Die größte Höhe der Orbita schwankt zwischen 1,03— 1,28: 1 bei den Wölfen
und 0,90— 1,13: 1 bei den Schakalen.
Auch diese Zahlen zeigen wieder, daß Schakale und Wölfe an ihren Grenzen ineinander übergreifen.
Auch wenn wir die Differenzen berechnen, kommen wir zu keinen schärfer trennenden
Zahlen. So schwanken die Differenzen von der Orbitalänge von Pröc. postorb. bis vord. unt. Orbitaecke
und dem unteren Augenrand bei den Wölfen zwischen 7 und 18 mm, bei den Schakalen zwischen
0 und 7 mm, die Differenzen vom unteren Augenrand und der größten Orbitahöhe zwischen 1 und
— 8 mm bei den Wölfen, bei den Schakalen zwischen 5 und — 21/2 mm. Ich habe nun noch versucht,
das Verhältnis der größten Länge der Orbita zur größten Höhe festzustellen, und dazu die letzte
Länge gleich 1 gesetzt (Tab. III,2). Ich finde dann bei den Wölfen ein Schwanken, von 1,11
bis 1,32: 1, bei den Schakalen ein solches von 1,00 bis 1,29: 1. Also auch hier finden wir wieder
Übergänge. Versuchen wir nun, aus diesen Zahlen einen Schluß zu ziehen, inwiefern sich die
Orbita des Schakals von dem des Wolfes im allgemeinen unterscheidet, so kommen wir zu folgenden
Resultaten:
Bei den Schakalen ist der Unterrand des Auges im Verhältnis zur Höhe größer, ebenso ist die
Höhe im Verhältnis zur Länge größer als bei den Wölfen, ferner auch der untere Augenrand im Verhältnis
zur größten Länge der Orbita größer als bei den Wölfen. Daraus nun folgt die größere Länge
und Weite der Orbita der Schakale, wie dies S t u d e r schon gefunden hat. Daraus, daß der untere
Augenrand, die größte Höhe und die größte Länge der Orbita weniger verschieden sind als beim Wolf,
folgt, daß die Orbita des Schakals runder und der untere Augenwinkel weniger weit nach vorne ausgezogen
sind, d. h. der vordere Augenrand mehr senkrecht steht. Ferner kommt dazu, daß der untere
Augenrand im allgemeinen bei den Schakalen sowohl seitlich als auch nach unten stärker geschweift
ist als beim Wolf, wodurch er etwas an die Füchse erinnert. Ferner liegt die größte Höhe der Orbita
bei den Schakalen gewöhnlich dort, wo sich die Augenränder am meisten nähern, während sie bei
den Wölfen hinter diesem Punkte liegt.
Schließlich habe ich noch versucht, über die Stellung der Augenachse etwas zu eruieren. Ich
habe zu diesem Zweck die Breite des Schädels über dem vorderen Ende des unteren Augenrandes
und die Breite über dem Proc. postorb. infr. gemessen, dort wo er in den Jochbogen übergeht. Setzt
man nun die erste Größe = 1, so schwankt die zweite zwischen 1,31 und 1,46 bei den Wölfen, zwischen
1,40 und 1.69 bei den Schakalen (vgl. Tab. III,3). Also auch hier finden wir keine scharfe Trennung,
doch stehen beim Schakal im allgemeinen die Augen mehr nach vorne als beim Wolf.
Diese Beispiele mögen genügen, um zu beweisen, daß es zwischen Wölfen und Schakalen keine
scharfe Trennung gibt. Auch in bezug auf das Nasenrohr und das Hinterhauptsloch können wir
ähnliches feststellen. So hat z. B. der C. lupaster eine außerordentlich hohe Schnauze, während der
C. studeri oder der C. doederleini plattschnauzig sind.
Hier ist es vielleicht auch am Platze, auf einen Unterschied im Gebiß zwischen Wolf und
Schakal hinzuweisen. Der untere m2 ist mit 3 Ausnahmen (No. 351, 1386, 1860, die beiden letzteren
fraglich, da stark abgekaut) bei den Wölfen der Straßburger Sammlung 3 spitzig. Bei den Schakalen
ist er im allgemeinen kräftiger und häufig 4spitzig. Ferner sind die beiden vordersten Höcker dieses
Zahnes beim . Schakal annähernd gleich und von einander weiter getrennt und viel unabhängiger
als beim Wolf, wo sie in der Regel dicht auf einer gemeinsamen Erhöhung zusammenstehen. Auch
ist die Spitze ß’ ( D o e d e r l e i n s c h e Bezeichnung, vgl. Anm. p. 42) 'beim Wolf erheblich kleiner
als beim Schakal. Auch der untere Reißzahn ist bei beiden verschieden gebaut. Der Talon ist beim
Schakal größer, die beiden Höcker weniger verschieden als beim Wolf. Bei seitlicher Ansicht ist die
Krone niedriger, die Höcker des Talon kräftiger, weshalb der Haupthöcker schwächer erscheint, ohne es
eigentlich zu sein. Dann ist auch der Grundriß des Zahnes etwas anders. Man sieht dies am besten
bei Betrachtung des äußeren Randes des Cingulums. Zunächst ist der mx beim Wolfe im Verhältnis
zur Länge dicker, dann liegt sein größter Durchmesser am oder vor dem vorderen Ende des Haupthöckers,
während er beim Schakal gewöhnlich in der Mitte des Haupthöckers liegt, daher kommt es,
daß der Reißzahn des Wolfes nach vorn (immer die äußere Seite betrachtet) verhältnismäßig plötzlich
oft unter Bildung einer abgerundeten Ecke zugeschärft ist, während der Schakalzahn sich allmählicher
nach vorn zuschärft. Damit hängt es wohl auch zusammen, daß Höcker a mit ß beim Wolf einen
nach innen viel offeneren Winkel bildet als beim Schakal. Es erscheint somit der Schakalzahn
schlanker und schwächer. Das wichtigste und sicherste Unterscheidungsmerkmal hegt aber im
Innenhöcker ß1. Dieser ist beim Schakal außerordentlich kräftig und selbständig, während er beim
Wolf nur schwach ist. Schließlich ist noch ein Unterschied in der Zahnstellung erwähnenswert. Beim
vollständig erwachsenen Wolf (nicht beim Jungen) bilden im Unterkiefer die Molaren mit dem Prämolaren
einen deutlich erkennbaren Winkel. Dieses habe ich bei den Schakalen nur einmal, nämlich
bei dem <? C. lupaster aus Marokko beobachtet. Sonst hegen beim Schakal untere Molaren und
Prämolaren in einer Linie. Dies sind Unterschiede, denen natürlich kein höherer Wert zukommt
als den bisher besprochenen, d. h. es wird eben Übergänge geben. Außerdem haben diese Unterschiede
noch den Mangel, daß sie nicht durch Zahlen ausdrückbar sind. Trotzdem hoffe ich, werden sie
willkommen sein, wenn es sich darum handelt, bei fossilen Funden Schakal und Wolf zu unterscheiden.
Erlauben sie doch bei einiger Übung, mit größerer Sicherheit als bisher Unterkieferreste
der einen oder anderen Untergattung zuzuschreiben.
Es ist also zwischen Wölfen und Schakalen keine scharfe Trennung möglich. Trotzdem zeigen
die Schakalschädel eine engere Zusammengehörigkeit, die eine Sonderung in die Untergattungen Canis
L. und Thos Oken für wünschenswert erscheinen lassen; oder wir müßten überhaupt die Gattung Canis
nicht in Untergattungen zerlegen. Denn wie wir im Verlauf dieser Arbeit gesehen haben, läßt sich
vom Fuchs bis zum Wolf eine Reihe mit allen Übergängen aufstellen. Dementsprechend ergibt sich
auch eine natürliche Systematik der altweltlichen Caniden mit 42 Zähnen, die ich mir, etwa wie folgt,
vorstelle. Es ist dabei, der Fuchs als das eine, der Wolf als das andere Extrem angenommen.
Vulpes, Alopex, Schäffia, Alopedon, Simenia, Lupulella, Thos, Canis.
In dieser Reihe fehlen noch die kleinen fuchsartigen Untergattungen, wie z. B. Megalotis.
Über diese habe ich keine Untersuchungen gemacht, sodaß ich nicht sagen kann, ob sie von Vulpes
zu trennen sind. Doch scheint es mir, wenn dies der Fall ist, daß sie noch vor Vulpes zu setzen wären.
Die Untergattung Lupulella habe ich vor Thos gesetzt. Es ist schwer, ihr die richtige Stellung anzuweisen,
sie müßte eigentlich in gleiche Höhe mit Thos gestellt werden. Da sie in der Entwicklung der
Zähne und der Stirnhöhlen über Thos hinausgeht, in der Form des langen, auf der Erde schleppenden
Schwanzes, der Ausbildung des Hinterhauptes und des unteren Augenrandes, dagegen sich mehr
an die Füchse anschließt. Übrigens möchte ich mich gleich hier dagegen verwahren, daß ich diese
Reihe etwa als Stammreihe gedacht wissen will, sie soll nur den Zweck haben, ohne Rücksicht auf
Abstammungsverhältnisse die lebenden altweltlichen Wildhunde natürlich zu gruppieren.