langem. Ja, wäre es da nicht ein großer Irrtum, anzunehmen, man habe früher absichtlich eine
verkürzte Schnauze gezüchtet, während die Verkürzung tatsächlich nur eine Nebenerscheinung der
Domestikation war. Übrigens sei hier noch hervorgehoben, daß die Verlängerung der Schnauze auch
eine Erhöhung in sich bedingt; und so hat tatsächlich der Windhund mit längster Schnauze auch
gleichzeitig die höchste. Etwas Ähnliches können wir auch für den Collie nachweisen. Gleichzeitig
mit einer Verlängerung der Schnauze ist eine Erhöhung Hand in Hand gegangen, so daß der Gesichtsteil
eines modernen Collie einen vollständig windhundartigen Eindruck macht.
Haben wir also im Vorigen gesehen, daß keine Gründe vorliegen, welche den Schakal von der
Stammvaterschaft der Haushunde ausschließen, so fragt es sich nun, welche altweltlichen Caniden
mit 42 Zähnen sind a priori davon auszunehmen? Da haben wir zunächst alle Caniden, die noch
irgendwelche Fuchsmerkmale zeigen; dahin gehören alle, welche in der auf p. 81 auf gestellten Reihe
links von der Subgattung Thos stehen, denn wir finden bei keinem Haushundschädel irgend ein an
den Fuchs gemahnendes Merkmal. Aber auch nicht alle Repräsentanten der Subgattung Thos
scheinen in der Ascendenz der Haushunde eine Rolle zu spielen. Vor allen Dingen möchte ich dazu
den C. mengesi und seine Verwandten rechnen. Dieser Wildhund erinnert noch in mancherlei an die
Füchse. Mit seinen kaum angedeuteten Hirnhöhlen, seinem ebenen, flachen Stirnfeld, an dem die
Augenränder vor den Processus postorbitales noch eine Neigung zur Aufwärtsbiegung zeigen, und
das bei seitlicher Ansicht ohne Absatz in gerader Linie in den Nasenrücken übergeht, und mit der
feinen, spitzen Schnauzenpartie zeigt er keine Beziehung zu den Schädeln mir bekannter Haushunde.
Ebenso möchte ich ohne Weiteres sämtliche von mir erwähnte Formen des C. aureus als an der Entstehung
der Haushunde beteiligt zurückweisen. Zwar sind die Stirnhöhlen hier schon stärker entwickelt
als bei dem C. mengesi, was sich an den recht stark abwärts gebogenen Postorbitalabsätzen
erkennen läßt, aber auch hier ist das Stirnfeld in der Mitte noch recht flach, man kann kaum von
Einsenkung sprechen. Ferner spricht gegen seine Stammvaterschaft das gerade Profil, auf das ich
schon früher aufmerksam machte. Etwas Ähnliches finden wir bei keinem Haushunde, höchstens
beim Windhund. Zum Windhundschädel, zeigt aber überhaupt der Schädel des C. aureus keine
Beziehung, er ist in allen Teilen, besonders in der Schnauzenpartie viel zu breit. Überhaupt ist diese
auffallend breite, plumpe Schnauze mit ein Grund, der gegen eine Stammvaterschaft des C. aureus
spricht. Die Schnauze ist so breit, plump und wenig abgesetzt, wie dies bei keinem Haushunde der
Fall ist, während ohnedies bei der Domestikation des Wolfes wie beim Haushunde die Schnauze
besonders am Incisivteil zur Verbreiterung neigt. Nun hat zwar K e l l e r den C. aureus direkt als
Stammvater des C. f. palustris bezeichnet, einfach aus dem Grunde, weil zufällig 10 Maße eine fast
absolute Übereinstimmung ergaben. Dem ist entgegenzustellen, daß einmal bei der großen Übereinstimmung
aller Canidenschädel gleich große Schädel in sehr vielen Maßen übereinstimmen (vgl. Tab.l),
dabei aber doch ein total verschiedenes Aussehen haben können. Dann hat uns Wo l f g r am m
in seiner weder von S t u d e r noch von K e l l e r berücksichtigten Arbeit gezeigt, wie gewaltige
Umänderungen die Gefangenschaft am Schädel des Wolfes hervorbringt; daß der Einfluß am
Schakalschädel nicht geringer ist, davon kann man sich leicht in den Museen überzeugen, wo Schädel
aus zoologischen Gärten aufbewahrt werden. Bei diesen großen Umgestaltungen spricht aber ein
absolutes Übereinstimmen von 10 Maßen eher gegen als für eine Stammes Verwandtschaft; es sei
denn, daß noch eine Formenähnlichkeit dazu komme, wie wir dies noch finden werden. Überhaupt
scheint es mir zweifelhaft, ob sich bei der Abstammung der Haushunde irgendwie mit Zahlen, seien
es absolute oder relative, arbeiten läßt, hat doch Wo l f g r am m gezeigt, daß die einzelnen
Schädelknochen in ganz verschiedener Weise geändert werden. Nach meiner Meinung scheint nur
eine ganz genaue Vergleichung der Form und das Experiment, das uns lehrt, welche Veränderungen
Vorkommen können, zum Ziele zu führen. Ist einmal in allen noch möglichen Fällen das Experiment
ausgeführt, bei ausgestorbenen Caniden ist das ja nicht mehr möglich, so können wir vielleicht auch
mit relativen Zahlen etwas erreichen. Absolute Zahlen haben nur insofern Wert, als sie uns einen
ungefähren Vergleich in der Größe zulassen.
Sind also diese beiden Arten noch mit Sicherheit von der näheren Verwandtschaft mit den
Haushunden auszuschließen, so liegt bei C. gallaensis und C. variegatus schon immerhin eine schwache
Möglichkeit vor, daß sie an der Entstehung der Haushunde beteiligt waren, insofern als bei ihnen
schon ein schwacher Stirnabsatz vorhanden und das Stirnfeld, wenn auch sehr unbedeutend, bei
einigen Individuen eine allerdings kaum wahrnehmbare Wölbung in der Längsrichtung hat. Allerdings
scheint mir die Stirnpartie noch immer viel zu eben und die Konfiguration der Gesichtsschädel
mit dem langen zylindrischen Schnauzenteil, dessen Seitenwände so eigentümlich gewölbt sind, viel
zu abweichend gebaut, um auf sie irgend welche Haushunde zurückzuführen.
Die noch übrigbleibenden Schakale können ihrem Schädelbau nach recht wohl in Beziehung
zu den Haushunden gebracht werden. Es soll hiermit nur die theoretische Möglichkeit ausgedrückt
werden, wobei es nun noch zu untersuchen bleibt, ob sich wirklich Haushunderassen auf sie zurückführen
lassen. Was C. studeri anbelangt, so hat er allerdings sehr grosse Molaren, doch kann ich
darin keinen Hinderungsgrund erblicken. Denn wenn überhaupt die Domestikation die Zähne verkleinert,
so ist das ohne Bedeutung, ob sie ursprünglich etwas größer waren oder nicht.