Infolge seiner längeren Persistenz hat also das Milchgebiß bei den Centetidae und
Chrysochloridae eine größere physiologische Bedeutung als dasjenige bei der Mehrzahl
anderer Säugetiere und hat deshalb auch — wenigstens als Ganzes — keine Rückbildung
erfahren können. Da nun, wie wir gesehen, das Milchgebiß immer die historisch, ältere
Zahngeneration darstellt, und da diese ältere Zahngeneration hier in voller Funktion steht,
sind wir also berechtigt anzunehmen, daß d a s M i lc h g e b iß d er f r a g l i c h e n T ie r e m it
dem Z a h n s y s tem ih r e r V o r fa h r e n in a lle n w e s e n t l ic h e n M e rkm a le n ü b e r e
in s tim m t.
Eine vergleichende Untersuchung dieses Milchgebisses ergibt nun als Resultat, daß
dasselbe bei a lle n Centetidae besser mit dem Ersatzgebiß der kleinen Microgale-Arten übereinstimmt,
resp. sich diesem mehr nähert all? das Ersatzgebiß. Oder m. a. W.: Im M i lc h g
e b iß n äh e rn s ic h die v e r s c h ie d e n e n G e b iß fo rm e n d er C e n t e t id a e e in a n d e r
mehr a ls im E r s a t z g e b iß und zw ar in d e r W e is e , d a ß s ie im e r s te r e n b e s s e r
a ls im le t z te r e n mit den k le in e n M i c r o g a l e -A r t e n ü b e r e in s t im m e n . Als. Belege
dieses Satzes mögen folgende Einzelheiten hier hervorgfehoben werden:
i) Die Kronenform der Schneide- und Eckzähne bei Microgale mit ihren mehr oder
weniger starken Basalspitzen ist Prämolaren-ähnlich. Diese Basalspitzen sind nun bei allen
Centetidae im Milchgebiß stärker ausgebildet als im Ersatzgebiß. Selbst bei Centetes, dem
in gewisser Beziehung am höchsten differenzierten Mitgliede der Familie, bei dem an den
genannten Zähnen im Ersatzgebiß die Basalspitzen entweder fehlen oder schwach sind,
kommen sie an den entsprechenden Milchzähnen vor, beziehungsweise sind stärker entwickelt
als im Ersatzgebiß.
' 2) Bei Oryzorictes und Ericulus (Fig. n — 15, 29— 32) ist Cd absolut und relativ
niedriger als C und mit Basalspitzen versehen, also mehr als dieser mit dem Eckzahne bei
Microgale übereinstimmend.
3) Die starke Differenzierung, welche sich im Größenunterschiede der beiden vordersten
oberen Schneidezähne im Ersatzgebiß bei Microgale dobsoni, Oryzorictes, Ericulus
und Potamogale kundgibt, ist im Milchgebiß viel weniger ausgeprägt, mehr sich dem Verhalten
bei den kleineren Microgale-Arten nähernd.
4) Bei Oryzorictes stimmen die unteren Milchschneidezähne durch das Vorkommen
viel stärkerer Basalspitzen weit besser als die Ersatzzähne mit dem Verhalten bei Microgale
(besonders M. cowani) überein.
5) Bei der am meisten aberranten Microgale-Art, M. dobsoni, welche sich unter anderem
durch besondere Entwicklung und Größe des n und 12 auszeichnet, sind diese Zähne
im Milchgebiß mehr wie dieselben bei den kleineren Arten beschaffen.
6) Während P3 bei Oryzorictes und Centetes sehr eigenartig ist und stark von demselben
Zahne bei Microgale abweicht (Textfig. XXXII, XXXIV), hat Pd3 bei jenen einen
ganz anderen Bau und stimmt im wesentlichen (Vorhandensein der labialen Leiste, gut ausgebildeter
Innenhöcker) mit den Befunden bei Microgale überein (Textfig. XXXIII, XXXVI).
Stellen wir diese Tatsachen damit zusammen, daß bei den kleineren Microgale-Arten
selbst
1) Schneide- und Eckzähne des Milchgebisses meist besser mit Basalspitzen ausgerüstet
sind als die entsprechenden Ersatzzähne;
: to®Wgrschied zwischen Haupt- und Basäl®p§ze am Id i nicht so stark hervor-
tritt als am 1 1; und
3) daß die unteren Anlemolaren des Milchgebisses gleichförmiger sind als im Ersatz-
gebiss&k: >
sjjbiürfen wir wohl, ohpj|.:§en Boden Igstgestellter Tatsachen:§tä}J»erlassen, den Schluß ziehen;
■ .dajfej das Zahn System jijjä d en ■ k le in e r e n M ic r o g a le -A r t e n au ch das h is to -
ä ltH teU * s t, und s j d a ß H e Au sg an jg sfio rm von M i c r o g a l e und d am it
von a lle n C e n t e t id a e mehr g le ic h tö rm ig e , mit d r e is p it z ig e n K r o n e n v e r -
s<Tt e)tjg| A n t e m o.i a r o u g e h a b t hat. Nur unter Annaboye-dieser Anschauung wird uns die
Morphologjs; des; S.Knte:id(M/lit:.bisse|4 verstäi:dlid:.
;l)a nun, .wie g e n bereits kervorgehober: worden; bei der Mehrzahl der heutigen
Centetidae die-Prämolarform ganz allmäMich in die Molarform übergeht, erhält somit das
la ls s fs tem diejisr F am ilieB in e .-g e * jS Gleichartigkeit der Ä h n a rten , wodurch dasselbe
vpn demjenigen der Mehrzahl anderer heterodonter Säuger unterscheidet und sich dem-
mancher: ju r a ^W | g h e r päuger und, wJSjdieStBackenzahnreihe betrifft, mehrerer
(.äferaEEhoii 1 a nähert.
-I- Wir wenden uns jetzt zu solchen Umformungen einzelner Zähne, welche von allgemeinerem
morphologischem Ih te rÄ e sind, und beginnen mit dem Kckzahr..
Mit Hilfe etnfe. Materials ,das, auch wanifdie paläontologischett Aufschlüsse betrifft,
als befiiedigend angesehen werden 'kann habe ich1 feststellen können, daß bei E r in g ic e id a e
die; prämol^ähjili^».zweiwuEz^&si Eckzahnform die h is to r iS älteste ist/ Sowie daß bei
eineii/ErinacetisrÄrt (E. europae|js) .-dieser Zahn duroll jijlnen Ihifferenzierungsprozeß,? dessen
Etappen-...wir in 0 ), individuellen Variation wiederfir.den, sieh -von e in fi Form mit Prä-
niolaren-Krone und mit zwei getrennten Wurzeln züim wirklichen Eckzahntypus mit einer
oder zwei WurzekViausgebiklet hat.
Auch bei den Centetidae. treffen/wir alle Abstufungen von einem völlig prämolar-
artigen Zahn zu einem typischen Eckzahn. Daß auch hier der erstgenannte Zustand der
ursprüngliche ist, ist wahrscheinlich schon im Hinblick teils auf die oben mitgeteilte, durch
historische Urkunden 1 wiesene Entwicklungsart bei Erinaceidac, teils auf die Tatsache, daß
bei den ältesten, den mesozoischen Säugern die Zweiwurzeligkeit verbunden entweder mit
prämolarartigerjgpü mit h ö h ^ v , typisch eckzahnartiger Krone,¿.eine gewöhnliche Erscheinung
ist. Mehr unmittelbare Beweise für diese Anschauung erhalten wir zunächst betreffs
’f e .o b e r .e n .KokzaimsSiurch folgende Tatsacher.:
jMBei den kleineren Microgale Arten, welche wir vorher als die ursprünglichsten
»gptetidae kennen; gelernt haben, hat er stets eintihprämolarartige Krone und, wenn auch
nur ausnahmsweise, zwei Wurzeln.
üiAZjfAuch bei denjenigen Arten, wo er im Ersatzgebiß tyjSMiei Eckzahnform aufweist
(Centetes) oder in mehreren, ¡sowohl prämolarartigen als typisch eckzahnartigen Formen
auftritUfMicrogaie, OryzoriotcägKricchus sctosujf| isfe'im Milchgebisssäidie prämolarartige resp,
die. am wenigsten typisch eckzahnärtige^f'orm vorhanden; Betreffs Ericulus setosus siehe
unten.
U m b ild u n g en
e i n z e l n e r
Zähne.
U m-
b i l d ü n g e n
d e s
E c k z a h ns.
U r s p r ü n g -
i c h k e i t d e s
P r ä m o l a r a
r t i g e n
E c k z a h n s .
1 02 pag. 38.
Zoologlca. H e ft 49.