zeichen wir eine viel stärkere Abwärtsbiegung
der Postorbitalfortsätze, sowie eine schwache mediane Einsenkung an Stelle des bei dem
C. lupaster fast ganz ebenen Stirnfeldes finden. Wie der Hirnschädel an Höhe zugenommen hat, so
ist er auch an Breite gewachsen. Es läßt sich dies in nur sehr schwachem Maße durch Zahlen zeigen
(vgl. Tab. I und Tab. IV), da die Zunahme hauptsächlich in einer stärkeren Auftreibung am oberen
Teile der Seiten beteht.
Mit der Erhöhung der Stirn hängt dann auch wohl die Aufrichtung des vorderen Augenrandes
zusammen, die wir gleichfalls schon als eine Folge der Domestikation kennen lernten.
Im Gebiß macht sich eine Reduktion des 52? im Ober- und m, im Unterkiefer, sowie des P? bemerkbar.
Diese Reduktion des oberen Höckerzahnes, während die Prämolaren, abgesehen vom Reißzahn noch
nicht reduziert sind, beweist uns, wie sehr gerade die Molaren zur Verkleinerung neigen, und beweist
damit, daß ihre Größe beim Schakal niemals als Hinderungsgrund gegen seine Stammvaterschaft
der Haushunde geltend gemacht werden kann. Daß der Reißzahn als wichtigstes Glied des ganzen
Gebisses vor den anderen Zähnen reduziert ist, steht ganz im Einklang, mit den W o l f g r am m’schen
Beobachtungen. Aber das Verhältnis des oberen Reißzahnes zu P§ ist annähernd dasselbe geblieben
wie bei dem Wildhunde (vgl. Zahlen p. 95).
Aus allem diesen mag zur Genüge hervorgehen, daß der Schädel No. 4569 einem domestizierten
Tiere angehörte. Und es ist dann bei der Haustierwerdung schließlich reine Gefühlssache, wenn
wir ein Tier noch als Schakal oder schon als Hund bezeichnen wollen. Nach meiner Ansicht haben
wir hier einen Hundeschädel vor uns mit allen Merkmalen eines solchen. Interessant ist dabei
jedoch, daß die Verhältnisse der Knochen des Schädels, wie ein Vergleich der Maßzahlen lehrt, dieselben
geblieben sind, während doch Wo l f g r amm schon in der ersten Generation seiner in der
Gefangenschaft geborenen Wölfe große Veränderungen feststellte. Die Erklärung für dieses verschiedene
Verhalten liegt eben darin, daß jene Wölfe in einem engen Raum gehalten wurden, wohingegen
jener Hund als ein Gefährte des Menschen sich größerer Freiheit erfreute und bei der Jagd alle seine
Muskeln in ständiger Übung erhielt. Besonders möchte ich dabei darauf hinweisen, daß die Bullae in gar
keiner Weise reduziert sind. Es verhält sich bei ihnen die Länge zur Breite wie 24: 19, womit sie sich trefflich
in den Rahmen des C. lupaster einfügen. Aber auch die schwer meßbare Höhe hat nicht im geringsten
abgenommen. Es ist also ihre Form noch unverändert dieselbe geblieben wie bei dem wilden Vorfahr.
Auf p. 95 habe ich schon versucht, den Nachweis zu führen, daß der Pharaonenwindhund
nichts gemein hat mit den Windhunden europäisch-asiatischer Heimat. Zu diesen scheint mir auch
der wahrscheinlich später eingeführte nordafrikanische Slughi zu gehören. Ich habe Schädel davon
zwar nicht selbst untersuchen können, doch glaube ich nach S t u d e r s Abbildung und Maßen zu
dieser Annahme berechtigt zu sein. Jedoch gibt es im Süden Ägyptens, im Sudan, in Abessinien,
in Uganda (letztere Angabe nach freundlicher mündlicher Mitteilung des Herrn Prof. 0 . N e u mann)
noch heutigen Tages Windhunde, die eine unzweifelhafte Ähnlichkeit mit den Ägyptischen
Darstellungen haben. Auch Westafrika scheint solche zu beherbergen. Von dort hatte wenigstens
der Berliner zoologische Garten vor ungefähr 3 Jahren ein Paar Hunde, die ausgezeichnet mit jenen
Abbildungen übereinstimmten und auch die Rute so charakteristisch aufgerollt trugen, und
schätzungsweise auch die Größe hatten, wie sie, nach dem Schädel und Bildern zu urteilen, der
Pharaonenwindhund hatte. Selbst in Ägypten scheinen sie nach L o r t e t und G a i l l a r d noch
hin und wieder vorzukommen. Aus dem Sudan hegt mir ein etwas größerer Windhundschädel (vgl.
Tab. IV) No. 2552 der kgl. Ldw. Hochsch. in Berlin vor. Das Tier ist, nach dem Schädelbau zu
urteilen, offenbar kein sehr altes gewesen, doch zeigt er deutlich die Merkmale des Windhundes. Dieser
Schädel gibt sich schon durch das Verhältnis des oberen Reißzahnes zu Ps = 1: 0,571 als Nachkommen
des Pharaonen Windhundes zu erkennen. Die Streckung des Schädels ist, wie aus einem Vergleich
der Basifacialachse und Basikranialachse beider hervorgeht, hauptsächlich auf Kosten des vorderen
Teiles zu setzen. Auf dieser Streckung beruht es auch, daß sowohl der Stirnabsatz selbst weniger steil
verläuft, als auch die quere Naseneinsattlung schwächer geworden ist. Es muß ja die Knickung
des Gesichtsprofiles bei Streckung des Gesichtsteiles geringer werden, ähnlich wie ein geknickter
und an einem Ende befestigter Draht bei Zug an dem freien Ende wieder gerade wird. Aber das
ganze Profil des Schädels ist stärker gebogen, indem die Schädeldecke nicht mehr wie bei dem alten
ägyptischen Hund horizontal verläuft, sondern sich nach hinten senkt. Der Hirnschädel selbst ist
etwas schmaler geworden und die Stirnhöhlen besonders hinter den Postorbitalfortsätzen länger und
kräftiger. Die Nasalia sind ebenfalls verlängert und haben ungefähr die Länge des Oberkiefers
erreicht. Hinter ihnen findet sich wieder eine kräftige Stirnfurche, die dem Pharaonenwindhund
fehlt und bei dem mumifizierten Schakalschädel nur angedeutet ist. Das Gebiß ist scheinbar, nach
den absoluten Zahlen zu urteilen, auf der Stufe des alten Hundes stehen geblieben. Merkwürdigerweise
hat nach Tab. IV. der 25? an Größe zugenommen. Aber diese Zahlen geben nicht das richtige
Verhältnis wieder. Wenn ich die Breite des inneren Teiles der Zahnkrone am inneren Fuße des
äußeren Höckerpaares messe und ebenso die Länge des inneren Teils der Zahnkrone am vorderen
Rande des Zahnes, so erhalte ich für den Pharaonenwindhund folgende Zahlen: 10: 9, und für den
Windhund aus dem Sudan 8Va: 9, welche zeigen, daß auch dieser Zahn reduziert ist. Die Ohrblasen
sind schon vollständig rückgebildet, sie sind klein, niedrig und flach geworden und lassen schon nichts
mehr von ihrer ehemaligen Gestalt erkennen. Ihre Länge verhält sich zur Breite wie 20: 15y 2.