Längsmuskeln, welche innerhalb der Ringfaserschicht verlaufen, zwischen ihr und dem Mesoderm
(vgl. den Querschnitt Fig. 49, l).
Zwischen den beiden Hauptzellschichten sieht man nun bei N das fibrilläre Gewebe, auf
welches ich früher hingewiesen habe. Es ist am mächtigsten in der Mitte, da, wo der Buchstabe N
steht, und hier findet man vorwiegend Punktsubstanz, d. h. quergetroffene Fasern. An den seit-
wär ts verlaufenden Strängen tritt aber der fibrilläre Bau klar zu Tage, man sieht die Stränge in
unmittelbarer Nähe des Ectoderms an der Außenseite der Muskelschicht hinziehen und zum Theil
weiter aufwärts verlaufen, zum Theil jedoch in die Ectodermzellen selbst sich einsenken. Das ist
besonders deutlich an den mit a und ß bezeichneten Stellen. Das Gewebe wird durch Karmin nur
schwach gefärbt, und nirgends finden sich Kerne darin. In der Region der seitwärts verlaufenden
Stränge, in nächster Umgebung des mittleren Knotens, gewahrt man Verbindungen zwischen Ecto-
und Mesoderm. Dieselben durchsetzen die Faserzüge, welche zwischen ihnen hindurch ihren Weg
nehmen. Es sind Ausläufer der Ectodermzellen, die sich zum Theil, wie ich deutlich erkennen
konnte, an die Muskeln, zum Theil wohl auch direct an die Mesodermzellen anheften. Sie enthalten
Fibrillen, welche zu beiden Seiten des Kerns aus der Zelle heraustreten. Auf Querschnitten, welche
den hinteren Pol in der Fläche zur Anschauung bringen, erkennt man die Faserzüge des Zwischengewebes
als ein Netzwerk von theilweise anastomosirenden Strängen, wobei jedoch der radiale Verlauf
der Fasern ebenfalls zum Ausdruck kommt.
Was ist die Natur dieses Gewebes? Da auch die Muskeln, sofern sie sich in der Längsansicht
darstellen, ziemlich blaß und zart erscheinen, so habe ich lange die Möglichkeit erwogen, es könne
sich um eine Differenzirung des Längsmuskelsystems handeln. Aber wenn schon die Beziehung der
Fibrillen zum Ectoderm gegen diese Auffassung spricht, so wird dieselbe dadurch endgültig widerlegt,
daß die Längsmuskeln durchweg i n n e r h a l b von den Quermuskeln verlaufen, die Fibrillen dagegen
außerhalb. Ich bin sicher, daß wir es mit einem n e r v ö s e n Fasersystem zu thun haben.
Ein solches an dieser Stelle zu vermuthen, liegt außerordentlich nahe. Wenn man die Larven
beobachtet, wie sie suchend umherschwimmen und mit ihrem hinteren (beim Schwimmen nach vorn
gerichteten) Pol die festen Körper, welche zur Anheftung dienen können, gleichsam abtasten, so
kommt man unwillkürlich dazu, hier ein Sinnesorgan anzunehmen. Ich sehe daher in dem beschriebenen
Fasersystem einen Apparat, welcher die Cilienbewegung und das Muskelspiel regulirt und
mit den Wahrnehmungen, welche die Larve auf ihrer Wanderschaft macht, reflectorisch im Einklang
erhält. Insbesondere wird dieser Apparat die Einrollung des Flimmermantels bei der Festsetzung
zu regeln haben.
Was die Deutung des anatomischen Befundes im Einzelnen betrifft, so nehme ich an, daß die
Fasern in der durch die Buchstaben a und ß bezeichneten Region des Ectoderms, also peripher,
e n t s p r i n g e n . Von da nehmen sie ihren Verlauf nach der Mitte des Pols, wo sie sich mit den
übrigen Fasern k r e u z e n : So erkläre ich mir die Verdickung an dieser Stelle und die Thatsache,
daß man hier vorwiegend quergeschnittene Fibrillen findet. Über den Kreuzungspunkt hinaus
ziehen sie dann nach der g e g e n ü b e r l i e g e n d e n Seite des Flimmermantels, zwischen dem
Ectoderm und der Muskelschicht hinlaufend und hier sich vertheilend. Sie werden dabei einerseits
das wimpernde Ectoderm, andererseits das Muskelsystem innerviren, vielleicht auch mit jenen oben
erwähnten Stiftzellen (Fig. 48) eine Verbindung hersteilen. Den queren Verbindungen dürfte neben
der Reizleitung noch die Aufgabe zufallen, die durch das Zwischengewebe getrennten Hauptschichten
der Körperwand in festem Zusammenhang zu erhalten.
Nach meiner Auffassung der Phylactolämenlarve (’97, S. 83 ff.) entspricht deren hinterer
Pol dem Scheitelorgan (calotte, face aboral) der Gymnolämenlarve. An dieser Stelle ist von Harmer
(’87, S. 431 f.), Prouho (’90, S. 419 ff.) und neuerdings von Kupelwieser (1905, S. 30 f.) ein Nervencentrum
beschrieben worden, dessen Fasern zum Wimperkranz (couronne) und zum bimförmigen Organ
(organe piriforme) hinziehen. Die Existenz eines analogen Fasersystems an der als homolog angenommenen
Stelle der Phylactolämenlarve scheint mir dafür zu sprechen, daß ich mit meiner Vergleichung
der beiden Larventypen auf dem richtigen Wege bin.
Die Verwandlung der Larve und die weitere Entwickelung des Stockes. Die Verwandlung vollzieht
sich ebenso wie bei Plumatdla (Braem, ’90, S. 119 f., ’97, S. 67 f.). In dem von mir beobachteten
Falle fand sie sehr bald nach dem Freiwerden der Larve statt. Diese ist auf einen zur Anheftung
geeigneten Punkt gestoßen und berührt ihn mit dem hinteren Pol der Embryonalcystides. Das
Embryonalcystid contrahirt sich, und durch den auf die Leibesflüssigkeit ausgeübten Druck wird
der vordere, bisher unter der Duplicatur verborgene Abschnitt hervorgetrieben. Beide Vorgänge,
die Ausdehnung des vorderen Abschnittes und die Zusammenziehung oder Einrollung des hinteren
halten gleichen Schritt und nehmen beständig zu. Zuletzt schlüpft das Embryonalcystid mitsamt
der Duplicatur durch die vom Kranze der Duplicaturbänder begrenzte hintere Öffnung des bleibenden
Theiles in diesen hinein, die Öffnung schließt sich, und die junge Kolonie ist gegründet. Mit ihrer
Oralfläche legt sie sich an die Unterlage an, und das schon während der Verwandlung abgeschiedene
Chitinsekret kittet sie daran fest. So entsteht das Bild 53, das die Larve unmittelbar nach beendeter
Niederlassung wiedergiebt. Man sieht das Hauptpolypid mit dem nach hinten umgeschlagenen
Darm, die Tochterknospe B, die Cuticula (Ectocyste) cu und das in die Leibeshöhle verlegte, völlig
umgekrempelte Embryonalcystid E C. Der mittlere Längsschnitt Fig. 53a und die stärker vergrößerte
Theilfigur 53 b geben über das Detail weitere Auskunft. Das Embryonalcystid verfällt nun der
Auflösung, es wird in der Leibeshöhle verdaut und dient so der Ernährung der Kolonie. Die Öffnung,
durch die es nach innen verlegt wurde, verwächst.
Leider ist es mir nicht gelungen, Kolonien zu finden, welche die auf die Anheftung zunächst
folgenden Stufen klarlegen. Am 4. August traf ich aber an der Spandauer Fundstelle auf eine jüngere
Generation, welche sich an den Blättern von halb im Wasser stehenden Uferpflanzen angesiedelt
hatte und nicht anders als durch Larven dahin gelangt sein konnte. Statoblasten sind ausgeschlossen,
da sie nicht schwimmen. Die Kolonien waren an Größe verschieden, die größten bedeckten eine Fläche
von 23 mm Durchmesser und konnten schwerlich älter sein als vier Wochen. Einige enthielten
Geschlechtsproducte, andere Statoblasten, anderen fehlte beides. Das Merkwürdige aber war, dass
sie sich alle auf die Bauart der in Fig. 51 abgebildeten Kolonie, einer der kleineren, zurückführen
ließen, also den Typus jener Stöckchen aufwiesen, welche aus den mit zwei Primärpolypiden ausgestatteten
Plumatdla-Larven hervorgehen (vgl. Braem, ’90, Taf. I, Fig. 4—7). Es waren immer
zwei in entgegengesetzter Richtung verlaufende Hauptäste, entsprechend zweien Hauptpolypiden
lA und 11A, vorhanden. Da ich nun, wie ich im nächsten Kapitel ausführen werde, bei jungen Stato-
blastenstöckchen und auch bei anderen Kolonien an bestimmten Stellen Adventivknospen habe
auftreten sehen, welche, der sonst gültigen Knospenfolge entgegen, im Rücken älterer Polypide neue
Zweige begründen, so komme ich zu der Vermuthung, daß in der Larve bald nach ihrer Festsetzung
und nach der Auflösung des Flimmermantels, etwa- an der in Fig. 53 durch den Stern bezeichneten
Stelle, eine Knospe entsteht, die sich nach Art der Hauptknospe lA entwickelt und einem Zweige 11A
den Ursprung giebt. Diese Knospe würde durchaus der zweiten Primärknospe der Plumatella-Larven