S p e c h t fre ilic h zu e rst e in ig e A n g a b e n ü b e r s e in e Zu n g e , d ie au s d e n ä lte re n W e rk e n k ritik los
a b g e s c h rie b e n sind, d a ru n te r a u c h d ie B e z e ich n u n g „ b r e it“ au s A r i s t o t e l e s . Beim
S chw a rz sp e ch t a b e r b em e rk t G e s s n e r (17) : „(Seilte 3m tg , at§ in allen Spedjten gef<f)ieci)t, ift
langledjt, fjart, ttitb raucf) §u eufterft" (p ag . 480). B e im B u n tsp e c h t (P icu s v a riu s ex a lb o e t nig ro )
e rz ä h lt er, d a ß e r e in e Zeit la n g e in en so lch e n g e fa n g e n g e h a lte n h ab e . „$(J) Ijab etinan ba=
rin n toargenomnten, baji if)re guttg burd^ ben J a d e it geftrecft, gegen ber ftirit geluicfett, giutjfadj iüar:
bann im fdjlunb mirbt fie batb -jertfjeiit, mtitb burdj bie ¿Spauptfc^etjtetn, metdje fie gar nafje biojj f>e=
rühren, Kerben betybe tljeil für fidj gemideit, uttb gefeit in ber mitten jnnfdjen ben Singen miberntnb
jufammen, unb fornmen bafelbft faft unter ba§ 93ein ber $auptfdjetytelit (d. h. sie lieg en d o r t so
d ic h t am S ch äd e l, d a ß sie fa s t in ihn e in zu d rin g en sch e in en ). @0 bie 3 un9 gejogeit ift,
folgen bie $n>een jertfjeilten tfjeil Ijernadj. ftdj üernteiit aber, bafj bie guitg in aitbern ©pecf|ten audj
alfo gertfjeiit unb georbnet fetj" (p ag . 481).
Im Gegensatz zu den Werken des A lb e r tu s und G e s sn e r erscheint die Ornithologie
des A ld r o v a n d i (1599) als ein echt wissenschaftliches Buch. A ld r o v a n d i macht
in seinem Werke nicht nur einen strengen Unterschied zwischen sagenhaften Überlieferungen
und solchen, die ihm biologisch möglich erscheinen, sondern seine Ausführungen beruhen
großenteils auf eigenen Untersuchungen, die in Anbetracht der Zeit, aus welcher sie stammen,
oft staunenswert genau und richtig sind. In dem großen Abschnitt über die Spechte wird
auch die Anatomie der Zunge nach eigener Anschauung behandelt, und die dazu gegebene
Figur (4 pag. 838) gehört, wenn man von der mangelhaften Reproduktion absieht, zu den
genauesten und besten anatomischen Zeichnungen der Spechtzunge, die existieren. Der Text
dazu ist bei A ld r o v a n d i freilich sehr knapp und:beschränkt sich auf eine kurze Figurenerklärung,
so daß man nicht erkennen kann, wie weit er das sauber hergestellte Präparat
auch richtig verstand; jedenfalls aber kannte er den Verlauf der musc. genio-hyoidei genau,
unterschied diese von den Zungenbeinhörnern, welche in den Zungenschlauch eindringen,
kannte die Spiralwindungen der musc'. tracheo-hyoidei, die er aber, wie es scheint, an der
Basis des Zungenschlauchs endigen läßt, die musc- cleido-thyreoidei, wenigstens in ihrem
oberen Teil. Daß er sich über die Bedeutung dieser Muskeln klar war, wird man wohl
nicht annehmen können. Es hat mir eine besondere Freude gemacht, nach der anatomischen
Figur des A ld r o v a n d i ein Präparat herzustellen, das zeigte, wie genau diese Zeichnung
ist (Tab. III/ Fig. 26). Auch die Zunge des Wendehalses hat A ld r o v a n d i gekannt
und den Verlauf ihrer Hörner beschrieben (Cap. XLII, pag. 865).
Im Lauf des 17. Jahrhunderts entstanden im unmittelbaren Anschluß an das Werk
des. A ld r o v a n d i Arbeiten, welche die Anatomie zwar ausführlicher behandelten, dafür
aber, was Strenge und Gewissenhaftigkeit der Beobachtung betrifft, diesen bei weitem nicht
erreichten. W i l lo u g h b y (1676) spricht in seiner O r n i th o lo g ie Lib. II cäp. 5 von der
Zunge des Schwarzspechtes und Wendehalses und teilt seine Kenntnisse über die Zungenmuskulatur
des Grünspechtes mit (pag. 93), die sehr unklar sind. Seine Zeichnungen sind
teils nach denen des A ld r o v a n d i hergestellt, teils verweist er auf die anatomische Figur
in dessen Ornithologie. Dabei ist aber anzuerkennen, daß er selbst präpariert hat und seine
Beschreibung des Verlaufs der Zungenbeinhörner ist kurz und deutlich. Ö l ig e r J a c o b a e u s
(1680) dagegen gibt eine phantastische Figur, die sich bei genauer Betrachtung als eine
Mißgeburt aus zweien des A ld r o v a n d i herausstellt, urtd dazu den völlig mißverstandenen
Text seines Gewährsmannes, ohne diesen zu nennen. K o y t e r wieder, in der Anatomie des
G e r a r d us B la s iu s (1681) ist ebenfalls zweifellos von A ld r o v a n d i beeinflußt, legt aber
seiner Beschreibung der Anatomie der Spechtzunge eigene Studien zugrunde, und gibt eine
relativ gute Beschreibung des Zungenbeins, an 'dem er nur das os entoglossum als selbständigen
Teil übersehen hat. Der Verlauf und die Funktion des musc. genio-hyoideus
scheint ihm klar gewesen zu sein, und seine kurze Darstellung, wie sich beim Vorstrecken
der Zunge die Hörner im Zungenschlauch ärieinanderlegen und so als hintere Fortsetzung
des Zungenbeinkörpers zur Achse der Zunge werden, ist gut. Dagegen hat er den Rückzieher
nicht erkannt, was vielleicht daran liegt, daß er, wie aus der Beschreibung der Hörner
hervorgeht, nicht einen Grünspecht, sondern einen Buntspecht präparierte; bei dem der
musc. tracheo-hyoideus nicht eben leicht zu finden ist. Er meinte, der Rückzieher laufe wie
der Vorzieher die Hörner entlang und inseriere bei ihren Enden.
Während bis hierher die anatomischen Befunde rein beschreibend dargestellt wurden,
finden wir in den Werken des A. B o r e l l i , D e motü a n im a lium , das im Anfang des
18. Jahrhunderts erschien, und besonders der beiden P e r r a u lt , O e u v r e s de P h y s iq u e
(1721), wie schon die Titel besagen, Gedanken entwickelt, die den Mechanismus des Organischen
zu ergründen versuchen. Über den Bau der Spechtzunge sind zwar beide Autoren
nur mangelhaft unterrichtet, und daher sind ihre Ausführungen falsch. Die Bedeutung ihrer
Arbeiten liegt deshalb nicht in dem Ergebnis, wohl aber in der Richtung ihrer Studien.
B o r e l l i macht z. B. darauf aufmerksam, daß der musc. tracheo-hyoideus, dessen Spiralwindungen
er kannte, und der musc. genio-hyoideus, eine ' so komplizierte Lage annehmen
müßten, weil sie gezwungen seien, ihre Länge in dem gegebenen Raum des Kopfes und
Halses unterzubringen, eine Bemerkung, die für seine Zeit einen großen wissenschaftlichen
Fortschritt bedeutet. Die P e r r a u l t , deren vierbändiges Werk ein durchaus physikalisches
ist und sich hauptsächlich zur Aufgabe macht, den Bau und die Äußerungen der organischen
Welt nach physikalischen Gesetzen zu erklären, vergleichen Bd. III cap. 6;-J,Du mouvement
des parties qui servent à prendre la nourriture“ , den Vorzieher der Spechtzungè mit
dem Riemen, an dem man die Wagenschlagfenster in die Höhe zieht, „car lé cordon qui
étant attaché au bas du chassis de la glace la fait monter quand on tire, a une action
pareille à celle des muscles, par lesquels cette langue est remuée.“ Das ist ein ganz passender
Vergleich, wenn auch im übrigen die Erklärung des Mechanismus durchaus falsch ist.
Überhaupt scheinen die P e r r a u lt zu den ersten zu gehören, die die organischen Einrichtungen
mit technischen Apparaten vergleichen.
Dieselbe Absicht, wie B o r e l l i und P e r r a u l t verfolgt, von diesen angeregt, M e r y
(1709) in 'seinem 'Aufsatz „su r le s m o u v em en s de la la n g u e du P i v e r “ . Er will,
wie er zu Anfang sagt, zur Erklärung der Bewegungen der Zunge eine genauere Darstellung
ihrer Anatomie geben, als seine Vorgänger, und ' diese ist ihm auch vorzüglich gelungen.
Die in klarer Form geschriebene Arbeit enthält eine .gute und genaue Beschreibung des
Zungenbeins und seiner Lage am Schädel, der muSc. genio-hyoidei, tracheo-hyoidei mit den
Spiralwindungen und der’ vier ceratö-glossi, und erklärt die Wirkungsweise des Apparats, den
dieSe Teile zusamme'nsetzen. Auch erwähnt M é ry zürn erstenmal die Schleimdrüsen, deren
Bedeutung er richtig erkennt. Dazu kommen einige Zeichnungen, die im Gegensatz zu denen
der anderen Autoren jener Zeit verständlich und im wesentlichen richtig sind.