II. Nord afrikanische Haushunde, die nicht von altägyptischen abstammen.
1. Hierhin gehören zunächst 2 Schädel kleiner Hunde aus Abessinien (T. X, Fig. 22a, b) im Besitze
der Straßburger zoologischen Sammlung. In Form und Maßen stimmen sie wunderbar sowohl unter
sich überein als auch mit den Angaben von S t u d e r über die Spitze. Diese Übereinstimmung ist so
groß, daß ich mich hier mit einer Angabe der Maße begnügen kann. Es unterliegt daher gar keinem
Zweifel, daß wir es mit Angehörigen der palustris-Gruppe zu tun haben. Da uns Vertreter davon
aber aus dem alten Ägypten nicht bekannt sind, so müssen sie in nachägyptischer Zeit eingeführt
sein. Es könnte vielleicht noch die Frage aufgeworfen werden, ob sie nicht mit dem C. riparius
verwandt sein könnte. Doch glaube ich dies wegen der relativen Größe und Stärke der Hunde
verneinen zu können. Die relative Größe des Gebisses läßt erkennen, daß wir es mit primitiveren
Tieren zu tun haben, als die modernen europäischen Vertreter dieser Gruppe sind (vgl. Stude r (41)
p. 36 Tab.).
2. Ein ganz mächtiger Schädel liegt mir in No. 1616 der kgl. Ldw. Hochsch. Berlin, q*, vor. Er
stammt aus Ägypten, ist von S c h w e i n f u r t gesammelt und als w (weißer? Anm. d. Verf.)
Wolfshund bezeichnet. Die Leisten und Muskelansätze sind alle kräftig entwickelt. Der Hirnteil
des Hirnschädels erscheint neben den mächtig entwickelten Stirnhöhlen klein. Er ist auch in der
Parietalregion wenig verbreitert, da die Seiten in schwacher Wölbung abfallen. Die Schläfenenge,
die fast in der Mitte zwischen Postorbitalfortsätzen und dem kaum nach hinten ausgezogenen Hinterhauptshöcker
hegt, ist wenig eingeschnürt, der Teil vor ihr außerordentlich verbreitert. Das sehr
breite Stirnfeld ist stark gewölbt. Der Stirnabsatz ist kräftig, die absteigende Linie ein wenig konkav,
und die quere Naseneinsattlung hegt weit zurück. Der Gaumen ist sehr breit, ebenso die Schnauze,
obwohl sie vor den F. infr. stark abgesetzt ist, was durch die sehr schräge Stellung des P? angedeutet
wird. Die Ränder verlaufen parallel, ebenso wie die P2 beiderseits parallel stehen. Die Bullae sind,
obwohl nicht groß, doch nicht als verkümmert zu bezeichnen. Sie sind eiförmig aufgetrieben und
ungekielt. Die Zahnreihe des Unterkiefers ist stark gebogen. Alle diese Angaben zeigen schon,
daß wir es mit einem zur Doggengruppe gehörigen Wolfsnachkommen zu tun haben, mit denen die
alten Ägypter völlig unbekannt gewesen zu sein scheinen. Möghcherweise handelt es sich um den
Schädel eines Ermeuterhundes.
3. Die Straßburger Sammlung besitzt 2 Schädel No. 181a und b, von denen der erstere als „afrikanischer
Schäferhund,“ der zweite als „afrikanischer Wolfshund“ bezeichnet ist (T. X, Fig. 24a, b). Aber
die Ähnlichkeit beider, die schon durch fast übereinstimmende Maße (T. IV) angezeigt ist, ist so groß,
daß ich trotz dieser verschiedenen Bezeichnung nicht anstehe, beide für Angehörige derselben Rasse
zu halten. Die geringen Unterschiede erklären sich leicht durch die Annahme, daß der spitzschnauzige
Schädel 181a einem $, der andere einem <3* angehört habe. Der geräumige Hirnschädel hat in der
Parietalregion schön gewölbte Seiten. Bei 181b verschmälert er sich stärker nach vorn als bei 181a,
wo die Seiten mehr parallel verlaufen. Die Schläfenenge ist mäßig eingeschnürt und die Verbreiterung
vor ihr schwach. Das lange, schmale Stirnfeld ist bei 181 a stark gewölbt, die Postorbitalfortsätze
sind stark abwärts gebogen, median ist es kaum eingesenkt, die schwachen, fast verstreichenden,
bei beiden Schädeln fast geraden, oberen Schläfenbögen vereinigen sich etwas vor der Parieto-Frontal-
naht zur schwachen Crista sagittalis. Bei 181 b dagegen vereinigen sie sich erst kurz vor der Hinterhauptsschuppe.
Das sehr schwach gebogene Stirnfeld ist bis zu einer Linie, die die Postorbitalfortsätze
verbindet, ebenfalls flach, davor ist es plötzlich median tief eingesenkt. Es hegt bei ihm daher
auch die Nasenwurzel viel tiefer als die vorderen Fortsätze der Stirnbeine, während sie bei 181 a
ungefähr in derselben Ebene hegen. Bei 181 b sind die Nasenbeine kürzer als der Oberkiefer, bei
181 a gleich lang. Eine Stirnfurche ist bei beiden vorhanden. Der Stirnabsatz ist stark, im Profil
ein wenig konkav, so daß auch die quere Naseneinsattlung kräftig ist. Die Schnauze ist vor den
F. infr. stark abgesetzt, da die P§ ziemlich schräg, bei 181 b sogar anormaler Weise fast senkrecht
zur Längsachse des Schädels stehen. Bei ihm erscheint die Schnauze ziemlich breit und plump, ihre
Ränder verlaufen annähernd parallel. Während sie bei 181 a viel zierlicher erscheint, da sie sich
etwas nach vorn verjüngt. Der Gaumen ist in seinen hinteren Partien breit. Die Bullae sind stark
rudimentär, ihre runzlige Decke ist bei 181 b stärker auf getrieben und zeigt Andeutungen eines
Kieles, bei 181 a ist sie schwach eingesenkt. Die Jochbogen sind wenig ausgeweitet. Am Unterkiefer
ist der Processus angularis stark, der Lobus schwach und der gestreckte Körper verjüngt sich
stark nach vorn.
Was die Herkunft dieser Hunde anbelangt, so hat ja die Stirnpartie von 181 a eine unleugbare
Ähnlichkeit mit manchen Formen aus der Canis palustris-Gruppe, aber ich finde, daß diese Hunde
bei gleicher Größe eine kräftigere Stirn haben, was auch ein Vergleich der Breitenmaße über den
Postorbitalfortsätzen mit den von S t u d e r für Spitze angegebenen Zahlen zeigt* Auch an die
Gruppe der Schäferhunde wäre besonders bei 181 b zu denken, die ja von Frankreich her in Nordafrika
eingeführt sein sollen, aber wahrscheinlicher scheint es mir, daß es sich um den gezähmten
C. studeri handelt. Mit ihm haben sie die Form des Hirnschädels gemeinsam, auch die Form des
Stirnfeldes läßt sich, ebenso wie die der Gesichtspartie unter Voraussetzung der bei der Domestikation
erfolgten stärkeren Knickung der Profillinie und Wölbung der Stirn auf die jenes Schakals zurückführen.
Besonders die Form des Stirnfeldes spricht gegen Ableitung von anderen Schakalen, an die
noch zu denken wäre, wie z. B. den C. sacer. Doch ist es bei ihm viel zu breit, und die oberen Schläfenbögen
sind viel zu stark gekrümmt. Schließlich ist bei beiden der Verlauf des unteren Unterkieferrandes
der nämliche, und beide haben dieselbe Form des langen und schmalen, unteren Reißzahnes.
Demnach wäre dieser Hund als C. studeri domesticus zu bezeichnen.
4. Schließlich bleibt noch der Schädel No. 2775 aus Nubien der kgl. Ldw. Hochsch. übrig. Der
Hirnschädel ist in der Parietalgegend mäßig aufgetrieben, in der Schläfenenge stark eingeschnürt.
Davor verbreitert er sich wieder etwas. Das kurze, schmale Stirnfeld ist gewölbt, aber weder median
eingesenkt, noch sind die Postorbitalfortsätze abwärts gebogen. Eine Stirnfurche ist angedeutet.
Die Crista sagittalis ist kräftig, die schwachen oberen Schläfenbögen sind wenig gebogen. Der Stirnabsatz
ist stark, die quere Naseneinsattlung schwach, sodaß sich der Nasenrücken nach vorn senkt.
Die Schnauze ist wenig vor den F. infr. abgesetzt. Ihre Ränder verlaufen annähernd parallel. Der
P3 steht in der Verlängerung der Längsachse des P4. Die P2 verlaufen fast parallel. Die Bullae
sind nicht sehr stark rudimentär, vielmehr ein wenig aufgetrieben und gekielt. Alles in allem erinnert
dieser Hund an den Sudanwindhund No. 2552, aber schon die Breite aller Teile wie die Kürze des
Gesichtsteiles zeigen, daß es kein echter Windhund ist, doch mag es sich um die Kreuzung eines
solchen mit einem Pariahhund handeln, obwohl man auch an eine selbständige Entstehung aus dem
C. sacer denken kann.