Querschnitt, mit einer seichten Einbuchtung auf der Ventralseite (Tab. VI, Fig. 54— 56).
Dorsal und seitlich ist er mit winzigen, rückwärts, gerichteten Stacheln besetzt, welche
spezifisch charakteristisch angeordnet sind, was L u c a s (26) für nordamerikanische Arten genauer
beschrieben hat. Das für alle Spechte Typische ist dabei, daß die Stacheln sich auf
einen vordem Räum beschränken, während sie weiter hinten fehlen.
Nach vorn zu verjüngt sich der Zungenschlauch etwas und liegt, wie auch Querschnitte
(Tab. VI, Fig. 58) zeigen, am Übergang zu der Hornspitze den inneren Geweben
so fest an, daß er auch beim frischen Objekt ohne Zerreißung von diesen nicht abzupräparieren
ist. Im übrigen aber liegt zwischen der Muskulatur des Zungenschlauchs und
seiner Unterhaut ein zartes sulziges Gewebe, das alle Zwischenräume erfüllt, so daß die
einzelnen Teile des Apparats sich leicht gegeneinander verschieben können. Der Schlauch
wird nach vorn allmählich derber und dickhäutiger, geht aber doch an der Symphyse
zwischen Zungenbeinkörper und os entoglossum ziemlich unvermittelt in die verhornte
Zungenspitze über.
Diese Hornspitze, die ebenfalls einen den Spechten eigentümlichen kleinen Apparat
bildet, bietet mancherlei Interesse. Vergleichend-anatomisch ist sie, wie bereits Mer y (34)
festgestellt hat, dem Teil des Zungenapparats der übrigen Vögel gleichzusetzen,- welcher
dort als freie Zunge erscheint; denn sowohl dieser, als die Hornspitze der Spechtzunge
werden vom os entoglossum gestützt. Der Körper des Zungenbeins aber, welcher bei den
meisten Vögeln ein kurzes gedrungenes Stück darstellt und in der Mundschleimhaut verborgen
liegt, ist bei den Spechten stark nach vorn verlängert und hat sozusagen den ihn
umgebenden Teil der Mundschleimhaut mit sich in die Länge gezogen. Die Erinnerung an
den ursprünglichen Zustand finden wir bei den Spechten auch darin ausgedrückt, daß nur
die kurze Spitze verhornt ist, während der den Zungenbeinkörper umgebende Zungenschlauch
zwar den Schleimhautcharakter der Hauptsache nach verloren. hat, immerhin aber
noch weichhäutig ist. Diese morphologischen Umstände können uns aber nicht veranlassen,
den Ausdruck „Zunge“ für den gesamten im Schnabel freiliegenden Teil des Zungenapparates
zu vermeiden, wie es ältere Autoren für nötig hielten.
Die Hornspitze zeigt innerhalb der Gruppe mancherlei Verschiedenheiten'. Bei allen
Arten ist sie schmal, umgibt das os entoglossum ziemlich eng und ist daher ventral gewölbt,
dorsal eben oder besitzt sogar eine flache Rinne. Ihr Querschnitt bildet daher ungefähr
ein stumpfes gleichschenkliges Dreieck, dessen Basis dorsal liegt und dessen Ecken
abgerundet sind (Tab. VI, Fig. '61 und 62).' Der hornige Abschnitt der Zunge ist ungefähr
doppelt so lang als das ihn stützende crs entoglossum und endet mit einer nadelfeinen, etwas
abgerundeten Spitze, in deren Achse ein vom os entoglossum ausgehender, von Blutkapillaren
durchzogener Kanal verläuft. Beim Wendehals ist die Oberfläche der Zungenspitze
ganz glatt, so daß sie pfriemförmig ist. Bei den übrigen Spechten ist sie mit zweierlei
hornigen Gebilden besetzt. Am auffälligsten sind die Widerhaken. Sie entspringen an den
seitlichen Kanten der Zungenspitze, sind ziemlich stark und widerstandsfähig und nach hinten
etwas aufwärts ’ gerichtet. Außerdem findet man bei'xgenauer Betrachtung ventralwärts an
den Seitenflächen der. Hornspitze einen dichten Besatz von feinen, nach der Seite und etwas
vorwärts gerichteten Börsten, die immer etwas kürzer als die Widerhaken bleiben, aber doch
bei manchen Arten, wie beim großen Buntspecht, eine ansehnliche Länge erreichen; bei
ändern sind sie nur sehr kurz, aber immer vorhanden, wenigstens bei den europäischen
Spechten.
Auf Tafel I sind die Zungenspitzen einiger Spechtarten bei starker Vergrößerung abgebildet.
Fig. 4 zeigt die glatte Zunge des Wendehalses ; Fig. 3 das vorderste Ende der
Zunge des dreizehigen Spechtes. Die hier dargestellten Verhältnisse finden sich in wenig
verschiedener Weise' bei allen Buntspechten; bei tridactylus dürfte die Zahl der Widerhaken,
die Dichtigkeit und Länge der Borsten und die Feinheit der Spitze das höchste Maß
erreichen. Beim Schwarz- und Grünspecht (Fig. 1 und 2) finden wir die Hornspitze weniger
lang und nicht so fein endigend, mit bedeutend weniger Widerhaken und kürzeren Borsten
besetzt. Ganz besonders der Schwarzspecht zeichnet sich durch eine breitere, kurze und viel
weniger spitzwinklige' Zungenspitze aus, an der nur ein paar fest anliegende Widerhaken
stehen. Es ist leicht erklärlich, daß bei diesen beiden Arten, die, wie wir wissen, die Zunge
beim Insektenfang ganz anders verwenden, als die Buntspechte, die Widerhaken sich nicht
so massenhaft ausgebildet haben, wie bei diesen, die beim Erfassen der Nahrung fast nur
die Hornspitze verwenden.
Es wäre interessant, zu untersuchen, wie die Widerhaken und Borsten entstehen. Dies
wird aber kaum anders als embryologisch durchzuführen sein; man müßte feststellen, in
welcher Weise sich die Hornschichten der Zungenspitze bilden. L u c a s gibt an (26 pag. 37),
daß bei ganz jungen Nestlingen die Widerhaken fehlen und meint, daß der selbständige
-Nahrungserwerb ihre auffallend rasche Bildung veranlaßt. Bei einem eben flüggen Grünspecht
und einem wenig älteren Schwarzspecht fand ich die Verhältnisse im wesentlichen
wie bei den Alten. Die Bildung der Haken muß also sehr rasch vor sich gehen, wenn die
L u c a s sehen Angaben auch für unsere Spechte stimmen, was aber als wahrscheinlich angenommen
werden kann. Eine mikroskopische Untersuchung der Struktur der Hornspitze
dürfte dieses’ Verhalten einigermaßen erklären; wir finden, am deutlichsten in Fig. 2, die
die Zunge eines Grünspechts darstellt, daß die Hornschichten sich nicht parallel mit der
Oberfläche gebildet haben, sondern daß sie sich von hinten nach vorn dachartig decken,
was wohl durch das früheste noch embryonale Wachstum der Zungenspitze verursacht wird;
so kommt es, daß die Schichten mit der definitiven Oberfläche einen mit dem Scheitel nach
hinten gerichteten spitzen Winkel bilden, und es laßt sich leicht denken, daß eben ausgeschlüpfte
, Junge zwar noch eine glatte Zungenoberfläche haben, daß aber später, wenn
der Vogel sein Futter selbständig zu suchen und zu fangen beginnt, die Widerhaken passiv
gebildet werden, vielleicht ganz ohne innere Wachstumserscheinungen, indem die Horn-
spitze beim Gebrauch in der Richtung der Schichten gewissermaßen zerschlissen wird.
Warum der Wendehals keine Widerhaken besitzt, erfahren wir ebenfalls aus einer
mikroskopischen Betrachtung seiner Zunge; denn hier finden wir das Hornepithel parallel
zur Oberfläche geschichtet. So wenig Sicheres uns nun diese Befunde sagen, das läßt sich
daraus erkennen, daß die Zungenspitze bei den Spechten und dem Wendehals typisch verschieden
gebildet ist und auch der Umstand etwa, daß ganz junge Spechte eine glatte
Zunge haben, diese dem Wendehals phylogenetisch nicht näher bringt; denn die mikroskopische
‘Struktur beweist, daß bei jenen die Widerhaken schon embryonal angelegt sind.
Interessant ist, daß die Pinselzunge von Certhia in ihrer Struktur eine gewisse Ähnlichkeit
mit der Spechtzunge hat. Sie ist bekanntlich ebenfalls weit vorstreckbar und unter